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Schlechte Stimmung in der Truppe

Bettina Marx28. Januar 2014

Die Soldaten sind unzufrieden mit der Neuausrichtung der Bundeswehr. Viele fühlen sich überlastet und mit ihren Problemen allein gelassen. Im letzten Jahr gab es mehr Beschwerden als je zuvor.

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Bundeswehr-Soldaten beim Appell (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Hellmut Königshaus ist skeptisch, ob die Bundeswehr neue Aufgaben wie weitere Auslandseinsätze bewältigen kann. Die Truppe sei an der Grenze ihrer Belastbarkeit angelangt, sagte der Wehrbeauftragte des Bundestages bei der Vorstellung des Jahresberichts 2013 am Dienstag in Berlin. Er sehe mit Sorge, dass schon jetzt Soldaten oft länger als vier Monate am Stück im Auslandseinsatz seien. Außerdem seien durch die Neuausrichtung der Bundeswehr Kapazitäten abgebaut worden, die bei solchen Missionen dringend benötigt würden. "Wir haben eben nicht genügend Personal, um die Aufgaben zu erfüllen, die den Streitkräften zugewiesen sind. Wir haben auch nicht genug Ausrüstung", so Königshaus in Berlin.

Mehr Beschwerden als im Vorjahr

Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Königshaus, präsentiert seinen Bericht (Foto: dpa)
Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Königshaus, präsentiert seinen BerichtBild: picture-alliance/dpa

Im letzten Jahr sei die Zahl der Eingaben beim Wehrbeauftragten um 20 Prozent angestiegen - und das, obwohl die Truppe stark verringert worden sei. Die Bundeswehrreform habe mit vielen Standortschließungen und Umstrukturierungen zu einer deutlichen Mehrbelastung geführt. So beklagten sich viele Soldaten, dass sie immer wieder umziehen oder lange Wege zum Standort in Kauf nehmen müssten. Manche müssten jeden Tag pendeln, andere müssten sich an ihrem neuen Einsatzort eine Zweitwohnung mieten. Das Versprechen des früheren Verteidigungsministers Thomas de Maizière, für Soldaten preiswerten Wohnraum in Liegenschaften der Bundeswehr zu schaffen, sei bislang nicht zufriedenstellend umgesetzt worden. Königshaus regte an, dass die Bundeswehr selbst Wohnungen anmiete, die sie Soldaten zu günstigen Bedingungen überlasse.

Frust bei der Bundeswehr

Belastungen für Soldatenfamilien

In vielen Fällen sei der Umzug der Soldatenfamilien auch deswegen nicht möglich, weil schulpflichtige Kinder nicht ohne weiteres die Schule wechseln könnten. Hier schlug der Wehrbeauftragte vor, dass Ministerin Ursula von der Leyen sich mit der Kultusministerkonferenz in Verbindung setze, um ein einheitliches Ausbildungsprofil an Schulen zu erarbeiten und somit den Schulwechsel für Soldatenkinder zu erleichtern. Ausdrücklich begrüßte Königshaus den Vorstoß der neuen Bundesverteidigungsministerin, die Familienfreundlichkeit der Bundeswehr und die Vereinbarkeit von Dienst und Familie zu verbessern.

Schwierige Bedingungen für Frauen

Soldatinnen der Bundeswehr in Kundus in Afghanistan (Foto: DPA)
Bild: picture-alliance/dpa

Er zeigte sich auch erfreut, dass in der vergangenen Woche die "lange zurückgehaltene" Studie über die Lage der Soldatinnen in der Truppe veröffentlicht worden sei. Sie belege, dass es gravierende Mängel bei der Integration von Frauen gebe. So gebe es Beschwerden über Diskriminierungen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft. Auch sexuelle Übergriffe seien ihm gemeldet worden. Im letzten Jahr habe es 64 Verdachtsfälle gegeben, 14 mehr als im Vorjahr. Ihre Anzahl sei damit zwar immer noch viel geringer als beispielsweise in den US-Streitkräften, doch er müsse davon ausgehen, dass die Dunkelziffer wesentlich höher liege. "Bei betroffenen Soldatinnen bestehen leider oftmals Hemmungen, Diskriminierungen und Fälle von sexueller Belästigung zu melden, weil sie persönliche Nachteile befürchten", erklärte Königshaus. Immer wieder komme es auch vor, dass der Vorgesetzte der Beschwerdeführerin mit dem mutmaßlichen Täter befreundet sei und die Aufklärung und Ahndung der Verstöße daher nicht angemessen und zufriedenstellend sei.

Anwalt der Soldaten

Der Wehrbeauftragte, der im Auftrag des Bundestages als "Anwalt der Soldaten" fungiert, wies noch einmal darauf hin, dass Soldaten, die sich mit Beschwerden an ihn wenden, keine Nachteile entstehen dürfen. Wenn die Beschwerdeführer dies wünschten, würden ihre Petitionen auch anonymisiert. Im vergangenen Jahr gingen bei ihm 5095 Klagen ein. Das sind 28 Beschwerden pro 1000 Soldaten.

Der Wehrbericht für das Jahr 2013 ist der 55. Bericht des Wehrbeauftragten. Er wurde dem Bundestagspräsidenten und dem Verteidigungsausschuss übergeben und wird zu einem späteren Zeitpunkt im Parlament debattiert.