Von der Politik in die Wirtschaft
Dürfen Spitzenpolitiker nach dem Ausscheiden aus ihrem Amt einfach in die Wirtschaft wechseln? Nein, zumindest nicht mehr sofort. Künftig müssen sie erst eine Auszeit nehmen, so ein gerade beschlossenes Gesetz.
Zufall oder Torschlusspanik?
Es war exakt der Tag des Kabinettsbeschlusses, da stellte sich Staatssekretärin Katherina Reiche beim Verband kommunaler Unternehmen zur Wahl, um Hauptgeschäftsführerin zu werden. Das schaffe den Eindruck, dass sie noch kurz vor Torschluss ihren künftigen Job in trockene Tücher bringen wolle, meinte dazu Edda Müller, die Vorsitzende der Anti-Lobbyismus-Organisation Transparency International.
Versicherungen vom Gesundheitsminister
Als Gesundheitsminister setzte sich Daniel Bahr (FDP) bis Ende 2013 stark für private Krankenversicherungen ein. Die entsprechenden Produkte verkauft er seit November 2014 für den Allianz-Konzern - als Generalbevollmächtigter für die Tochter Allianz Private Krankenversicherung (APKV). Einen Interessenkonflikt sieht Bahr darin nicht.
Rüstung für den Reserve-Hauptmann
Der frühere Soldat Dirk Niebel (FDP) leitete bis 2013 eine Behörde, die er zuvor eigentlich abschaffen wollte: das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Mit Militär-Kappe bereiste er Entwicklungsländer. Für den Rüstungskonzern Rheinmetall ist Niebel ab 2015 als Lobbyist tätig.
Vom Staat zum Staatsbetrieb
Ronald Pofalla (CDU) leitete das Kanzleramt von Angela Merkel. In dieser Funktion wollte er die NSA-Spionageaffäre kurz nach ihrem Bekanntwerden schon für beendet erklären. Bei der Deutschen Bahn, die mehrheitlich dem Bund gehört, pflegt Pofalla seit Jahresbeginn die Kontakte zur Politik.
Ein Forum für den Vizekanzler
Philipp Rösler, früher Merkels Stellvertreter und Wirtschaftsminister, hatte als Politiker keine glückliche Hand. Seine Partei, die FDP, schaffte es unter seinem Vorsitz nicht mehr in den Bundestag. Inzwischen arbeitet er für das Weltwirtschaftsforum (WEF) in der Schweiz. Aufgabe: Regierungskontakte.
Gas für Gerhard Schröder
Das Projekt, russisches Erdgas nach Deutschland zu leiten, hatte Gerhard Schröder (SPD) noch als Bundeskanzler wohlwollend begleitet. Im Dezember 2005, wenige Wochen nach dem Ende seiner Amtszeit, erhielt Schröder einen Posten beim Pipeline-Betreiber Nordstream AG, der zur russischen Gazprom gehört.
Energie für den Minister
Als Bundesminister für Wirtschaft und Technologie unter Kanzler Schröder erlaubte Werner Müller eine umstrittene Übernahme in der Energiebranche, trotz Bedenken der Kartellwächter. Als 2002 im Kabinett kein Platz mehr für ihn war, wechselte Müller zum Energiekonzern RAG, den er bald darauf leitete.
Freie Fahrt für Wissmann
Unter Helmut Kohl war Matthias Wissmann (CDU) Verkehrsminister. Parallel zu seiner späteren Abgeordnetentätigkeit arbeitete er bei einer internationalen Wirtschaftskanzlei zu den Themen "Liberalisierung und Deregulierung von Märkten". 2007 wurde er dann oberster Lobbyist der deutschen Autoindustrie.
Freude am Fischer
Auch Ex-Außenminister Joschka Fischer (Grüne) wird von der Autoindustrie bezahlt. Der frühere Revoluzzer arbeitet für BMW als Berater. Das ist nicht der einzige Konzern, der sich Fischers Expertise etwas kosten lässt. Auf der Liste stehen auch Siemens, der Handelskonzern Rewe und die Energieversorger RWE und OMV.
Vorteil von Klaeden
Als Cheflobbyist von Daimler ist Eckart von Klaeden (CDU) seit Ende 2013 für die Kontaktpflege zur Politik zuständig. Wegen des Wechsels zum Autobauer leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Vorteilsnahme ein. Zuvor war von Klaeden Staatsminister im Bundeskanzleramt und ein enger Mitarbeiter von Angela Merkel.
Rente für Rürup
Als Wirtschaftsprofessor beriet Bert Rürup (SPD) die Bundesregierung in Rentenfragen. Die nach ihm benannte "Rürup-Rente", eine steuerlich begünstigte Form der privaten Altersvorsorge, wurde 2005 eingeführt. Die bietet auch der Finanzdienstleister AWD an, bei dem Rürup kurz darauf Chefökonom wurde.
Start frei für Koch
Als Roland Koch (CDU) noch Ministerpräsident im Bundesland Hessen war, erhielt der Baukonzern Bilfinger Berger einen Auftrag über 80 Millionen Euro am Flughafen Frankfurt. Im Herbst 2010, zwei Monate nach seinem Rückzug aus der Politik, zog Koch in den Vorstand des Konzerns ein und wurde später dessen Chef. Im August 2014 musste er diesen Posten wieder aufgeben.
Umgekehrt ist selten
Als Unternehmer hatte Jost Stollmann Millionen verdient, 1998 sollte er Wirtschaftsminister unter Kanzler Schröder werden. Doch der Wechsel misslang. Stollmann nahm das Amt nicht an, angeblich wegen Streitigkeiten im Kabinett.