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Weihnachten im Umbruch

Aurelie Winker25. Dezember 2012

Die Ägypter haben in den vergangenen Wochen für viele Schlagzeilen gesorgt. Jetzt feiern die Christen im Land Weihnachten: traditionell, bunt und ein bisschen besorgt.

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"Weihnachten in Kairo" (Redaktion Dennis Stute). Für alle Bilder gilt: Aufgenommen von: Aurelie Winker Datum: 17. Dezember 2012 in: Kairo Zulieferung : Dennis Stute DW
Weihnachten in Kairo /WeihnachtsladenBild: Aurelie Winkler

Jeder Winkel des winzigen Ladens ist mit Weihnachtsschmuck ausstaffiert: mit pinken Glocken, Schneemännern mit und ohne Schlitten, blinkenden Lichterketten und glitzernden Miniaturtannenbäumen. Im Hintergrund läuft eine Koranrezitation. Es weihnachtet in Kairo: Der Männerfriseur an der Ecke empfängt die Kunden mit einem geschmückten Weihnachtsbaum, und aus dem Ledergeschäft lachen Weihnachtsmänner aus den Schaufenstern auf die Straße.   ­­­

Weihnachtsbaum oder Silvesterbaum?

Zamalek ist ein wohlhabender Stadtteil, in dem auch viele Ausländer wohnen. An einer Kreuzung befindet sich ein großes Blumengeschäft. Im Schaufenster: Weihnachtssterne, vor der Türe: Weihnachtsbäume in allen Größen. "Die Bäume kommen aus Alexandria oder auch aus Holland", sagt der Verkäufer stolz. "Alle kaufen die Bäume: Muslime, Christen und Säkulare." Auch er selbst habe einen Weihnachtsbaum zu Hause, verrät der Muslim. Einige Muslime feiern Weihnachten, weil es der Geburtstag Jesu ist. Jesus gilt im Islam zwar nicht als Sohn Gottes, aber als einer der Propheten. Andere feiern gerne ein schönes Fest für die Kinder, und wieder andere nennen den Baum "Neujahrsbaum" und kaufen ihn für Silvester. "In unserem Haus wohnen vier christliche Familien", erzählt der Blumenverkäufer. "Wir leben alle gut zusammen." Wie zum Beweis wird vor dem Laden der große Teppich für das Mittagsgebet ausgerollt – im Schatten der Weihnachtsbäume.

Blumenladen in Kairo (Foto: DW/Aurelie Winker)
Tannenbäume in Kairo: Auch hier wird Weihnachten gefeiertBild: Aurelie Winkler

In der koptisch-orthodoxen St.-Maria-Kirche in Zamalek ist gerade der Gottesdienst zu Ende gegangen. Viele junge Leute strömen nach dem Gebet ins Freie. Die meisten freuen sich auf Weihnachten. Allerdings müssen sie noch etwas warten, denn die Kopten feiern erst vom 6. auf den 7. Januar. "Wir gehen abends zur Messe, dann feiern wir mit unseren Familien und essen sehr viel, denn wir haben dann 44 Tage gefastet", erzählt Michael, ein junger Kopte. "Andere gehen auch auf Partys oder in Clubs."

Sorge vor mangelnder Sicherheit

Manchen Kopten ist dieses Jahr allerdings nicht besonders festlich zumute. "Wir werden Weihnachten nur in die Kirche gehen und beten", erzählt eine junge Koptin ernst. "Wir wollen nicht feiern und singen. Wir sind traurig über die aktuellen Entwicklungen in Ägypten, außerdem haben wir Sicherheitsbedenken." Einige Kopten haben Angst, dass Ägypten jetzt stärker von islamistischen Parteien geprägt wird. Sie sind eine Minderheit im Land, lediglich zehn Prozent der Ägypter sind Christen.

Friseurladen in Zamalek (Foto: DW/Aurelie Winker)
Der Friseur in Zamalek hat sein Geschäft geschmücktBild: Aurelie Winkler

Die All-Saints-Kathedrale liegt im Herzen der Stadt, ganz in der Nähe des Nils. Sie ist eine anglikanische Kirche, die Christen hier sind also die Minderheit in der Minderheit. "Wir beten für Präsident Mursi, für seine Berater, für die Richter, für das Militär", erklingt die Stimme des Pfarrers. "Wir beten, dass sie Weisheit von oben bekommen. Vor allem in diesen Zeiten." Dann singt die Gemeinde "Es ist ein Ros' entsprungen". Auch hier lässt sich die politische Lage nicht verdrängen, nicht mal zu Weihnachten.

Hoffnung auf ruhige Feiertage

"Wenn man ägyptische Christen fragt, wie sie sich im Moment fühlen, bekommt man sehr verschiedene Antworten. Manche haben Angst, andere wollen sich am politischen Prozess beteiligen", sagt Reverend Mike Parker. Er und seine Frau sind vor vier Jahren aus England gekommen und betreuen die englischsprachige Gemeinde. "Wir sind Gäste in Ägypten und fühlen uns willkommen, aber die allgemeine Sicherheitslage hat sich verschlechtert", räumt er bei einem Schluck süßem Tee ein. Seit der Revolution sind die Straßen unsicherer geworden, es gibt mehr Diebstähle und Überfälle.

Reverend Mike Parker in Kairo (Foto: DW/Aurelie Winker)
Reverend Mike Parker kennt die Sorgen der Christen in ÄgyptenBild: Aurelie Winkler

Aber ein Reverend wäre kein Reverend, wenn er an Weihnachten nicht optimistisch wäre. "Wir lieben Weihnachten in Ägypten. Man hat keinen Einkaufsstress, kann trotzdem feiern - und die Sonne scheint." Und lachend fügt er hinzu: "Unsere muslimischen Freunde erwarten von uns, dass wir Weihnachten feiern. Da dürfen wir sie doch nicht enttäuschen."