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Deutschlands Rolle in der Welt

Bettina Marx20. Mai 2014

Wie blickt man vom Ausland auf Deutschland? Wie beurteilt man in Frankreich, den USA oder China die deutsche Außenpolitik? Im Auswärtigen Amt haben Experten aus dem Ausland diese Fragen diskutiert.

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Außenminister Steinmeier spricht bei der Konferenz "Review 2014" im Auswärtigen Amt - Foto: Köhler (Photothek)
Bild: photothek/Köhler

Er sei sich bewusst, dass es riskant ist, sich mitten in einer außenpolitischen Krise eine Selbstbefragung zu leisten, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier zur Eröffnung der Konferenz "Review 2014 - Außenpolitik weiter denken" in Berlin. Andererseits sei vielleicht gerade diese Krise der richtige Anlass, um nach der Rolle Deutschlands in der Welt zu fragen. Darum habe sein Ministerium 60 Experten aus 27 Ländern gebeten, ihre Sicht darzustellen und ihre Erwartungen an die deutsche Außenpolitik zu formulieren.

Fünf der Befragten präsentierten ihre Antworten nun im Weltsaal des Auswärtigen Amtes der Öffentlichkeit. Dabei waren sich alle in einem einig: Deutschland ist ein wirtschaftlich und politisch bedeutendes Land, ein Motor in der Europäischen Union und international anerkannt. Was daraus folgt, wird jedoch durchaus unterschiedlich gesehen.

Eine aktivere Rolle in Afrika

Elisabeth Guigou, Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Französischen Parlament, der Assemblée Nationale, würdigte Deutschland als einen verlässlichen Partner, der eng mit Frankreich zusammenarbeite. In der Ukraine-Krise habe sich diese Kooperation als segensreich erwiesen. Die diplomatische Offensive des sogenannten Weimarer Dreiecks - also Deutschland, Frankreich und Polen - habe zu einer Beruhigung der Lage in Kiew beigetragen. In Frankreich sei die enge Absprache zwischen Paris und Berlin gut angekommen und werde auch von der Öffentlichkeit begrüßt.

Mehr Zusammenarbeit wünsche man sich jedoch mit Bezug auf Afrika. Der schwarze Kontinent stelle die größte Herausforderung für die Sicherheit Europas dar. Der Bürgerkrieg in der Zentralafrikanischen Republik drohe die ganze Sahelzone zu erschüttern. "Wenn Zentralafrika ins Chaos stürzt, könnten wir bald erleben, dass terroristische Gruppen wie Boko Haram sich ausbreiten." Dies müsse verhindert werden und dabei hoffe Frankreich auf deutsche Unterstützung. "Eine militärische Intervention ist immer die letzte Option", so Guigou. In Zentralafrika aber gebe es keine Alternative.

Mehr Geld für Rüstung

Auch in den USA sieht man in der Bundesrepublik einen wichtigen transatlantischen Partner, so Angela Stent von der Georgetown University. Längst sei Deutschland aber nicht mehr, wie vor der Wiedervereinigung, "ein wirtschaftlicher Gigant und politischer Zwerg". Darum erwarte man in Washington, dass Berlin "eine strategischere Außenpolitik" entwickle und mehr Verantwortung übernehme. Dazu gehöre auch, dass Deutschland mehr Geld für Rüstung ausgebe.

In der Ukraine-Krise zähle Amerika auf Deutschland, so die Politikwissenschaftlerin. Ziel müsse es sein, Russland daran zu hindern, die Ukraine weiter zu destabilisieren. Sollte dies gelingen und sich die Lage wieder entspannen, müsse man daran gehen, eine neue euro-atlantische Sicherheitsarchitektur aufbauen, in die auch Russland einbezogen werde.

Experten aus fünf Ländern diskutieren Deutschlands Rolle in der Welt. Von links: Feng Zhongping, Eilsabeth Guigou, Steinmeier, Fuat Keyman, Ivan Krastev, Angela Stent - Foto: Köhler (Photothek)
Experten aus fünf Ländern diskutieren Deutschlands Rolle in der WeltBild: photothek/Köhler

Auch für den bulgarischen Politikbeobachter Ivan Krastev, Vorsitzender des Centre for Liberal Strategies in Sofia, steht die Krise in der Ukraine im Mittelpunkt. Dabei gehe es nicht um einen territorialen Streit mit Russland, betonte er. Mit seiner Politik fordere der russische Präsident Wladimir Putin die Normen heraus, auf denen Europa beruhe. "Putins Anspruch ist viel radikaler. Er glaubt, dass er das wahre Europa repräsentiert." Dies stelle nicht nur eine Bedrohung für die Ukraine dar, sondern für Europa, das über diese Krise auseinanderfallen könne. Angesichts dieser Lage frage er sich, ob Deutschland in Zukunft weiterhin eine zentrale Rolle in der EU spielen werde oder ob es sich mehr als Mittelmacht zwischen Russland und dem Westen verstehe.

Pionier in Europa

Einen ganz anderen Schwerpunkt setzte Fuat Keyman, Direktor des Istanbul Policy Center. Er erhoffe sich von Deutschland Unterstützung und Solidarität bei der Bewältigung der Krise in der arabischen Welt. Sein Land sei mit der Aufnahme von nahezu einer Million Flüchtlingen aus Syrien am Rand seiner Kapazitäten angelangt und auf die Hilfe Deutschlands angewiesen. Darüber hinaus spiele Berlin eine wichtige Rolle bei der Annäherung der EU an die aufstrebenden Nationen, wie die Türkei und China.

Ganz ähnlich sieht auch der chinesische Politikwissenschaftler Feng Zhongping die Rolle der Bundesrepublik: sie könne als Brücke zwischen den etablierten und den aufstrebenden Mächten fungieren, sagte er. Darüber hinaus könnte sie innerhalb der EU die "Rolle eines Pioniers" übernehmen. Dies beinhalte jedoch keinen Führungsanspruch. "Eine Führungsrolle ist ein Modell des Kalten Krieges", so Feng. Aber die 28 Mitgliedsstaaten der EU seien auf "Pioniere" oder auf "Gruppen von Pionieren" angewiesen, die wirtschaftlich und politisch stark seien und andere mit sich ziehen könnten.

Zahlreiche Besucher lauschen im Weltsaal des Auswärtigen Amts den Diskussionen der Experten - Foto: Köhler (Photothek)
Zahlreiche Besucher lauschen im Weltsaal des Auswärtigen Amts den Diskussionen der ExpertenBild: photothek/Köhler

Hohe Erwartungen

Für Außenminister Steinmeier sind all dies "fast unendliche Erwartungen" an die Adresse Deutschlands. Die Forderungen des Auslands an die Bundesrepublik seien groß. Deutschland werde weithin als europäische Führungsmacht wahrgenommen, der man viel zutraue und von der man viel erwarte. Die Bereitschaft der Deutschen aber, diese neue Rolle anzunehmen, sei nur gering. Dies zeige sich "wie unter einem Brennglas" in der Ukraine-Krise. Viele Bürger wünschten sich, dass Deutschland sich heraushalten möge. Für ihn komme dies jedoch nicht in Frage. Denn: "Wenn wir Verantwortung tragen - und das nicht grundsätzlich bestritten wird - dann tragen wir Verantwortung für unser Nichthandeln genau so wie für unser Handeln."