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Wie ein 82jähriger über Sterbehilfe denkt

Stefan Dege23. Januar 2014

Er denkt viel über Sterbehilfe nach, auch für sich selbst. Klaus Arens ist 82 Jahre alt und an Leukämie erkrankt. Doch vom Töten ist der Düsseldorfer Arzt weit entfernt.

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Sterbehilfe
Bild: Kzenon/Fotolia

Klaus Arens ist ein Mann des Konjunktivs. Er könnte, wenn er wollte, selbstbestimmt sterben. Er könnte seinem Leben, wenn er es denn wollte, ein Ende setzen - sagt er. Denn der 82-jährige ist Arzt. Der Zugang zu Medikamenten steht ihm jederzeit offen, anders als vielen Sterbewilligen.

"Bekannte von mir haben sich selbst getötet. Der eine ist vor einen fahrenden Zug gesprungen. Der andere hat sich erhängt", erzählt er. "Beides war ein erheblicher Schock für mich." Zugleich habe er erlebt, wie Tiere mit einer Spritze eingeschläfert wurden. "Da habe ich gesehen, wie unkompliziert und friedlich so etwas vor sich gehen kann."

Sterbehilfe Klaus Arens
Klaus Arens: Für das Recht am selbstbestimmten SterbenBild: DW/S. Dege

Viel zu große Wohnung, viel zu großes Auto

Was Klaus Arens von anderen Männern seines Alters unterscheidet? Er leidet an Altersleukämie, muss täglich Tabletten schlucken. Um den Alltag durchzustehen, braucht er starke Schmerzmittel. Klaus Arens lebt in seiner, wie er freimütig bekennt, "viel zu großen Wohnung und fährt ein viel zu großes Auto". Klaus Arens ist ein begüterter, älterer Herr.

Sich selbst zu töten, sieht Arens derzeit keinen Anlass. "Das war ein Thema im Anfang, als meine Frau starb und als ich in einem Zustand war, der näher am Tod als am Leben war." Zwei Jahre ist das her. Seine Frau wurde schwer krank. Ein Hospiz nahm sie auf. Sie starb. Arens fiel in eine schwere Depression.

Sterbehilfe Klaus Arens
Will den Zeitpunkt seines Todes selbst bestimmen: Klaus ArensBild: DW/S. Dege

Ein Psychiater nahm sich seiner an. "Nachdem das dann besser wurde und ich mich so allmählich erholte, stellte ich fest, dass das von mir erhoffte Familienleben nicht stattfand." Die erwachsenen Kinder – Tochter und Sohn wohnen im selben Mehrfamilienhaus – scherten sich nicht um ihn. Der alte Mann fühlte sich verlassen und einsam. "Da wurde mir klar, dass der Alte sein eigenes Leben führen muß."

Viele ältere Männer denken an Suizid

Klaus Arens möchte selbstbestimmt leben. "Ein Dahinsiechen im Altersheim, betreut von wildfremden Leuten, die mich waschen und auf die Toilette setzen, das kommt für mich nicht in Betracht." Für ihn wäre das der Moment zu sagen: "Jetzt mache ich Schluss!"

Sterbehilfe Klaus Arens
Gehen, wann er will - der Düsseldorfer Arzt schließt Sterbehilfe für sich nicht ausBild: DW/S. Dege

Viele ältere Menschen befassen sich mit Gedanken, nicht mehr leben zu wollen. Sie fürchten sich vor zunehmender Abhängigkeit. Sie leiden unter Krankheitsfolgen und unter belastenden Beziehungen. Jährlich sterben in Deutschland etwa 10.000 Menschen durch Suizid. Davon sind nach Angaben des Nationalen Suizidpräventionsprogramms der Bundesregierung mehr als ein Drittel 60 Jahre und älter. Auffallend sei der starke Anstieg der Suizidrate ab dem 8. Lebensjahrzehnt. Betroffen sind vor allem Männer.

Klaus Arens möchte notfalls auch selbstbestimmt sterben. Für die Möglichkeit hat er, der Arzt, gesorgt. Die tödliche Dosis Tabletten, daran lässt er keinen Zweifel, liegt bereit. "Ich kann also, wenn ich in die Lage käme, mir selbst nicht mehr helfen zu können, die Geschichte beenden." Viele Patienten könnten das nicht. "Die müssen entweder viel Geld haben, um in die Schweiz zu fahren. Oder sie greifen zu völlig untauglichen Mitteln, die zu erheblichen Komplikationen führen können, aber nicht zum Erfolg, der erstrebt wird."

Der Arzt hat die Pflicht zu helfen

Mit "Erfolg" meint Arens das Lebensende. Zu entscheiden, wann dieses eintritt, hält er für sein gutes Recht. Die Debatte über Sterbehilfe ist ihm nicht fremd. "Die einen sagen, das Leben ist nicht verfügbar. Die anderen sagen, die Selbstbestimmung ist das Wesentliche und steht darüber. Zwischen diesen beiden Polen gibt es wohl kaum eine Einigung." Keine Frage, wo seine Präferenz liegt.

Sterbehilfe Klaus Arens
"OK, dann wäre ich heute nicht mehr"Bild: DW/S. Dege

Muss ein Arzt nicht heilen, statt zu töten? "Der Arzt hat nicht allein die Pflicht zu heilen", glaubt Arens, "sondern es ist die Pflicht des Arztes, dem Patienten zu helfen!" Zu diesem Helfen gehört es auch, wie er findet, einem Todgeweihten, der das wünscht oder verfügt hat, "einen friedvollen Tod zu gewähren."

Er selbst hat es noch nicht getan, sagt er. Es gebe Situationen, in denen man einfach nicht mehr heilen könne. "Mit der Geburt ist man zum Tode verurteilt", sagt er, "wir haben die Möglichkeit, dem Patienten einen friedlichen Tod, durch die Überdosierung von Narkosemitteln beispielsweise, zu verschaffen." Und wenn er sich auf dem Höhepunkt seiner eigenen Depression getötet hätte? Der alte Mann wird nachdenklich: "Ok, dann wäre ich heute nicht mehr. Aber dann müsste ich mich auch nicht mehr aufregen."