1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Türkei Ihsanoglu Präsidentschaftswahlen

Thomas Seibert18. Juni 2014

Der ehemalige Generalsekretär der OIC, Ekmeleddin Ihsanoglu, geht als Kandidat der größten türkischen Oppositionsparteien ins Rennen um das Präsidentenamt. Ob er sich gegen Erdogan durchsetzen kann, ist umstritten.

https://p.dw.com/p/1CL6H
Ekmeleddin Ihsanoglu (Foto: AFP PHOTO/KARIM JAAFAR)
Bild: Getty Images/AFP

Mit 70 Jahren steigt der Wissenschaftler und Diplomat Ihsanoglu in die türkische Innenpolitik ein. In Kairo geboren und aufgewachsen, arbeitete er viele Jahre im Ausland, vor allem im saudi-arabischen Jeddah, dem Sitz der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC). Als Chef der größten islamischen Staatengemeinschaft hatte sich Ihsanoglu im vergangenen Jahr mit der Erdogan-Regierung über die Entmachtung des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi gestritten. Ihsanoglu lehnte die türkische Forderung ab, Ägypten wegen der Absetzung Mursis zu verurteilen.

Ihsanoglu spricht fünf Sprachen und wirkt mit seinen grau melierten Haaren sehr "efendi", wie die Türken sagen: Er ist ein Gentleman. In seinem ersten Interview seit seiner Nominierung betonte er am Mittwoch (18.6.2014) in der Oppositionszeitung "Cumhuriyet" die Bedeutung des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk für das türkische Volk – eine Geste an die säkuläre Partei CHP, deren Chef Kemal Kilicdaroglu den Ex-OIC-Chef vorgeschlagen hatte. Kilicdaroglu einigte sich mit der nationalistischen Partei MHP auf Ihsanoglu als gemeinsamen Kandidaten.

"Eine sehr kluge Entscheidung"

Ihsanoglu soll das Oppositionslager hinter sich einen und Wähler der Erdogan-Partei AKP sowie der islamistischen Saadet-Partei gewinnen. Der Charakter des Kandidaten soll dabei helfen: Er ist ein frommer Muslim und ein Säkularist. Seine Frau Füsun trägt ihr Haar offen und ohne Kopftuch.

Erdogan in Köln (Foto: Kayhan Ozer - Anadolu Agency)
Erdogan befindet sich schon im Wahlkampf - Veranstaltung in Köln am 24. Mai 2014Bild: picture alliance/AA

"Eine sehr kluge Entscheidung" hätten CHP und MHP mit der Nominierung von Ihsanoglu getroffen, schrieb der Kolumnist Mustafa Akyol, ein Experte für den politischen Islam, in der Zeitung "Hürriyet Daily News". Die Zeitung "Taraf" meldete sogar, Erdogan werde im Lichte der ernsthaften Herausforderung durch Ihsanoglu seine nicht offiziell verkündete Kandidatur für das höchste Staatsamt noch einmal überdenken. Gewählt wird am 10. August.

Widerstand in den eigenen Reihen

Doch im Oppositionslager sind nicht alle begeistert vom gemeinsamen Kandidaten. So reagierte der erz-säkularistische Flügel in der CHP mit Bestürzung. Eine der Wortführerinnen der Gruppe, die Abgeordnete Nur Serter, erklärte, sie schäme sich für die Entscheidung ihrer Parteiführung. Für Politiker wie Serter ist Ihsanoglu viel zu religiös. Nach Presseberichten ist nicht auszuschließen, dass die CHP-Abweichler einen eigenen Kandidaten aufstellen. Auch Vertreter der Aleviten, einer islamischen Minderheit, die sich von der sunnitischen Mehrheit in der Türkei diskriminiert fühlt, lehnten Ihansoglu ab.

Meinungsforscher sehen die Kandidatur des 70-jährigen ebenfalls skeptisch. "Er soll Wähler der AKP-Basis für sich gewinnen, dabei muss er erst einmal sehen, dass er die eigene Basis hinter sich bringt. Die CHP ist gespalten", sagte Adil Gür, Chef des Demoskopie-Instituts A&G, der Deutschen Welle. Viele Stammwähler der Opposition könnten am Wahltag aus Protest zu Hause blieben, was Erdogans Chancen auf einen Sieg erhöhe, sagte er. Außerdem habe Ihsanoglu nicht mehr viel Zeit, sich bei den mehr als 50 Millionen Wähler in der Türkei vorzustellen.

OIC General-Sekretär Ekmeleddin Ihsanoglu (R) (Foto: EPA/T.MUGHAL +++(c) dpa - Report)
Präsidentschaftskandidat Ekmeleddin Ihsanoglu (r)Bild: picture-alliance/ dpa

"Er hat keine Chance"

Ähnlich denkt Gürs Kollege Mehmet Murat Pösteki vom Umfrageinstitut ORC. "Er hat keine Chance", sagte Pösteki der Deutschen Welle mit Blick auf Ihsanoglu. Angesichts der relativen Unbekanntheit des Kandidaten hätte die Opposition ihren Bewerber schon im Frühjahr aufs Schild heben sollen statt so kurz vor der Wahl. Demoskop Gür verwies zudem auf die politische Unerfahrenheit von Ihsanoglu. Die erste Direktwahl des Staatspräsidenten im August werde de facto ein Präsidialsystem schaffen, weshalb ein gestandener Politiker der Richtige für das Amt sei. "Er ist ein guter Mann, aber kein Politiker", sagte Gür über Ihsanoglu.

Die Experten Gür und Pösteki räumen deshalb Erdogan gute Chancen ein, gleich in der ersten Runde am 10. August mehr als 50 Prozent der Stimmen zu erhalten und Präsident zu werden. Verfehlen alle Kandidaten die 50-Prozent-Marke, findet am 24. August eine Stichwahl statt. Bis zum 3. Juli müssen die Bewerbungen offiziell beim Wahlamt angemeldet werden. Die Kurdenpartei HDP will einen eigenen Kandidaten aufstellen und diesen am Wochenende bekannt geben.