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Wahlschlappe: Das Ende der Ära Kirchner

Marc Koch, Buenos Aires28. Oktober 2013

Bei den Parlamentswahlen in Argentinien fährt die Partei von Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner eine herbe Niederlage ein. Stattdessen jubeln zwei andere. Nun steht das Land vor einem grundlegenden Wandel.

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Der erfolgreiche Kandidat Sergio Massa bejubelt sein Ergebnis nach der Wahl in Argentinien vom 27. Oktober 2013 (Foto: EPA/Enrique García Medina)
Bild: picture-alliance/dpa

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Das gilt zumindest für die beiden großen Sieger der argentinischen Kongress- und Senatswahlen: Der wichtigste Oppositionskandidat, Sergio Massa (Artikelbild) von der konservativ-peronistischen Frente Renovador, hat überlegen die bevölkerungsreichste Provinz Buenos Aires gewonnen.

Und PRO, die Partei des konservativen Bürgermeisters der Bundeshauptstadt, Mauricio Macri, hat sich die Mehrheit in Buenos Aires gesichert und stellt zum ersten Mal Senatoren im Oberhaus. Folgerichtig erklärte Macri noch am Wahlabend seine Bereitschaft, bei den Präsidentschaftswahlen 2015 zu kandidieren. So weit wollte Massa nicht gehen - allerdings war seine Ansprache nach dem überzeugenden Sieg gespickt mit Anspielungen, die signalisieren, dass auch er in zwei Jahren seinen Hut in den Ring werfen wird.

Die Niederlage schönreden

Kirchner sieht sich und ihre politische Arbeit in der Tradition des früheren Regierungschefs Juan Perón. Der für Argentiniens Geschichte sehr wichtige Politiker hatte sich in den 1940er Jahren an die Spitze einer Volksbewegung gesetzt und einen Politikstil begründet, der seitdem als "Peronismus" bezeichnet wird: Ein verehrter, populistischer Anführer (oder natürlich eine Anführerin) versammelt eine Massenbewegung hinter sich und macht Politik "für den kleinen Mann".

Der erfolgreiche Kandidat Mauricio Macri bejubelt sein Ergebnis nach der Wahl in Argentinien vom 27. Oktober 2013 (Foto: EPA/Maximiliano Luna)
Der kommende starke Mann Argentiniens? Mauricio Macri, Bürgermeister von Buenos Aires und einer der WahlsiegerBild: picture-alliance/dpa

Schon die Vorwahlen im August hatten der Regierungskoalition von Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner allerdings eine herbe Niederlage beschert. Diese Tendenz hat sich jetzt fortgesetzt: Kirchners linksperonistische Frente para la Victoria (FPV) musste enorme Verluste hinnehmen, behält aber in beiden Kammern eine hauchdünne Mehrheit.

Diese Tatsache genügte der Regierung, um die Abstimmung in einen Sieg umzudeuten: Mit demonstrativer Euphorie erklärte Vizepräsident Amado Boudou in der Wahlkampfzentrale der FPV: "Wir stellen mit Freude fest, dass wir landesweit die erste politische Kraft sind, auch und wieder nach diesen Wahlen. Es stimmt, dass es auf lokaler Ebene einige wichtige Resultate gegeben hat, aber die FPV wird sich auch dort wieder fangen." Das war eine gelinde Untertreibung, nachdem die Partei die fünf wichtigsten Territorien des Landes verloren hatte: Die Hauptstadt, die Provinz Buenos Aires sowie die Nordprovinzen Córdoba, Mendoza und Santa Fé gehen an die Opposition.

Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner auf einem Wahlplakat (Foto: DW/Marc Koch)
Da jubelt sie noch: Präsidentin Cristina Kirchner auf einem WahlplakatBild: DW/M. Koch

Ende der Ära Kirchner

Damit ist ein innenpolitisches Thema endgültig vom Tisch: Eine dritte Amtszeit der Präsidentin Cristina Kirchner wird es nicht geben. Denn für die dazu notwendige Verfassungsänderung fehlt der FPV jetzt die nötige Mehrheit. Kirchners Spitzenkandidat Martín Insaurralde hat das vorgegebene Ziel nicht erreicht. Die Präsidentin selbst ist zum Nichtstun verdonnert: Nach einer Operation muss sie absolute Ruhe halten. Sie durfte nicht einmal in ihren Meldeort Rio Gallegos in Patagonien fliegen, um dort zu wählen. Wegen der in Argentinien herrschenden Wahlpflicht bekam sie ein entsprechendes Attest ihrer Ärzte. Aufgrund der angeschlagenen Gesundheit der Staatschefin sprechen erste Beobachter schon vom Ende der Ära Kirchner. Zehn Jahre lang hatten die Präsidentin und ihr verstorbener Mann das Land regiert. Das „Modell“, eine Mischung aus dirigistischem Staat und rüder Abschottung nach außen, hat an Attraktivität eingebüßt. Eine neue, nicht-peronistische Mittelschicht sucht nach Alternativen.

Eine Anhängerin betet vor dem Krankenhaus für die erkrankte Präsidentin Cristina Kirchner (Foto: AP Photo/Victor R. Caivano)
Beten für Cristina: Eine Anhängerin vor dem Krankenhaus, in dem die Präsidentin behandelt wirdBild: picture alliance / AP Photo

Der nächste Wahlkampf hat begonnen

Die versuchen die Wahlsieger Macri und Massa anzubieten. Der 41-jährige Sergio Massa lockte das gespaltene Land mit einer betont staatsmännischen Ansprache: "Die Zukunft ist wichtiger als die Vergangenheit, und deshalb möchte ich alle politischen Kräfte aufrufen, staatspolitisch zu denken. Lassen wir die Zwietracht und die Engstirnigkeit sein und wenden wir uns konkreten Projekten zu, die über den parteipolitischen Interessen stehen."

Inwieweit die beiden bereit sind, zusammenzuarbeiten, muss sich zeigen: Mauricio Macri jedenfalls ließ sich die Gelegenheit zu einem kleinen Seitenhieb auf den potenziellen Gegner nicht nehmen: "Ich möchte heute ankündigen, dass 2015 niemand für die PRO antritt, der irgendwann einmal der nationalen Regierung angehört hat. Wir sind nicht angetreten, um einen Wechsel innerhalb des Bestehenden zu erreichen. Wir wollen einen echten Wechsel", sagte Macri und spielte auf die Tatsache an, dass Sergio Massa vor seinem Seitenwechsel Kabinettschef bei den Kirchners war.

Nach der Wahl ist eben auch vor der Wahl.