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Christen in Sorge

Diana Hodali, zurzeit Beirut13. September 2012

Der Libanon ist das Land mit den meisten Christen im Nahen Osten. Sie stellen den Präsidenten, den Armeechef und werden auch sonst nicht benachteiligt. Trotzdem wünschen sie sich mehr Gehör - besonders vom Westen.

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Die St. Georg Kathedrale steht direkt neben der Mohamed Al-Amine Moschee (Foto: Diana Hodali)
Bild: DW/D.Hodali

In Libanons Hauptstadt Beirut wechselt sich Glockengeläut nahtlos mit dem Gebet des Muezzins ab. Die christliche Minderheit im Libanon lebt heute beinahe reibungslos in dem überwiegend muslimischen Land – etwa ein Drittel der Bevölkerung bekennt sich zum christlichen Glauben. Kirchen stehen vielerorts direkt neben Moscheen. So auch die maronitische St. George Kathedrale im Stadtzentrum, im so genannten Downtown.

An diesem Abend ist die Kathedrale restlos gefüllt. Nicht nur die Älteren sind gekommen, sondern auch viele junge libanesische Christen. Alle maronitischen Geistlichen aus Beirut haben sich für eine gemeinsame Messe versammelt, um die Menschen auf den Besuch von Papst Benedikt XVI. (bis zum 16.09.2012) vorzubereiten. Einer der Geistlichen ist Pater Antoine Assef. Er geht durch die Reihen, begrüßt fast alle Gemeindemitglieder mit einem festen Händedruck. Es scheint, als würde er sie alle kennen. "Der Bürgerkrieg hat viel Schaden angerichtet", sagt er. Auch wenn er jetzt vorbei sei, bleibe die Stimmung im Libanon angespannt. "Besonders die Gläubigen haben immer Angst. Es ist aber diese Angst, die sie noch mehr an ihrer Religion festhalten lässt."

Auf einer großen Leinwand wird ein kurzer Film über das Leben von Papst Benedikt gezeigt. Dann beginnt die Abendmesse. Antoine Assef spricht über den Leidensweg Jesu, aber er spricht auch über die Notwendigkeit des interreligiösen Zusammenlebens im Libanon.

Auf einer Leinwand in der Kirche ist der Papst zu sehen (Foto: Diana Hodali)
Vorbereitungen auf den Papst-Besuch in BeirutBild: DW/D.Hodali

Christen wollen mehr Aufmerksamkeit vom Westen

Seit zwölf Jahren hat Pater Assef seine eigene Gemeinde. Eine Gemeinde, die mitten in einem muslimisch geprägten Stadtteil in Beirut liegt. Der Besuch des Papstes sei für die gesamten Christen in der Region wichtig. "Dieser Besuch erinnert die Christen und hoffentlich auch alle anderen Menschen an den geografischen Ursprung des Christentums, der hier im Nahen Osten liegt", sagt er. "Die Menschen erhoffen sich von dem Besuch des Papstes, dass die Welt sich daran erinnert, dass im Libanon und überhaupt im Nahen Osten Christen leben." Er selber glaubt aber nicht, dass der Papstbesuch diesen Effekt haben wird. Die Christen im Libanon hätten schon viele schwierige Zeiten hinter sich. Und jetzt sei da der so genannte Arabische Frühling: "Für die Christen ist es ganz und gar kein Frühling. Ein diktatorisches Regime wird durch eine religiöse islamische Regierung abgelöst."

Interreligiöses Zusammenleben ist notwendig

Die Christen im Zedernstaat seien aufgrund der sich wandelnden politischen Situation im Nahen Osten verunsichert. "Was glauben die westlichen Politiker eigentlich?", fragt Pater Antoine Assef. "Glauben sie, dass diese neuen islamisch geprägten Regierungen eine Gefahr sind oder dass sie wirklich an der Herstellung einer Demokratie arbeiten wollen?"

Pater Antoine Assef in der Kirche (Foto: Diana Hodali)
Pater Antoine Assef wünscht sich mehr Unterstützung für die Christen im Nahen OstenBild: DW/D.Hodali

Er und auch die anderen Christen verstünden die Haltung des Westens einfach nicht. "Kümmert es den Westen eigentlich nicht, dass hier Christen leben?" Durch die Christen komme immerhin ein interreligiöses Zusammenleben zustande. Man lerne einander zu akzeptieren und zu tolerieren. Von ihren Glaubensbrüdern im Westen erhofften sie sich mehr Schützenhilfe, um die eigene Position zu verbessern, um die Anwesenheit der Christen weiterhin zu garantieren.

Politisch stark, aber nur im Zusammenschluss

Aber natürlich ginge es den Christen im Libanon immer noch besser als in vielen anderen arabischen Ländern, sagt Assef. Studien belegen zudem, dass Christen, Sunniten und Schiiten in ähnlichem Umfang das Land verlassen - überwiegend aus ökonomischen Gründen. Zudem werden sie heute im Libanon weder bedroht noch unterdrückt und sind an der Politik beteiligt. Zwar haben sie nach dem Bürgerkrieg an politischem Einfluss eingebüßt. Aber der Vertrag von Taif von 1989 räumt ihnen immer noch überproportionale Rechte ein. Sie stellen den libanesischen Präsidenten sowie den Armeechef. Im Parlament und in der Verwaltung sind sie ebenfalls mit 50 Prozent vertreten, obwohl sie offiziell nur ein Drittel der Bevölkerung ausmachen.

Außerdem versuche jeder christliche Politiker seine Macht weiter auszubauen, sagt der Politik-Experte Jawad Adra vom "Institute Information" in Beirut. "Es geht heute nicht mehr so sehr darum, ob ein Politiker Schiit, Sunnit oder Christ ist. Sie alle konkurrieren um Macht." Keiner der christlichen Politiker könne alleine mächtig sein, also schließe er sich anderen starken Parteien an. Tatsächlich gibt es zahlreiche christliche Parteien, die sich auf die Koalition "8. März" - dem schiitischen Hisbollah dominierten Bündnis - und der Koalition "14.März" - dem sunnitischen Parteienzusammenschluss - aufteilen.

Christen stehen vor einer Kirche (Foto: Diana Hodali)
Die Christen in Beirut freuen sich über den Besuch von Papst Benedikt XVI.Bild: DW/D.Hodali

Auch untereinander gespalten

Viele Christen klagen daher auch über die mangelnde Solidarität untereinander. So auch die gläubige Maronitin Fadia Bat'ha. Sie kommt regelmäßig in den Gottesdienst in der St. George Kathedrale. Fadia Bat'ha macht sich keine Sorgen über die Gefahr einer Radikalisierung der Muslime in den umliegenden Länder und schon gar nicht darüber, dass sich das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen in Libanon verschlechtern könnte. "Meine Nachbarn sind Muslime und wir haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Die politischen Führungskräfte sind es, die versuchen einen Keil zwischen uns treiben. Es geht ihnen nur um Machterhalt. Wir Menschen haben keine Probleme miteinander. Sie sollen uns einfach nur in Ruhe lassen."