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Was die Energiewende noch braucht

Kay-Alexander Scholz22. August 2012

Bundesumweltminister Altmaier bezeichnet den Umbau der Stromversorgung als größte Herausforderung nach dem Wiederaufbau. Dick aufgetragen? Eine Studie zeigt, wie sehr die Aussage wohl zutrifft.

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Windräder vor Braunkohlekraftwerk (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Deutschland müsse sich mit seinen Nachbarländern vertraglich bindend abstimmen, um in Zukunft die Stromversorgung zu gewährleisten. Denn Deutschland werde in den nächsten Jahrzehnten auf das gesamte Jahr bezogen von einem Stromexporteur zu einem Netto-Stromimporteur werden. So lautet eines der zentralen Ergebnisse der Studie zur "Integration der Erneuerbaren Energien in den deutsch-europäischen Strommarkt". Die Studie wurde von der Deutschen Energieagentur (Dena) durchgeführt und am Dienstag (22.06.2012) in Berlin vorgestellt. Die Dena versteht sich als Kompetenzzentrum für moderne Energien. Das Unternehmen wurde im Jahr 2000 gegründet. Neben der Deutschen Bank und dem Allianz-Versicherungskonzern gehört auch der Bund zu seinen Gesellschaftern.

Die Dena fordert außerdem den Neubau konventioneller Kraftwerke, um die bisherigen Anlagen zu ersetzen, die planmäßig still gelegt werden. Mit fluktuierender Photovoltaik und Windkraft allein könne Deutschland keinen stabilen Strommarkt aufbauen. Auch wenn zukünftig theoretisch ein Großteil der Energie aus erneuerbaren Quellen kommen könne, werden weiterhin Kohle- und Gaskraftwerke nötig sein, um den Strom dann auf den Markt zu bringen, wenn er auch gebraucht wird. Diese Kraftwerke werden im Jahr 2050 immer noch 60 Prozent der gesicherten Leistung stellen, so beschreibt es die Studie. "Bis spätestens 2030 müssen deshalb neue fossile Kraftwerke mit einer Leistung von 49 Gigawatt gebaut werden", forderte Dena-Geschäftsführer Stephan Kohler. Dennoch sei das Ziel der Bundesregierung richtig, bis zum Jahr 2050 so viel Energie aus regenerativen Energiequellen zu erzeugen, dass damit theoretisch 80 Prozent des Stromverbrauchs abgedeckt werden könne.

Dena-Gechäftsführer Stephan Kohler (Foto: dpa)
Dena-Gechäftsführer Stephan KohlerBild: picture alliance/dpa

Keine 100-Prozent-Wende

Die praktische Schwierigkeit bei Wind und Photovoltaik besteht darin, mit dem stark schwankenden Angebot umzugehen. An einem Sommerwochenende zum Beispiel wird in Deutschland schon jetzt wesentlich mehr regenerative Energie erzeugt, als notwendig ist. An einem kalten Dezembertag dagegen müssen konventionelle Kraftwerke die Hauptlast tragen. Auch deshalb spricht sich die Dena für eine verstärkte europäische Kooperation aus, damit zum Beispiel im Winter Sonnen-Strom aus dem Süden nach Mitteleuropa fließen kann.

Da in anderen europäischen Ländern regenerative Energien jedoch ebenfalls ausgebaut werden, potenziert sich die Notwendigkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen, sagt Stephan Kohler. Im Jahr 2050 könne die Stromversorgung deshalb nur in einem europäischen Verbund geleistet werden. Das derzeitige Marktdesign aber sei für diese Herausforderungen nicht geeignet, so Kohler weiter. Unter den gegebenen Handelsbedingungen seien die regenerativen Energien auch in Zukunft nicht marktfähig. Die Studien-Herausgeber fordern deshalb einen europäischen Kapazitätsmarkt.

Schon jetzt zu viel Wind im System

Auch das entsprechende Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Deutschland müsse kurzfristig angepasst werden. "Das EEG war in den letzten zehn Jahren wichtig, um Leben in die Bude zu kriegen", sagte der Dena-Geschäftsführer. Doch der weitere Ausbau von Wind- und Photovoltaikanlagen müsse nun stärker gestaltet werden. Die Bundesregierung müsse sich besser mit den Bundesländern abstimmen und dort gegebenenfalls auf die Bremse treten.

In den letzten Jahren haben vor allem die nördlichen Bundesländer massiv Windkraftanlagen installiert. So kann zum Beispiel in Schleswig-Holstein zu windstarken Zeiten schon jetzt viel mehr Strom erzeugt werden, als im Bundesland selbst verbraucht wird. Doch gibt es derzeit noch nicht genügend Stromtrassen, um den Strom in den Süden und Westen Deutschlands zu transportieren, wo ein Großteil der stromintensiven Industrieanlagen steht.

Stromkosten werden steigen

Die Studie, finanziert vom Energie-Unternehmen RWE, geht in ihrem Szenario für das Jahr 2050 von einem gleichbleibenden Strombedarf aus. Die Stromkosten für die Verbraucher werden laut Studie weiter steigen, weil das System teurer wird. Denn es entstehen zusätzliche Speicherkosten, Kosten für die Anbindung von Offshore-Windanlagen, Mehr-Kosten für die sogenannte Regelenergie und für ein aufwändiges Management.

Direkt nach der Presse werde er die Studienergebnisse auch Bundesumweltminister Peter Altmaier präsentieren, sagte Stephan Kohler. Altmaier hat vor kurzem einen Zehn-Punkte-Plan für das Gelingen der Energiewende präsentiert, um allen Beteiligten zu zeigen, welche Mammutaufgabe sich Deutschland vorgenommen hat. Immer mehr wird nun deutlich, wie teuer und aufwändig die Abkehr von Atomstrom und fossilen Energien tatsächlich ist.

Berlin/ Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) posiert am Donnerstag (16.08.12) in Berlin bei einer Pressekonferenz mit seinem Zehn-Punkte-Programm zur Energie- und Umweltpolitik. Die Energiewende ist nach Einschaetzung von Altmaier gleich nach der Bekaempfung der Finanzkrise die zweitwichtigste Aufgabe der Bundesregierung. Bei der Umsetzung muesse es darum gehen, den "falschen Gegensatz von Umwelt und Wirtschaft" zu ueberwinden, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag bei der Vorstellung seines Zehn-Punkte-Programms zur Energie- und Umweltpolitik bis 2013. Altmaier will zur Umsetzung der Energiewende auch sein Ministerium umbauen. (zu dapd-Text) Foto: Clemens Bilan/dapd
Peter Altmaiers 10-Punkte-Plan zur EnergiewendeBild: dapd