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Christliche Gebetsaktionen im neuen Jahr

Klaus Krämer4. Februar 2014

Mit zwei weltweiten Gebetsaktionen sind Christen ins neue Jahr gestartet. Dabei wollen sie Gott das anvertrauen, was ihnen und den Menschen unserer Tage zu schaffen macht. Was geschieht, wenn Christen beten?

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Junge polnische Christinnen beten (Foto: Czarek Sokolowski/AP/dapd)
Bild: CZAREK SOKOLOWSKI/AP/dapd

"Wenn et Bedde sich lohne däät, wat meinste wohl, wat ich dann bedde däät." Wenn das Beten sich lohnen würde, was meinst du wohl, wie viel ich dann beten würde, sang die Kölsch-Rock-Gruppe BAP vor Jahren. Dass sich das Beten lohnt, davon sind Gläubige vieler Religionen zutiefst überzeugt - auch Christen.

So gab es traditionsgemäß auch im vergangenen Januar wieder zwei große weltweite Gebetsaktionen. Eine davon die älteste überkonfessionelle Gebetsinitiative überhaupt. Die Allianz-Gebetswoche startete zum ersten Mal 1846 in London. Allein in Deutschland nehmen diesmal etwa 300.000 Christen aus evangelischen Landes- und Freikirchen an rund 1100 Orten teil. Sie beten für Frieden in der Welt, für mehr Gerechtigkeit, für die Bewahrung des menschlichen Lebens, für verfolgte Christen.

Bei der Gebetswoche für die Einheit der Christen stand dagegen die weltweite ökumenische Verbundenheit der Gläubigen unterschiedlicher Konfessionen im Mittelpunkt. Diese Initiatve gibt es seit 1908. Sie wird seit 1968 gemeinsam von dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen und dem Ökumenischen Rat der Kirchen verantwortet.

Das Gebet ist also ein einendes Band der Christenheit, mit dem intern und nach außen hin Positives bewirkt werden soll. Stellt sich die Frage: Was ist das Faszinierende am Beten? Und: Welche Bedeutung hat es im christlichen Kontext?

Beten funktioniert nur mit einem Gegenüber

Das Gebet als ein zentraler Ausdruck des Glaubens setzt immer die Vorstellung eines persönlichen Gottes voraus, der noch dazu unbedingt die Kommunikation mit dem Menschen will. Die Bibel vermittelt Charakterzüge eines allgegenwärtigen, liebenden Gottes, der jederzeit für den, der mit ihm sprechen will, ansprechbar ist. Wenn jemand einfach anfange, mit Gott zu reden und ihm seine Klagen, Sorgen oder Freude mitteile, "dann ist das eigentlich der Urschrei des Glaubens", sagt der evangelische Theologe Hartmut Steeb. Entscheidend sei die Kontaktaufnahme des Menschen mit dem dreieinigen Gott als Gegenüber.

Diese spezielle Definition haben die Kirchenväter in den frühen Jahrhunderten des Christentums gefunden, um das für menschliches Denken undurchdringliche Wesen Gottes begreifbar zu machen, erklärt Steeb: "Gott, der Vater, Gott, der Sohn, Gott der Heilige Geist. Die sind eine Person und dennoch unterschiedlich."

Junger Mann betet (Foto: Fotolia/justinkendra)
Beten heißt: Konzentration auf GottBild: Fotolia/justinkendra

Gott, der Vater ist demzufolge der Schöpfer des gesamten Universums. Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist der Mensch gewordene Gott, der die Menschen wieder mit Gott in Beziehung bringen soll. "Der Heilige Geist ist dazu da, um uns an die Worte zu erinnern, die Jesus selbst gesagt hat, um in uns das göttliche Wesen zum Ausdruck zu bringen." Es ist demnach egal, ob ein Mensch beim Beten Gott, Jesus oder den Heiligen Geist anspricht.

Beten, wie es einem in den Sinn kommt

Hartmut Steeb ist in seiner Hauptfunktion Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz und mitverantwortlich für deren Gebetswoche. Im DW-Gespräch betont er: "Ich kann ständig 'online' sein mit dem lebendigen, ewigen Gott. Das ist Beten - ständig bereit zu sein, ihm die Dinge zu sagen, die mich bewegen, damit er mit mir reden kann." Ulrich Lüke, katholischer Theologieprofessor an der Universität Aachen, empfiehlt, sich zum Beten zu sammeln, innerlich zur Ruhe zu kommen, "und wenn man dann redet, dann muss es authentisch sein".

