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Wenn die Angst mitspielt

Olivia Fritz2. September 2012

Kölner Hooligans haben den Zweitliga-Spieler Pezzoni massiv bedroht, so dass der Fußballer um die Auflösung seines Vertrages bat. Der 1. FC Köln gab dem statt und damit der Gewalt nach, findet DW-Reporterin Olivia Fritz.

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Kevin Pezzoni hat kapituliert. Vor Hooligans, die vor nichts zurückschrecken. Die den Fußballprofi nach Hause verfolgten und ihn dort massiv bedrohten. Um es klar zu sagen: Er hat vor den eigenen "Fans" kapituliert. Der Spieler selbst habe deswegen um die sofortige Auflösung des Vertrags gebeten, heißt es von Seiten des 1. FC Köln. Man habe diesem Wunsch entsprochen, zum Schutz des Spielers.

Welche Rückschlüsse lässt das zu? Hilflos hat der Verein offenbar ansehen müssen, wie ein einziger Angestellter zum Sündenbock für die sportliche Misere des gesamten Klubs gemacht worden ist. Das hatte Trainer Holger Stanislawski zwar schon seit längerem erkannt, dagegen unternehmen konnte er aber offenbar nichts. Stanislawski war es, der die Vorfälle dann nach der Niederlage gegen Cottbus öffentlich machte. Der Verein hatte zuvor über die Vertragsauflösung "in bestem gegenseitigen Einvernehmen" in einer nüchternen Pressemitteilung informiert. Professionell ist das nicht und mit Krisenmanagement hat das Ganze auch nicht viel zu tun.

Mobbing gab es schon immer

DFL-Präsident Reinhard Rauball sprach von einer "neuen Stufe der Eskalation", für die es "keinerlei Toleranz" mehr geben könne. Was heißt das? Gibt es eine weitere "Task Force", die sich mit der Thematik auseinandersetzt? Werden die Täter überhaupt gefunden oder identifiziert? Kriegen die jetzt Stadionverbot oder eine Anzeige? Schließlich haben einige die Facebook-Gruppe "Kevin Pezzoni muss weg!!!" gegründet und dazu aufgerufen, den Spieler "aufzumischen". Und bekommt nach dem nächsten folgenschweren Fehlpass der nächste Abwehrspieler des 1. FC Köln vorsichtshalber Polizeischutz?

Schlimmes Mobbing und Gewaltandrohungen im Fußball hat es schon immer gegeben – auch von den eigenen Fans. Abwehrspieler Andrés Escobar Saldarriaga unterlief bei der WM 1994 ein Eigentor. Er wurde einige Tage später in seiner Heimat Columbien wahrscheinlich wegen dieses Missgeschicks erschossen. Bundesligatrainer Jupp Heynckes gab zu, in seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach Morddrohungen bekommen und daraufhin zurückgetreten zu sein. Letztes Jahr noch erhielt der Trainer des Regionalligisten KSV Hessen Kassel, Christian Hock, Morddrohungen der eigenen Fans. Seinen Spielern wurden Schläge angedroht. Ähnliche Tendenzen wie in Köln gab es letztes Jahr beim Regionalligisten 1. FC Magdeburg, als Kapitän Daniel Bauer vor seinem Haus von Vermummten verbal bedroht wurde.

Köln hat ein massives Hooliganproblem

Natürlich ist die Mehrzahl der Anhänger des 1. FC Köln friedlich. Es sind immer nur die paar Idioten, die wieder und wieder für massiven Ärger sorgen – Rauchbomben im Stadion, Überfälle auf gegnerische Fanbusse, Plakate mit der Aufschrift "Wenn ihr absteigt, schlagen wir euch tot". Doch selbst, wenn es nur wenige Hundert sind – sie haben viel Macht bekommen und sie haben sich zu einem riesigen Problem für den Verein entwickelt. Zu einem Problem, das der 1. FC Köln anscheinend nicht mehr in den Griff bekommt. Pezzoni hat oft Nerven gezeigt auf dem Fußballplatz. Er hat oft – sagen wir – "unglücklich" gespielt. Als Abwehrspieler wird leider fast jeder Fehler sofort bestraft. Das muss die sportliche Führung erkennen und etwas daran ändern – das ist aber nicht geschehen. Und nun erwecken die Verantwortlichen den Anschein, dass gewaltbereite Fans bestimmen können, wer auf dem Platz stehen darf – und wer nicht. Die Botschaft, die der 1. FC Köln damit (wenn auch ungewollt) aussendet, ist: Gewalt siegt.