1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Streit um die Frauenquote

Marion Hütter25. November 2014

In der Regierungskoalition gibt es Krach um die Frauenquote. Die Union fordert deutliche Änderungen an den bisherigen Plänen. So soll unter anderem die feste Quote für Großunternehmen aufgeweicht werden.

https://p.dw.com/p/1Ds88
Symbolbild Frauen berufstätig Deutschland EU
Bild: picture-alliance/dpa

Die Quote kommt, sagt die Bundeskanzlerin. Gemeint ist ein Gesetz, dass einigen großen Unternehmen vorschreibt, in ihren Aufsichtsräten 30 Prozent der Plätze für Frauen zu reservieren. Das soll erst ab 2016 gelten, ist aber sehr umstritten in Deutschland. Denn erstmals wird der alten Forderung nach mehr Frauen in Führungspositionen mit einer Sanktion Nachdruck verliehen: Schicken Arbeitergeber und Gewerkschaften nicht ein knappes Drittel Frauen in die Aufsichtsräte, sollen die entsprechenden Plätze unbesetzt bleiben.

Deshalb protestieren nicht nur Arbeitgeber und Industrieverbände gegen das geplante Gesetz, sondern auch die Gewerkschaften, die um Aufsichtsratsposten für ihre altgedienten Betriebsräte fürchten müssen. Wegen des lauten Protestes der Verbände und Lobbygruppen wurde die Verabschiedung des Quotengesetzes im Kabinett verschoben. Es gebe noch Änderungen im Entwurf, ließ die Familienministerin wissen. Beobachter vermuten, dass hinter den Kulissen darum gerungen wird, für welche Unternehmen die Quote gelten soll. Am Dienstag (25.11.2014) will sich der Koalitionsausschuss mit dem Thema befassen.

Mehr Frauen in die Aufsichtsräte

Ist das gerecht?

Das fragen sich nun die Männer und Frauen im Land. Davon gibt es übrigens ungefähr gleich viele, in der Bevölkerung ist die Verteilung rund 50:50. Warum also soll nun in einigen großen Unternehmen knapp jeder dritte Stuhl im Aufsichtsrat an eine Frau gehen? Sollten nicht die beruflichen Qualifikationen des Bewerbers oder der Bewerberin entscheidend sein und nicht sein/ihr Geschlecht? Dieses Argument gegen die Quote setzt voraus, dass Spitzenjobs bisher ohne Ansehen des Geschlechts vergeben werden. Psychologische Studien allerdings belegen das Gegenteil: Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass eher Menschen befördert werden, die den Entscheidern ähnlich sind, also das gleiche Geschlecht haben und zur gleichen sozialen Schicht gehören. Vereinfacht ausgedrückt: Männer befördern eher Männer - eine Erklärung für die zu über 90 Prozent männlichen Mitglieder der Dax-Vorstände.

Das Problem: Was gesamtgesellschaftlich für die weibliche Hälfte der Bevölkerung nur gerecht erscheint, mindert die Karrierechancen einer ganzen Generation junger Männer, die die patriarchalen Strukturen der Vergangenheit nicht zu verantworten hat. Aus dieser Generation fürchten viele nun durch Quotengesetze zugunsten von Frauen beruflich diskriminiert und selbst benachteiligt zu werden.

Schwierige Entscheidung

Die Diskussion um die Quote für Aufsichtsräte - die nur eine paar hundert Spitzenjobs betrifft - steht stellvertretend für die Diskussion um weitere Quotenregelungen in anderen Bereichen. Die gibt es in Deutschland bereits z.B. an Hochschulen, die eine bestimmte Anzahl von Professuren an Frauen vergeben müssen - samt den entsprechenden Klagen von Männern, die sich wegen ihren Geschlechts diskriminiert sehen und auf Artikel 3 des Grundgesetzes berufen. Im Absatz 3.2. ist zu lesen:

"Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin."

Die Befürworter der Quote berufen sich auf Artikel 3 - aber auch ihre Gegner. Denn einen Absatz später, steht ein eindeutiges Diskriminierungsverbot:

"Niemand darf wegen seines Geschlechtes.... benachteiligt oder bevorzugt werden."

Die Gerichte müssen dann abwägen, was schwerer wiegt: das Ziel der Gleichberechtigung im Ganzen (die Artikel 3.2. fordert) oder die mögliche Diskriminierung im Einzelfall (die Artikel 3.3. verbietet). Da kommt es dann auf die Details der Regelung an. Muss ein Job z.B. tatsächlich ausschließlich an eine Frau vergeben werden, ist jeder männliche Bewerber diskriminiert. Müssen dagegen von 10 Führungsjobs/Professuren mindestens drei an Frauen vergeben werden, haben männliche Bewerber noch immer Chancen auf 7 von 10 Jobs. Damit sind sie zwar schlechter gestellt, als die Männergeneration vor ihnen, die fast alle - über 90 Prozent - der Führungsjobs und Professuren bekommen hat. Im Vergleich zu ihrem 50 Prozent-Anteil an der Bevölkerung aber wären Männer mit 7 von 10 Spitzenjobs auch mit weiteren Quotengesetzen nicht diskriminiert.

Was bringt die Quote in der Praxis?

Durch die Regelungen des Gesetzes zur Frauenquote selbst wird sich für die meisten Berufstätigen in Deutschland erst einmal gar nichts verändern - schließlich geht es nur um ein paar hundert Aufsichtsratsmandate in den größten deutschen Unternehmen. Für die suchen die betroffenen Unternehmen nun unter Hochdruck geeignete Frauen. Entgegen der Befürchtungen vieler Unternehmen und Wirtschaftsverbände gebe es genug geeignete Kandidatinnen, sagt Monika Schulz-Strelow von der Initiative FidAR (Frauen in die Aufsichtsräte). Denn für den Job als Aufsichtsrat seien hauptsächlich Wirtschaftswissenschaftler und Juristen gefragt – da lägen die Absolventenzahlen der Frauen gleichauf bzw. sogar leicht über denen der Männer.

Abseits der großen Unternehmen ist der Gedanke an die Frauenquote noch nicht angekommen, erklärt Klaus Weigel, Vorstand des Verbandes ARMiD (Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland). Er vermittelt noch immer fast ausschließlich Männer für die Kontrollgremien.

Der Verband der Führungskräfte dagegen setzt große Hoffnungen auf die Frauenquote. Die Vorsitzende Heike Kroll hofft, dass die Quote für Aufsichtsräte Unternehmen zwingt, Frauen auch auf der unteren und mittleren Managementebene bei Führungsjobs stärker zu berücksichtigen.

Bleibt das öffentliche Bild in den Medien. Quotenbefürworter hoffen, irgendwann könnte es für ein Unternehmen imageschädigend sein, eine rein männliche Führungsriege zu präsentieren. Sie hoffen für die Wirtschaft auf einen ähnlichen Effekt, wie es ihn in der deutschen Politik gegeben hat. Dort war es durch die viel belächelten Quoten der Grünen für die anderen Parteien imageschädigend geworden, fast ausschließlich Männer in die Parlamente und hohe Ministerien zu schicken. Die SPD verabschiedete eine Frauenquote und der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl holte nach der Wende eine junge und ziemlich unerfahrene Frau aus Ostdeutschland ins Kabinett. Die damals als "Doppelquotenfrau" verspottete Ministerin hieß Angela Merkel. Seit neun Jahren regiert sie das Land.