Pfarrer Hartmut Steeb, Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz (Foto: DW/K. Krämer)
Pfarrer Hartmut Steeb: Gebet als Urschrei des GlaubensBild: DW/K. Krämer

Das Ansprechen Gottes kann durch unterschiedliche Arten des lauten oder auch stillen Betens geschehen. Bitte, Fürbitte und Dank haben dort ebenso ihren Platz, wie Klage und Anbetung. All diese Gebetsvarianten finden sich besonders in den Psalmen der Bibel. So kann das Zitieren dieser antiken Verse auch eine Form des Betens sein. Ulrich Lüken nennt die alten, fertig formulierten Gebete "Sprache gewordene, geronnene Gebetserfahrungen aus Jahrtausenden". Als Kerngebet der Christenheit gilt das Vaterunser, von Jesus Christus selber formuliert. Prinzipiell sind vorformulierte Gebete jedoch kein Pflichtprogramm. Jeder kann so mit Gott reden, wie es ihm angebracht erscheint. Ebenso wenig ist Beten an bestimmte Haltungen und Orte gebunden.


Gott hört und antwortet

Dazu, dass der dreieinige Gott die Gebete der Menschen hört, gibt es konkrete biblische Verheißungen. Der bekannteste "Notruf" der Bibel steht im Psalm 50: "Bist du in Not, so rufe mich zu Hilfe! Ich werde dir helfen, und du wirst mich preisen." Doch nach dem Verständnis der Heiligen Schrift hört Gott nicht nur die Gebete der Menschen. Er antwortet ihnen auch. Durch die Jahrtausende hindurch bezeugen Christen, dass das etwa geschehen kann durch persönliche Eingebungen, durch positive Empfindungen, durch das Bibellesen.

Alte Frau betet (Foto: picture-alliance/Photoshot)
Freude und Trost durch Beten? Der Gesichtsausdruck dieser Christin in Tibet legt diesen Schluss naheBild: picture-alliance/Photoshot

Ulrich Lüke nennt in diesem Zusammenhang auch die Stimme des Gewissens, bestimmte Ereignisse im Leben des Betenden. "Ich glaube, Gott redet auch durch andere Menschen mit mir. Vielleicht redet er auch in meinen Träumen mit mir und öffnet mich für bestimmte Wahrnehmungen. Da gibt es jedenfalls gute biblische Anhaltspunkte."

Wenn Gebete nicht erhört werden

Die Mehrheit der Betenden geht vermutlich davon aus, dass Gott Gebete nicht nur hört, sondern auch erhört. Was aber, wenn der allwissende und allmächtige Gott anders plant als der betende Mensch? Diesbezüglich passieren vermutlich die größte Frustrationen bei denen, die sich vertrauensvoll an Gott gewandt haben. Für Ulrich Lüke ist Gott definitiv nicht der Erfüllungsgehilfe menschlicher Wünsche und Vorstellungen. Selbst das Erhören einer noch so gut gemeinten Bitte könne aus der Sicht Gottes grundfalsch sein, sagt Pfarrer Hartmut Steeb.

Die "Betenden Hände" von Albrecht Dürer (Foto: picture alliance/dpa)
Weltberühmt: Albrecht Dürers "Betende Hände"Bild: picture alliance/dpa

Er betont, dass Gott - im Bild gesprochen - "auf einem hohen Turm steht. Aus dieser Position könne er alles überblicken. Der Horizont des Menschen sei dagegen äußerst begrenzt - das kenne jeder aus eigener Erfahrung: "Was heute gut ist, bewertet man in ein paar Wochen als schlechte Entscheidung. Einen zu haben, der alles durchschaut und weiß, das finde ich einfach phantastisch." Und Ulrich Lüke zitiert das geflügelte Wort: "Wen Gott strafen will, dem erfüllt er alle Bitten." Die ideale Haltung ist vertrauensvolle Einsicht des Beters, dass Gott nie einen Fehler macht - also auch dann nicht, wenn die eigenen Wünsche augenscheinlich nicht erfüllt werden.

Gott verändert den, der betet

Wenn et Bedde sich lohne däät …" Weshalb könnte es sich lohnen zu beten? Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard hat es für sich so auf den Punkt gebracht: "Das Gebet ändert nicht Gott, aber es verändert den Betenden." Ulrich Lüke betont in dem Zusammenhang, dass das Beten eine Art Lebenshaltung sei, ein "Überantworten des eigenen Denkens, Redens und Tuns an den unfasslichen Gott, der mir näher ist als ich mir selbst."

Ulrich Lüke, Professor für katholische Theologie an der RWTH Aachen (Foto: Ulrich Lüke)
Theologieprofessor Ulrich Lüke: Innerlich ruhig und authentisch betenBild: Ulrich Lüke

Sogar dem Modus einer Anklage gegen Gott kann der Aachener Theologieprofessor etwas Positives abgewinnen. "Dann habe ich wenigstens eine Adresse für meine Verzweiflung. Wenn ich Gott ganz außen vor lasse, dann rede ich in ein Vakuum hinein, das meine Verzweiflung nicht reflektiert."