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Washington verspricht mehr Hilfe

Spencer Kimball / db 13. Juni 2014

Die USA versprechen im Kampf gegen den Vormarsch der Terrorgruppe ISIS zusätzliche Hilfe. US-Präsident Obama will sich alle Optionen offenhalten. Aber mehr Waffen werden die Situation kaum stabilisieren, warnen Experten.

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Barack Obama und Nuri Al-Maliki bei einem Treffen Ende 2013 (Foto: Reuters)
Barack Obama und Nuri Al-Maliki bei einem Treffen Ende 2013Bild: Reuters

Es ist die wohl größte Sicherheitsbedrohung im Irak seit dem amerikanischen Truppenabzug 2011: Die überraschende und breit angelegte Offensive durch die radikalislamischen Milizen der sunnitischen Terrorgruppe ISIS. Jetzt hat Washington Bagdad im Kampf gegen die Angreifer zusätzliche Hilfe versprochen.

Nach der Einnahme von Mossul, der zweitgrößten Stadt im Irak, rückten ISIS-Truppen am Mittwoch weiter nach Süden vor. Allerdings eroberten Irakische Streitkräfte nach Medienberichten die von ISIS eingenommene Stadt Tikrit am Donnerstag wieder zurück.

Keine Details

Washington arbeite mit den Partnern im Irak an einem "geeinten Vorgehen" gegen die anhaltende Aggression der Islamisten, sagte Außenamtssprecherin Jen Psaki. "Im Rahmen des US-irakischen strategischen Rahmenabkommens werden die Vereinigten Staaten dem Irak jede angemessene Unterstützung zur Verfügung stellen, damit diese Bemühungen erfolgreich sind." US-Präsident Barack Obama sagte am Donnerstag (12.06.2014) vor Journalisten: "Ich schließe nichts aus." Den Einsatz von US-Kampftruppen schloss Obama einen Tag später jedoch ausdrücklich aus.

Nuri al-Maliki Ministerpräsident Irak
Die schiitische Minderheit fühlt sich von al-Maliki's Regierung benachteiligtBild: picture-alliance/dpa

Bei der angekündigten Hilfe werde es sich auch um zusätzliche Waffen und Geheimdienstinformationen handeln, meint Ben Connable, Irakexperte der RAND Corporation. Bereits Anfang 2014 lieferte Washington Waffen nach Bagdad, um irakischen Regierungstruppen dabei zu helfen, die im Januar von ISIS-Truppen eingenommene Stadt Falludscha wieder zu erobern. Obwohl die Stadt viel kleiner ist als Mossul mit seinen mehr als 1,4 Millionen Einwohnern, gelang es dem irakischen Militär trotz der zur Verfügung gestellten Panzerabwehr-Raketen und Überwachungsdrohnen nicht, Falludscha von den radikalislamischen Milizen zurückzuerobern.

Waffen und Berater zu schicken seien langfristige Projekte, erklärt Connable gegenüber der DW. Damit die Polizei oder eine Armee effektiver funktioniere, brauche man jahrelanges Training und Betreuung. "Die Zeit haben wir einfach nicht mehr."

Sicherheitsvakuum

Ursprünglich plante Washington, eine Kerntruppe zur Ausbildung der irakischen Armee im Irak zu belassen. Da aber Bagdad der Forderung der Obama-Regierung nach vollständiger Immunität für US-Soldaten nicht nachgegeben wollte, verließen alle US-Truppen das Land. Der Irak musste sich fortan mehr oder weniger selbst um seine Sicherheitsbelange kümmern.

Die Entscheidung des Weißen Hauses, alle US-Truppen aus dem Irak abzuziehen, habe zur verschlechterten Sicherheitslage beigetragen, meinte US-Senator John McCain schon Anfang der Woche. "Zweifellos hätten wir Truppen zurücklassen können, so wie in Korea, Deutschland und Bosnien", erklärte McCain gegenüber Reportern. "Das haben wir aber nicht getan und jetzt herrscht Chaos im Irak."

Der irakische Premierminister Nuri al-Maliki habe keine US-Präsenz im Land gewollt, stellt Wayne White klar. Der frühere Chef-Irakanalyst im Nachrichtendienst des US-Außenministeriums meint, al-Maliki habe US-Bemühungen abgelehnt, einst feindliche sunnitische Stämme im Kampf gegen Al-Kaida mit einzubeziehen.

"Dieser Premier verfolgt schon lange eine engstirnige, sektiererische schiitische Agenda", sagte White der DW. Er habe die USA aus dem Lande haben wollen, da er die Versprechen, die er 2009 gemacht hatte, nicht halten wollte, nämlich die Kader der einst feindlichen Stämme mit an Bord zu nehmen.

Fehler der Regierung

Irakische Sunniten beschuldigen die schiitisch-dominierte Zentralregierung, sie habe Anti-Terrormaßnahmen als Vorwand zur Unterdrückung der sunnitischen Minderheit angewandt. Der sunnitische Vizepräsident Tarik al-Haschimi floh in die Türkei, nachdem ihn ein irakisches Gericht im September 2012 wegen Terrorismus zum Tode verurteilt hatte.

Nur wenige Monate danach feuerten irakische Regierungstruppen auf sunnitische Demonstranten in Hawidscha im Norden des Landes. Dutzende Menschen wurden getötet. Bagdad behauptete, Bewaffnete hätten einen irakischen Soldaten erschossen, das habe die gewaltsamen Auseinandersetzungen ausgelöst.

Massenauswanderung nach Kurdistan-Irak
Immer mehr Menschen flüchten vor den Dschihadisten im NordirakBild: Getty Images/Afp//Safin Hamed

Al-Maliki und seine schiitischen Partner in der Regierung trauten den sunnitischen Arabern nicht, und wollten nicht, dass sie eine Rolle im Irak der Zukunft spielen: "Dummerweise dachten sie, sie kämen damit durch", meint White.

"Die Blutung stoppen"

Laut Connable habe dieses Gefühl der Ausgrenzung dazu geführt, dass manch ein irakischer Sunnit die Terrorgruppe ISIS stillschweigend unterstützt, selbst wenn er die Überzeugungen der Gruppe nicht teile. Der Bürgerkrieg im benachbarten Syrien habe die Situation noch verschärft und ISIS einen Ausgangspunkt für seine Angriffe im Irak beschert.

Obwohl eine langfristige Lösung für die Gewalt nicht in Sicht sei, müsse Washington versuchen, Bagdad vom Ernst der Lage zu überzeugen, so der RAND-Experte. Man müsse sich mit den Beschwerden der Sunniten befassen. "Wir können wenigstens versuchen, den Irak zu stabilisieren", meint Connable. "Momentan wären wir in der Lage, die Blutung zu stoppen."