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Von Braun: "Es fehlt der Schritt von der Warnung zur Reaktion"

Max Borowski2. Oktober 2013

Warnungen vor Krisen verhallen immer noch zu oft ungehört. Agrarökonom Joachim von Braun fordert deshalb im Interview mit der Deutschen Welle mehr internationales Engagement im Kampf gegen den Hunger.

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Professor Joachim von Braun 56866850 Date 13 12 2011 Copyright Imago Wolf P PRANGE
Bild: imago

DW: Herr von Braun, nach dem jüngsten Bericht der UN-Landwirtschafts- und Ernährungsorganisation FAO ist Afrikas Kampf gegen den Hunger in den vergangenen Jahren nicht voran gekommen. Die Zahl der Unterernährten auf dem Kontinent ist kaum gefallen, immer noch kommt es regelmäßig zu Hungerkatastrophen. Warum funktionieren die Warnsysteme und Hilfsmechanismen, die es ja gibt, nicht?

Joachim von Braun: Es gibt durchaus positive Entwicklungen. Vor rund 20 Jahren waren die Frühwarnsysteme viel weniger effektiv als heute. Aber sie sind immer noch nicht gut genug. Die Warnsysteme sammeln Daten auf der Graswurzel-Ebene in vielen Ländern Afrikas und verbinden sie beispielsweise mit Wetter- und Nährstoffdaten. Das funktioniert gut. Was in vielen Ländern fehlt, ist der Schritt von der Warnung zur Reaktion.

Ein Problem ist, dass die betroffenen Regierungen manchmal nichts von solchen Alarmsignalen wissen wollen und sie im schlimmsten Fall unterdrücken. Das ist etwa vor einiger Zeit im Sudan passiert. Frühes Warnen ist das eine, frühes Zuhören etwas anderes, und frühes Handeln ist das dritte notwendige Element. Und als viertes müssen Länder, die selbst nicht über ausreichende Mittel verfügen, Hilfsaufrufe an die internationale Gemeinschaft richten. Ich würde mir wünschen, dass die Internationale Gemeinschaft das ganze Frühwarn- und Hilfssystem weiter ausbaut.

Was genau sollten denn die internationalen Akteure tun, um die Versorgung mit Nothilfe schneller zu gewährleisten?

Auf allen genannten Stufen - von den frühen Warnungen, über das Wahrnehmen der Warnsignale bis hin zur Reaktion der lokalen Regierung und schließlich der internationalen Hilfe - kann Entwicklungszusammenarbeit helfen. Das gilt auch für die Krisenreaktion der betroffenen Staaten, etwa mit diplomatischen Beratungen und mit dem Erzeugen medialer Aufmerksamkeit.

Der dringendste Beitrag der Geberländer wäre allerdings, die Kapazitäten des Welternährungsprogramms (WFP) und anderer Hilfsorganisationen auszubauen, damit sie Nahrung und wenn nötig Bargeld schnell in ein Notgebiet transportieren können. Am besten geht das mit einem bereits bestehenden sozialen Netz vor Ort, das im Fall einer Krise erweitert und später wieder verkleinert werden kann. Hier sollte sich die Entwicklungshilfe noch mehr engagieren.

(AP Photo)
Lebensmittelhilfe des Welternährungsprogramms in einem Lager in Somalia.Bild: AP

Hat das WFP zu wenig Geld, um auf Afrikas Hungerkrisen zu reagieren?

Die Kapazität des Welternährungsprogramms als Nothelfer sollte ausgebaut werden. Wichtig ist aber vor allem eine flexiblere Nutzung von Ressourcen, also von Lebensmitteln und Geld. Leider kann das WFP derzeit, wenn eine Krise besteht und die Nahrungsmittelpreise hoch sind, auf dem Weltmarkt nur wenig kaufen und nur entsprechend wenig im Notfall helfen. Das starre Budget des WFP ist unpassend für eine Nothilfe-Organisation.

Sie haben die nötige Aufmerksamkeit in den Medien erwähnt. Berichte über Hungersnöte sind allerdings umstritten. Nicht nur die betroffenen Regierungen lehnen das oft ab. Auch viele Leser und Zuschauer empfinden Bilder von Hungernden oft als voyeuristisch.

Berichterstattung über Ernährung und Landwirtschaft ist sehr wichtig. Aber bitte nicht nur die Kameras auf unterernährte Kinder richten! Eine andere Art von Berichterstattung ist nötig – vor allem zu einem früheren Zeitpunkt. Wenn Journalisten von einer akuten Hungersnot berichten, aber nicht in den Monaten zuvor von ihrem Entstehen berichtet haben, dann haben sie versagt. Es gibt ja frühe Warnsignale, und ich wünsche mir, dass auch die Medien bereits über das Entstehen einer Krise berichten und so helfen, diese zu verhindern.

Joachim von Braun ist Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung der Universität Bonn. Der Wirtschaftswissenschaftler war zuvor unter anderem Chef des Internationalen Forschungsinstituts für Ernährungspolitik (IFPRI) in Washington.