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Profanierung von Kirchen

Christina Ruta22. Februar 2013

Die Kirchen in Westeuopa verlieren immer mehr Mitglieder. Eine Folge: Viele Gotteshäuser werden verkauft und umfunktioniert - zum Beispiel als Wohnhaus. Doch Profanierung von Gotteshäusern ist nicht unumstritten.

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Neuapostolische Kirche Herne (Copyright: DW/Christina Ruta)
Früher Kirche, heute Wohnhaus - die Familie Koch fühlt sich pudelwohl.Bild: DW/C. Ruta

Es leuchtet und glitzert in dem riesigen Wohnzimmer. Eine Kunstpalme, Lichterketten und andere Accessoires schmücken den zentralen Raum mit den großen Fenstern. Essbereich, Minibar und Küche gehen ineinander über. Auch eine Kuschelecke ist da. Amerikanisches Lebensgefühl kommt auf: "So viel Platz zu haben, ist schon was besonderes ", gibt Familienvater Uwe Koch zu.

Vor 13 Jahren haben er und seine Frau das Gebäude erworben und umgebaut. Wo heute eine Wendeltreppe in den zweiten und dritten Stock hinaufklettert, standen früher Altar und Kirchenbänke. Das Kochsche Heim war die Kirche der Neuapostolischen Gemeinde Herne-Horsthausen. Doch immer mehr Gläubige zogen weg. Muslimische Familien rückten nach. "Wir hatten einen kleinen Rest von Gläubigen hier", erinnert sich Horst Knauf, der Herner Bezirksvorsteher der Neuapostolischen Kirche (NAK), "die wurden auf andere Gemeinden aufgeteilt." Die Kirchenverwaltung entschloss sich zum Verkauf des Gebäudes.

Wohnzimmer in einer Kirche (Foto: Herne Horsthausen. Copyright: DW)
Wohnzimmer in einer KircheBild: DW/C. Ruta

Ein europäischer Trend

Herne ist kein Einzelfall: "Profanierung oder Kirchenschließung – diese Frage stellt sich derzeit vor allem in Nord-, Mittel und Westeuropa, und teilweise auch in Nordamerika", erläutert Hans-Peter Großhans, Theologieprofessor der Universität Münster. Denn aus demographischen Gründen und wegen anhaltend hoher Austrittszahlen in den traditionellen Kirchen tragen sich viele Gotteshäuser nicht mehr.

Das Geld für den Unterhalt der ungenutzten Gebäude, meinen Befürworter, könne man besser in kirchliche Aktivitäten investieren. In anderen Teilen der Welt, erklärt Professor Großhans, sei die Profanierung von Gotteshäusern hingegen kein Thema: "Das Christentum ist ja eigentlich eine Religion, deren Mitgliederzahl stetig steigt, vor allem in Südamerika, Afrika und Asien und auch in Osteuropa - dort werden auch überall Kirchen gebaut."

Wenn Kirchen schließen oder neue Nutzer finden, ist das, wie der Blick in die Geschichte zeigt, kein neues Phänomen. Beispiele finden sich in der früheren Islamisierung verschiedener Länder oder in jüngerer Vergangenheit auch in den sozialistischen Ländern. Dort freilich war der Staat die treibende Kraft. "Neu ist, dass Kirchen diese Umwidmung aus eigenem Entschluss vornehmen - also unter dem Druck der Finanzen und der sinkenden Mitgliederzahl", sagt Hans-Peter Großhans im DW-Interview.

Hagia Sophia
Die Hagia Sophia in Istanbul war erst Kirche, dann MoscheeBild: Sezayi Erken/AFP/Getty Images

Konsumtempel sind unerwünscht

Wandeln sich ungenutzte Gotteshäuser zu Kindergärten oder Trauerhallen, bleiben sie wenigstens in kirchlicher Hand. "Das ist zwar zuerst mit hohen Investitionen verbunden, es rentiert sich dann aber durch die Nutzungsgebühren", so der Experte für das Christentum in der Gegenwart. Andere Gotteshäuser würden verkauft - meist nach einem rituell begangenen Schließungsverfahren, der Entwidmung.

"Am liebsten ist uns ein christlicher Nachnutzer, also eine Glaubensgemeinschaft, die das Gebäude übernimmt ", sagt Horst Knauf von der Neuapostolischen Gemeinde in Herne. Das ist leichter gesagt, als getan. Doch weder Glücksspielunternehmen noch Bodell kommen als Nachnutzer in Frage, weiß Theologieprofessor Großhans, selbst Supermärkte sind Tabu: "Die Kirchen repektieren normalerweise die Sensibilität des Themas."

Uwe und Jutta Koch in ihrem ungewöhnlichen Zuhause (Foto: DW, Christina Ruta)
Uwe und Jutta Koch in ihrem ungewöhnlichen ZuhauseBild: DW/C. Ruta

Lieber Kino als Moschee

Nicht immer reicht das, wie ein Beispiel aus Hamburg zeigt: Dort hat eine evangelische Kirche den Besitzer gewechselt. Der Investor verkaufte das Gebäude an eine muslimische Gemeinde weiter, die al-Nour-Gemeinde will es nun zur Moschee umbauen. Ein Umstand, der Empörung und öffentliche Proteste auslöste. Protestanten sehen Fremdnutzungen generell etwas entspannter als Katholiken, erklärt Theologe Großhans. Für sie sei ihre Kirche nur solange heilig, wie sie für die christlichen Gottesdienste genutzt wird. Katholiken hätten da – aus theogischen Gründen – größere Bauchschmerzen. Doch auch Protestanten sehen es kritisch, wenn in ihrer Kirche, wo Heirat, Kindstaufe und Trauergottesdienst das Familienleben begleitet haben, plötzlich zu einem vermeintlich anderen Gott gebetet wird.

"Es tut einfach ein bisschen weh, dass man einen Ort aufgeben muss, wo man viel Schönes erlebt und Gemeinschaft intensiv gelebt hat", sagt Horst Knauf von der Neuapostolischen Gemeinde in Herne. Dass das Gebäude nun als Wohnhaus genutzt wird, daran habe sich aber niemand gestoßen. Familie Koch jedenfalls fühlt sich dort pudelwohl.