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Von Agenten und Mini-Panzern

Caroline Bock (dpa)25. September 2014

Als Agentenbrücke wurde sie im Kalten Krieg berühmt: Die Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam. 40 Jahre lang verband und teilte sie Ost und West. Gerade wird sie saniert.

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Deutschland Glienicker Brücke in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/B. Settnik

Die Szene klingt filmreif: Drei Männer donnern am 10. März 1988 um 2 Uhr nachts mit einem Lastwagen durch die Schranken der DDR-Grenze auf der Glienicker Brücke zwischen Potsdam und West-Berlin. Ein Reifen platzt, die Motorhaube zerschellt. 200 Meter nach der Grenze stoppt der Wagen. Von einer Notrufsäule melden sich die Männer bei der Polizei. Die Flucht in den Westen ist gelungen.

Der Trick: Die Männer tarnten sich mit einem Gefahrentransporter. "Da kommt doch keiner auf die Idee, dass einer abhaut mit so einem Transporter", erinnert sich einer der Flüchtlinge. "Das war unser Glück." Außerdem waren die drei früher bei der DDR-Armee und wussten genau, wann der beste Zeitpunkt ist: Wenn die Wachhabenden an der Grenze müde sind.

Deutschland Geschichte Berlin Mauer Glienicker Brücke
Zivilisten konnten die Glienicker Brücke nur mit Sondergenehmigung passierenBild: ullstein - Wieczorek

Die Glienicker Brücke steckt voller Geschichten wie dieser. 40 Jahre lang lag eine Hälfte im Osten, die andere im Westen. Seit 1995 befaßt sich der Journalist Thomas Blees intensiv mit diesem Bauwerk. In seinem Buch "Die Glienicker Brücke" kommen Menschen zu Wort, in deren Leben dieser Ort eine besondere Rolle spielte.

Da ist zum Beispiel diese Episode: Ein West-Polizist hatte eine Vorliebe für Mini-Panzer und lenkte seinen ferngesteuerten Leoparden bis über den Grenzstreifen. Die Reaktion der Ost-Grenzer sei "eigentlich sehr heiter" gewesen, erinnert sich ein Augenzeuge. Es seien kurioserweise alle rausgekommen und hätten freundlich zugeguckt.

Zu DDR-Zeiten hieß die Glienicker Brücke ironischerweise "Brücke der Einheit". Erst nach dem Mauerfall erhielt sie ihren alten Namen zurück. Weltberühmt aber wurde sie als "Agentenbrücke". Dreimal wurden dort im Kalten Krieg Agenten ausgetauscht. "Hier waren Deutschland und Europa bis zum 10. November 18.00 Uhr geteilt", steht auf einem braunen Schild an der Brücke. 25 Jahre nach dem Mauerfall ist die Welt eine andere: Auf der einen Seite liegt das Potsdamer Promi-Viertel, auf der anderen geht es Richtung Wannsee und Golfclub.

Agententausch Identitäten Kalter Krieg
Drei Mal wurden auf der Glienicker Brücke hochrangige Agenten ausgetauschtBild: BSTU

Geblieben ist die malerische Aussicht über die Havelseen. Schon Alexander von Humboldt schwärmte: "Der Blick von der Glienicker Brücke wetteifert mit den schönsten Punkten der Welt." Ringsum liegen die Gärten und Schlösser aus der Zeit von Lenné und Schinkel, die seit 1990 Unesco-Weltkulturerbe sind. Am Horizont ist die Sacrower Heilandskirche zu sehen, früher unerreichbares Sperrgebiet. Kaum vorstellbar, dass in dieser Idylle einmal zwei Systeme aufeinanderprallten.

Glienicker Brücke Flash-Galerie
Die Glienicker Brücke verbindet über die Havel hinweg Potsdam und BerlinBild: Janos Maron

1959 wurde zum ersten Mal ein Weihnachtsbaum auf der Westseite aufgestellt. Er sollte den Menschen "drüben" zeigen, dass man an sie dachte, wie Autor Blees schreibt. Im Mauerbau-Jahr 1961 und auch 1962 beschallten sich beide Systeme mit Propaganda-Wagen. Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck wohnte 35 Jahre lang auf der ostdeutschen Seite. "Natürlich mit dem Gefühl, dass ich über diese Brücke nie gehen werde", erinnert er sich später. Stadtführer Manuel Günther ist oft mit Besuchern auf der Glienicker Brücke. "Das ist das absolute Highlight neben Schloss Sanssouci und dem Stadtschloss", sagt er und erzählt, dass die Leute das Eisen-Stahl-Tragwerk bei der Eröffnung 1907 als "Ungeheuer" empfunden hätten.

Gerne lassen sich die Touristen mit dem Eisenstreifen fotografieren, der in der Mitte die einstige Grenze markiert. Der Pendler-Verkehr rauscht vorbei, ein paar Liebesschlösser hängen am Geländer. Bei genauerem Hinsehen ist die Zweiteilung noch sichtbar: Die grüne Farbe im Westen ist dunkler als die im Osten.

Das Ensemble ist in die Jahre gekommen. Die Stein-Kolonnaden am Ufer werden gerade saniert. Potsdam ist ähnlich wie Dresden eine Stadt mit Bürgersinn. Viele private Spenden fließen in Denkmäler. Das kommt auch der "Agentenbrücke" zu Gute - pünktlich zum Mauerfall-Fest im November sollen die Kolonnaden fertig sein. 25 Jahre nach dem Mauerfall feiert Potsdam auf der Glienicker Brücke das Ende der Teilung Deutschlands.

Glienicker Brücke in Potsdam
Bis zum Mauerjubiläum wieder schick - die KolonnadenBild: picture-alliance/dpa/Ralf Hirschberger