1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nachhaltige Mode

Andrea Winter12. Januar 2014

Seit Ende 2011 bietet die Berliner Kunsthochschule Esmod den Masterstudiengang "Sustainability in Fashion" an. Die Zukunft der Mode ist nachhaltig, sagt dessen Leiterin Prof. Friederike von Wedel-Parlow im DW-Gespräch.

https://p.dw.com/p/1AoSW
Deutschland die internationale Modeschule Esmod in Berlin Friederike von Wedel-Parlow
Bild: Natalie Toczek

Deutsche Welle: Nachhaltigkeit ist das Zukunftsthema in der Mode. Warum?

Der Textil- und Modebereich braucht auf der ökologischen Seite dringend Veränderungen. Über 20.000 Chemikalien kommen hier zum Einsatz - farbige Flüsse und verseuchtes Wasser sind die Folge. Außerdem sind menschenwürdige und faire Produktionsbedingungen dringend notwendig. Wir kennen die Bilder der Unglücksfälle in Bangladesch, da muss sich etwas ändern. Darüber hinaus hat Mode aber auch eine große Kraft, Menschen mitzureißen, Zeitgeist-Faktor zu sein und Identifikation zu schaffen.

Wie führen Sie Ihre künftigen Master an das Thema heran?

In der Mode geht es um Veränderungen, Erneuerungen, um Identität, Identitätswechsel und Zugehörigkeit. Wie das nachhaltig funktioniert, dafür wollen wir in diesem Studiengang Antworten finden. Transparenz und ein ganzheitlicher Ansatz sind dabei wichtig. Wir betrachten nicht nur das Spektrum Modedesign, sondern die gesamten 360 Grad, und fragen nach: Woher kommen die Fasern? Wie sind die Arbeitsprozesse? Mit welchen Designstrategien produzieren wir nachhaltiger, wie kommunizieren wir mit den Kunden und was geschieht am Ende der textilen Kette mit den Produkten? Das alles behandeln wir im Unterricht auf einer praxisbezogenen Ebene, um unser Ziel zu erreichen: Gesunde Kleidung, die schön ist. Wir wollen Ästhetik und Qualität zusammenbringen.

Adriana Stetsyuk Is it time to rethink
Ein Kleid der Kollektion "Is it time to rethink?" von Adriana StetsyukBild: Alex Tsvetkov

Sie und die Studierenden sind Pioniere, eine Art Avantgarde der Mode. Welche Denkansätze sind richtungsweisend?

Neue Formen des Zugangs sind Designstrategien wie Zero-Waste-Schnittmuster, Consumer Awareness und Involvement, neue Fasern und Technologien, Upcycling, Recycling, Sharing oder Leasing von Kleidungsstücken. Wichtig ist auch das Konzept "Cradle to Cradle", bei dem es darum geht, giftfreie Bekleidung abriebfrei und in hoher Qualität herzustellen und die Materialien in geschlossenen Kreisläufen immer wieder zu nutzen. So werden unsere Ressourcen nicht vergeudet. Insgesamt möchten wir unsere Produkte komplett mit erneuerbarer Energie anfertigen lassen.

Anita Heiberg 13 Dresses
Nachhaltig hergestellte Mode: Projekt "13 Dresses" von Anita HeibergBild: Privat

Sie legen großen Wert auf Praxisnähe und kooperieren mit Textil-Firmen.

In der Textilindustrie ist das Interesse da, sich umzustellen und Veränderungen vorzunehmen, aber es ist ein langer Weg, denn wir befinden uns noch in der Nische. Zahlreiche Firmen leisten großartige Beiträge, doch die wichtige Frage lautet: Wie kriegen wir die Produkte von der Nische in die Masse?

Deutschland die internationale Modeschule Esmod in Berlin Atelier
In diesem Atelier entwerfen die Masterstudenten nachhaltige ModeBild: Natalie Toczek

Wie wollen Sie einen Bewusstseinswandel beim Verbraucher herbeiführen?

Wir wissen alle, was mit unserem Planeten und dem Klima passiert - aber wir verhalten uns noch nicht entsprechend. Deshalb müssen wir die Menschen jetzt zum Handeln bewegen. Es geht um User-Involvement - also darum, gemeinsam mit den Kunden Konzepte zu entwickeln, die nah am Verbrauchernutzen sind und das Konsumverhalten verändern. Ein wichtiger Ansatz lautet: Was brauchen wir eigentlich? Letztendlich geht es darum, leicht zugängliche Lösungen zu finden, die die Menschen nicht nur beim schlechten Gewissen packen, sondern bei der Freude, Schönheit und Qualität zu zelebrieren – denn das ist es ja, was Mode ausmacht.

Was kostet saubere, moralisch einwandfreie Kleidung?

Ökologisch hergestellte Mode muss nicht zwangsläufig teurer sein. Wenn man in langsamen Prozessen arbeitet, mit handwerklichen Techniken, kleinen Produktionsmanufakturen und jeder in der Produktionskette auch fair bezahlt sein soll, ist es eigentlich selbstverständlich, dass das Produkt am Ende teurer ist als die unter billigsten und katstrophalen Umständen produzierten T-Shirts aus Bangladesch zum Beispiel. Man muss auch immer bedenken, was man noch mitrechnen müsste. Billig hergestellte Mode berechnet beispielsweise nicht die Folgekosten der Umweltzerstörung. Wenn wir diese Summen miteinbeziehen, wäre ökologisch hergestellte Kleidung de facto günstiger, weil sie keine Schäden anrichtet, die später von der Allgemeinheit getragen werden.

Simone Simonate Sisa Clipping Up
Rucksack von Simone Simonato aus ihrem Projekt "Sisa Clipping Up?"Bild: Maria Dominika

In Deutschland hat Öko-Mode bereits eine jahrzehntelange Geschichte.

Ja, hier gibt es seit den 80er Jahren eine große Pionierfraktion, die riesige Schritte gemacht hat, um die Produktion von ökologischer und nachhaltiger Kleidung überhaupt zu ermöglichen. Wir arbeiten jetzt verstärkt am nächsten Schritt und verbinden grüne Mode mit gutem Design. Ich denke, wir haben genau den Punkt erreicht, wo die Kunden nicht mehr akzeptieren, dass etwas unter ausbeuterischen Bedingungen produziert wird und Menschen dabei leiden müssen. Diese Skandale können sich die Firmen nicht mehr leisten, von daher ist das kein kurzfristiges Umdenken, sondern wir erleben einen Paradigmenwandel hinsichtlich der Produktion von Bekleidung.

Ralf Schuchmann China Surrealism
Mode aus der Kollektion "China Surrealism" von Ralf SchuchmannBild: Jago Li

Welche Rolle spielen nachhaltige Kollektionen auf der Fashion Week?

Berlin hat sich als internationaler Hot Spot für nachhaltige Mode etabliert. Mit dem Green Showroom, der Ethical Fashion Show und weiteren Showrooms ist die Fashion Week ein wichtiger Umschlagplatz, weil sich zahlreiche Labels präsentieren, die in dem Feld aktiv sind.