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Wenn aus Fischkot Tomaten werden

1. Februar 2009

Tomaten und Fische sind in der Küche ein Herz und eine Seele. Bei der Zucht waren sie das lange nicht. Bis Forscher vom Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei einen erstaunlichen Versuch machten.

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Lecker!Bild: AP

Buntbarsche in Fischbecken
Buntbarsche in FischbeckenBild: DW / Richard Fuchs

Professor Werner Kloas öffnet behutsam die Milchglas-Schiebetüre am Gewächshaus. Vor dem Fischerei-Experten stehen zehn grüne Fischbecken in Zweierreihen, in einige Becken strömt frisches Wasser. Darin, hunderte von Tilapien, eine afrikanische Buntbarsch-Art mit gräulich-roten Schuppen. Daneben gesellen sich zwei überdimensional, silberne Blumenkästen. Hier wächst Tomatenstaude an Tomatenstaude. Soweit so gewöhnlich, sagt Werner Kloas und deutet auf den Kniff der ungewöhnlichen Lebensgemeinschaft hin. „Sobald die Tomaten Nährstoffe brauchen, wird über ein ausgeklügeltes Leitungsnetz Wasser aus den Fischbecken in die Tomatenrinnen geleitet“, sagt Kloas. Die darin enthaltenen Ausscheidungen würden so einfach zu einem vorzüglichen Pflanzen-Dünger umfunktioniert.

Fischkot als Grundstoff für Turbo-Dünger

IGB Tomatenernte
TomatenstaudenBild: IGB

Doch damit das funktioniert, muss der Fischkot gereinigt werden. Ein schwarzer Kessel ragt dafür in einer Ecke des Gewächshauses vom Boden bis zum Dach. Hier entsteht aus dem ammoniakhaltigen Fischkot mit Hilfe von Sauerstoff und bestimmten Bakterien der Superdünger Nitrat. Erst jetzt darf das nährstoffreiche Fischwasser die Wurzeln der Tomatensträucher umspülen. Die Menge können die Wissenschaftler über Ventile regeln.

Wie erfolgreich ihr neuer Zuchtkreislauf für Tomaten und Fische sein würde, das konnten die Forscher anfangs selbst kaum glauben. Nach Abschluss der ersten Tomatensaison wurde Bilanz gezogen, und die war rekordverdächtig. Über 600 Kilo Tomaten ernteten die Forscher mit der kleinen Versuchsanlage. Kein Wunder, dass Instituts-Gäste in diesem Jahr keine Kugelschreiber, sondern Tomaten-Körbe als Geschenk bekamen.

Selbst was verdunstet kommt zurück ins Becken

Doch obwohl die Tomaten ausschließlich von den Nährstoffen der Fische leben, ein ganz geschlossener Produktionskreislauf wurde daraus erst durch die pfiffigen Ideen der Berliner Forscher. Oberstes Ziel dabei war es, Wasser zu sparen, sagt Professor Kloas: „Das von den Pflanzenwurzeln aufgenommene Wasser verdunstet irgendwann wieder über die Blätter. Genau da haben wir angesetzt.“

IGB Tilapien
Die Buntbarsche Tilapien sind extrem Hitze resitent, gut für eine schwüle Umwelt im Gewächshaus.Bild: IGB

Drei so genannte Kühlfallen wurden am Gewächshausdach installiert. Darin kondensiert der in der Luft vorhandene Wasserdampf wieder zu Wasser, und das fließt zurück ins Fischbecken. „Gerade diese Wasserrückgewinnung macht das System so einzigartig“, schwärmt der Forscher und legt Zahlen nach. Pro Tag muss den Fischbecken so nur noch vier Prozent Frischwasser zugesetzt werden. Zum Vergleich: in einer ganz normalen Fischzuchtanlage sollte täglich zehn bis 15 Prozent des Wassers erneuert werden.

Ihre Vision haben die Forscher damit klar vor Augen: schon in wenigen Jahren soll es inmitten von Wüstenstaub möglich sein, umweltfreundlich und effizient Fisch- und Gemüse zu produzieren.

Mit Patent zum kommerziellen Erfolg

Noch ein paar Jahre wird es aber wohl dauern, bis aus der Vision der Forscher Wirklichkeit werden könnte. Das Patent auf ihr System haben sie sich aber schon einmal gesichert und auch eine Firma soll gegründet werden. Beinahe wöchentlich trudeln Anfragen bei Professor Kloas ein, so dass der mehr und mehr auch vom kommerziellen Erfolg der eigenen Forschung überzeugt ist. Dazu beitragen könnte auch, dass der Fischdünger keineswegs nur das Wachstum von Tomaten anregt. „Auch Gurken oder Paprika könnten angebaut werden, oder aber in der kalten Jahreszeit Schnittblumen, Kräuter oder ähnliches“, sagt Professor Kloas. Es scheint also, als ob Fischkot tatsächlich der Stoff ist, aus dem auch Träume sein können.

Richard Fuchs Reporter bei DW
Autor: Richard FuchsBild: Richard Fuchs / DW