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Waagen für das "Nichts"

Deuse, Klaus4. Mai 2015

Das mittelständische Unternehmen "Rubotherm" hat mit Präzisionswaagen für Forschung und Industrie einen Nischenmarkt erobert. Eine neu entwickelte Nanoschwebemagnetwaage misst sogar Sternenstaub.

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Bild: picture-alliance/dpa

Zur Eroberung von Nischenmärkten gehört neben innovativen Produkten ebenso unternehmerisches Gespür. Da nicht nur die Grundlagenforschung, sondern auch die Industrie hochpräzise Messinstrumente benötigt, wagten Maschinenbauer, die sich auf Thermodynamik spezialisiert hatten, vor 25 Jahren den Sprung von der Ruhr-Universität Bochum in die Selbstständigkeit und gründeten "Rubotherm". Schließlich waren sie von der Markttauglichkeit einer von ihnen entwickelten Magnetschwebewaage überzeugt, obwohl führende Hersteller ihre Anfrage, diese Präzisionswaage in Lizenz herzustellen, abgelehnt hatten.

Inzwischen führt für global agierende Chemie- oder Ölkonzerne kein Weg an den High-Tech-Geräten dieses mittelständischen Unternehmens aus Bochum und seinen 40 Mitarbeitern vorbei, wenn es darum geht, sozusagen das "Nichts" zu wiegen.

Thermogravimetrie Messgeräte mit Magnetschwebewaage
MagnetschwebewaageBild: Rubotherm

Die patentierte Magnetschwebewaage der Bochumer Wissenschaftler herzustellen, erschien renommierten Unternehmen offenbar als zu kompliziert, erinnert sich Geschäftsführer Hans Wilhelm Lösch. "Und dann haben wir gesagt, wir machen es selbst." Also brachte man in Eigenregie eine Messapparatur auf den Markt, mit der man den Auftrieb eines Senkkörpers in einem völlig abgeschlossenen Raum unter hohem Druck und hohen Temperaturen wiegen kann. Selbst kleinste Mengen. Als Dreh- und Angelpunkt dient eine Magnetschwebekupplung, die die Messergebnisse präzise auf eine außerhalb angebrachte Waage überträgt.

"China macht ein Drittel des Umsatzes aus"

Aber nicht nur in der Grundlagenforschung bestand Bedarf an einer solchen Wiegeapparatur. Mit Hilfe der Magnetschwebewaage der Bochumer Wissenschaftler, konnte beispielsweise ein Abrechnungsstreit zwischen dem russischen Erdgaslieferanten Gazprom und dem deutschen Partner Ruhrgas entschärft werden. Hintergrund ist, dass das in Pipelines eingespeiste Erdgas im Promillebereich gemessen wird. Und da der einspeisende Lieferant zu anderen Ergebnissen als der Abnehmer kam, ging es selbst in diesem Promillebereich jedes Jahr um einen zweistelligen Millionenbetrag. "Rubotherm" sorgte durch präzise Messungen des Gasvolumens für Klarheit.

Symbolbild Ukraine Russland Gaspipeline
Kleinste Erdgasmengen können sich in großen Beträge niederschlagenBild: Sergei Supinsky/AFP/Getty Images

Der Markt für Geräte, mit denen kleinste Mengen genau gemessen werden können, ist ein Nischenmarkt. "Da reicht Deutschland für uns nicht aus", sagt Entwicklungsleiterin Cornelia Will. Zu den Kunden des deutschen Mittelständlers gehören daher u.a. Chemiekonzerne wie Bayer und BASF sowie Shell, BP und Exxon. "Wir vertreiben auch in die arabischen Länder sowie Japan, Korea, China", ergänzt Cornelia Will.

Die Preisspanne reicht von 50.000 Euro für kleinere Geräte bis zu einer Million für hochwertige Messanlagen. Gut ein Drittel des Umsatzes von über sechs Millionen Euro im Jahr erwirtschaftet "Rubotherm" nach den Worten von Geschäftsführer Lösch mittlerweile mit China. Insbesondere mit Unternehmen aus der Bergbauindustrie, für die es darauf ankommt, weltweit begehrte seltene Erden sprichwörtlich auf die goldene Waage zu legen. Pro Jahr liefert das Unternehmen rund 50 der empfindlichen Messgeräte aus, die immer auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten sind.

"Revolution in der Wägewelt"

Neue Maßstäbe setzt "Rubotherm" mit einer Waage, die bis auf die achte Stelle hinter dem Gramm-Komma exakte Werte liefert. Und zwar eine Nanoschwebewaage, die gemeinsam mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich zur Marktreife entwickelt wurde. Damit hat die High-Tech-Schmiede aus Bochum eine Monopolstellung erobert. "Um mal eine Vorstellungskraft davon zu bekommen, was ein Nanogramm bedeutet, haben wir ein zwei Millimeter langes Stück Haar auf die Waagschale gelegt", erläutert Cornelia Will an einem Beispiel. Diese Probe hat man haargenau abgewogen. Zwei Millimeter Haar entsprechen einem zehntausendstel Gramm. Eine höhere Messauflösung gibt es derzeit nicht.

Die Nanotechnologie erschließt noch ungeahnte Forschungsgebiete. Insofern habe man ein Gerät entwickelt, "was die Wägewelt revolutionieren wird", stellt Geschäftsführer Lösch nicht ohne Stolz fest.

Dr. Cornelia Will Nanomagnetschwebewaage
Dr. Cornelia Will vor der NanomagnetschwebewaageBild: Rubotherm

Altersbestimmung per Waage

Mit der High-Tech-Waage hofft das Unternehmen neue Absatzmärkte zu erschließen. Dazu gehört beispielsweise auch die Pharmaindustrie, in der es auf die genaueste Dosierung von Wirkstoffen ankommt.

Aber auch die Forschung profitiert von der Messgenauigkeit der Nanoschwebewaage. An der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich misst man damit zum Beispiel Sternenstaub, um dem Alter des Universums auf die Spur zu kommen. Und in der Klimaforschung könnte die gemessene Probe eines Eisbohrkerns Aufschluss darüber geben, wie schnell das Eis in bestimmten Regionen auf dem Globus schmilzt.

Außerdem lässt sich mit der Nanoschwebewaage das Alter von Gestein datieren. Je älter ein Gestein ist, desto eher gilt es als geeignet, atomare Strahlung zu absorbieren. Solche Messergebnisse könnten Anhaltspunkte bei der Suche nach einem atomaren Endlager liefern.