1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Wütende Proteste in der Bretagne

2. November 2013

Ein Hauch von Revolution im Westen Frankreichs: Bei einer Großkundgebung demonstrierten Zehntausende Bretonen gegen Massenentlassungen und Steuerbelastung. Die Regierung Hollande fürchtet einen Flächenbrand.

https://p.dw.com/p/1AAih
Demonstranten mit Flaggen und teilweise mit roten Mützen als Symbol des Widerstands (Foto: AFP)
Bild: AFP/Getty Images

Nach Angaben der Veranstalter machten mehr als 30.000 Menschen ihrem Ärger im nordwestfranzösischen Quimper in der Bretagne Luft. Die Behörden sprachen dagegen von etwa 10.000 Teilnehmern. Während der Kundgebung gab es den Angaben zufolge heftige Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Einige Demonstranten warfen mit Steinen und steckten eine Maut-Brücke durch angezündete Reifen in Brand. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.

"Recht auf Arbeit", "Stopp die Steuern" und "Der Franzose ist keine Milchkuh" war auf Plakaten zu lesen. Berufsgenossenschaften, Gewerkschafts- und Landwirtschaftsorganisationen hatten zu der Demonstration aufgerufen. Die Protestkundgebung richtete sich unter anderem gegen eine Umweltsteuer für Lastwagen. Zwar hatte die französische Regierung die Öko-Maut bereits vor den Protesten auf Eis gelegt, doch die Bretonen fordern ihre endgültige Abschaffung. Sie fürchten, dass durch die Maut die Wettbewerbsfähigkeit der isoliert im Westen Frankreichs gelegenen Bretagne weiter geschwächt wird und sich dadurch auch die Krise der Landwirtschaft in der Region verschärft.

Viele der Demonstranten trugen rote Kappen, ein Symbol der Opposition der Bretonen gegen Steuereintreibungen unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV.. Einige Teilnehmer hatten Eisenstangen dabei oder setzten Holzpaletten in Brand.

"Fass zum Überlaufen gebracht"

Es ist die zweite Kundgebung in der westfranzösischen Region gegen die Öko-Steuer innerhalb von zwei Wochen. Schon bei den Protesten vor einer Woche war es zu Ausschreitungen gekommen. Danach versicherte der sozialistische Regierungschef Jean-Marc Ayrault, die neue Öko-Abgabe werde nicht wie geplant ab dem 1. Januar 2014 eingeführt. Er sagte aber zugleich, die Regierung halte weiter an dem Vorhaben fest. "Aussetzen heißt nicht streichen." Es müsse aber "Zeit für einen nationalen und regionalen Dialog" gewonnen werden.

Wegen zahlreicher anderer Steuererhöhungen ist bei vielen Franzosen die Schmerzgrenze überschritten. Dabei habe die Öko-Maut "das Fass zum Überlaufen gebracht", sagte ein Gewerkschaftssprecher.

Außerdem häuften sich in der Region die Entlassungen bei Geflügelproduzenten, Schweine-Schlachtbetrieben und in der Elektroindustrie. Nach Angaben des Bürgermeisters der Gemeinde Carhaix, Christian Troadec, hat die Bretagne in der Industrie und der Nahrungsmittelindustrie im vergangenen Jahr etwa 8000 Arbeitsplätze verloren.

Angst vor Flächenbrand

Die sozialistische Regierung unter Präsident François Hollande fürchtet, dass die Unzufriedenheit auf das ganze Land übergreifen könnte. Premierminister Ayrault hatte vor den Massenkundgebungen vergeblich für Ruhe und Gesprächsbereitschaft plädiert. Nach einer aktuellen Umfrage in der westfranzösischen Region trauen 85 Prozent der Befragten der Regierung nicht zu, die Krise zu meistern.

Marine Le Pen, Rechtspopulistin von der Front National bei einer Rede (Foto: AFP)
Marine Le Pen, Rechtspopulistin von der Front NationalBild: Pierre Andrieu/AFP/Getty Images

Davon profitiert die Rechtsradikale Nationale Front der Marine Le Pen. Sie rüstet sich bereits für die Europa- und Regionalwahlen im Frühjahr nächsten Jahres. Le Pens Aussichten seien gut bis sehr gut, heißt es in den Medien.

nem/kis (dpa, afp)