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Weihnachtsgeschenke: Krasser Wertverlust?

Zhang Danhong23. Dezember 2012

Die allermeisten Deutschen freuen sich auf Weihnachten. Dabei sorgen Geschenke zum Fest nicht nur oft für Frust, sie bedeuten auch Verlust von Wertschöpfung. Sagen zumindest Ökonomen.

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Eine Familie sitzt an Heiligabend neben dem Weihnachtsbaum
Geschenke im ÜberflussBild: picture-alliance/chromorange

Wer hat als Kind nicht schon mal einen Pullover von der Tante zu Weihnachten bekommen, der anschließend im Kleiderschrank verschwand. Nach drei Jahren landet der Pullover dann entweder in der Altkleidersammlung oder wird direkt weggeschmissen. Ein eindeutiger "Wohlfahrtsverlust", ein Abstrich an der ökonomischen Optimalsituation also - meint Achim Wambach, Wirtschaftsprofessor der Universität Köln während eines Streitgesprächs, das als Weihnachtsvorlesung getarnt ist.

"Weihnachtsgeschenke treffen oft nicht die Vorlieben des Beschenkten und sind daher ineffizient", gibt Wambach den "Homo Oeconomicus", den rein wirtschaftlich handelnden Menschen. Mit dem Ergebnis einer Studie des amerikanischen Ökonomieprofessors Joel Waldvogel versucht Wambach, seine These zu untermauern. Demnach hätten Waldvogels Studenten angegeben, was sie selber für ihre erhaltenen Geschenke ausgeben würden. Die Summen seien teilweise sehr viel niedriger gewesen als der tatsächliche Preis der Geschenke. "Bis zu einem Drittel des Wertes wurde bereits durch das Schenken zerstört", so Wambach. "Ohne Weihnachten wären wir also besser dran", stellt er emotionslos fest.

Plakat für die Vorlesung der Professoren Axel Ockenfels und Achim Wambach (Foto: DW)
Vorlesung der besonderen Art: Zwei Professoren diskutieren den wirtschaftlichen Wert der WeihnachtsgeschenkeBild: DW/D. Zhang

Geschenke zeigen Wertschätzung

Sein Kollege Axel Ockenfels schlüpft in die Rolle des Verhaltensökonomen und verteidigt den Wert des Geschenks an sich. Dabei zeigt er auf seine rot gestreifte Krawatte: "Das war ein Geschenk von Achim Wambach." Nach Wambachs Theorie sei die Krawatte zwar ein Totalverlust, selber hätte er sie sich niemals gekauft, aber "wenn man das Geschenk erst mal hat, dann freut man sich doch darüber und bewertet es ganz anders", sagt Ockenfels. "Wenn ich stattdessen 20 Euro bekommen hätte, wäre die Freude nicht so groß", fügt der Wirtschaftsprofessor unter dem Gelächter der Zuhörer hinzu.

Wambach lässt sich nicht beirren: Ökonomischer wäre es doch, direkt Geld zu schenken. Zumal eine Studie der Unternehmensberatungsgesellschaft Deloitte zeige, dass sich knapp die Hälfte der Bundesbürger zu Weihnachten Geld wünsche. "Ich stelle mir Heiligabend bei den Wambachs so vor", sagt Ockenfels süffisant, "dass alle unter dem Weihnachtsbaum sitzen und das Portemonnaie zücken."

Professor Axel Ockenfels von der Universität Köln (Foto: Universität Köln)
Verteidigt den Wert des Geschenks: Professor Axel OckenfelsBild: Robert Poorten

Geld sei schließlich nicht alles. Das zeigten auch Untersuchungen bei Dax-Unternehmen. Obwohl die Bonusausschüttung von Jahr zu Jahr steige, trete die Produktivität auf der Stelle. Da zähle der relative Vergleich, erzählt Ockenfels: "Wenn ein Manager weniger Bonus erhält als seine Kollegen, sinkt seine Motivation."

Wunschzettel schafft Abhilfe

Bei aller Kritik über den rein rational denkenden Homo Oeconomicus räumt auch der Verhaltensökonom ein, dass ein gewisser "Wohlfahrtsverlust" bei Weihnachtsgeschenken nicht zu leugnen sei. "Diese Verluste kann man aber durch Kommunikation reduzieren", so Ockenfels. Die häufigste Art der Kommunikation stellen die Wunschzettel zu Weihnachten dar.

Wunschzettel von Professor Ockenfels aus Kindertagen (Foto: DW)
Persönliche Note: Wunschzettel von Professor Ockenfels aus KindertagenBild: DW/D. Zhang

Dieses Verfahren hat der Homo Oeconomicus Wambach längst rationalisiert. Seinem Sohn gibt er die Möglichkeit, beim Internetkaufhaus Amazon eine Wunschliste zusammenzustellen. "Drei Tage vor Heiligabend lese ich die Liste, streiche einiges durch und drücke auf 'abschicken'." Die Geschenke kämen rechtzeitig an und seien sogar schon mit Geschenkpapier versehen.

Über diese Effizienz kann sein Kollege nur lachen. Schließlich sei Weihnachten das Fest der Liebe und Geschenke wollen gut überlegt sein. Ein schönes Geschenk sei eines, das der Beschenkte sich selber niemals kaufen würde, das aber dessen leidenschaftliches und romantisches Selbst widerspiegele.

Regeln des Schenkens

Dem Homo Oeconomicus ist das alles zu vage und unpräzise. Konkrete Vorschläge gibt Wambach den Zuhörern mit auf den Weg. Das Beste sei wie bereits erwähnt Geld. Wo Geld nicht angebracht sei, solle man den eigenen Interessen entsprechend handeln. Wenn ein Weinkenner andere mit Wein beschenke, "steigert das die Effizienz". Er könne am besten Lehrbücher aussuchen, witzelt Wambach. Mit Geschenken könne man auch Signale senden, so der Ökonom weiter. "Wenn jemand ein Geschenk selbst bastelt, lautet die Botschaft: Ich habe mehr Zeit als Geld."

Professor Achim Wambach, Direktor des Wirtschaftsinstituts der Universität Köln (Foto: Universität Köln)
Stellt Regeln des Schenkens auf: Der Kölner Professor Achim WambachBild: Staatswissenschaftliches Seminar/Wambach

Und die letzte Regel des Schenkens verkündet Wambach auch: Wer schenkt, muss leiden. So sei es ein ganz besonderes Geschenk für seine Frau, wenn er mit ihr einen ganzen Tag shoppen gehe, auch wenn er dabei leiden müsse. Beruhigend zu wissen, dass auch die ökonomisch denkenden Ökonomen in der Lage sind, Liebe und Zuneigung zu zeigen.