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"Vietnam will Beziehung zu China stabilisieren"

Gabriel Domínguez / mgr26. August 2014

Es ist fast ein Friedensangebot: Angesichts des Territorialkonflikts mit China schickt Vietnam einen Sonderbotschafter nach Peking. Martin Großheim erklärt im DW-Interview, warum dennoch nichts wie früher sein wird.

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Ein Schiff der chinesischen Küstenwache auf hoher See (Foto: REUTERS/Nguyen Minh)
Bild: Reuters

Am Dienstag (26.08.2014) brach er auf nach China: Le Hong Anh, ein Mitglied des Politbüros der Kommunistischen Partei Vietnams. "Das Ziel der Reise ist es, Mittel und Wege zu diskutieren, um wachsenden Spannungen zu mildern und zu vermeiden. Zugleich soll die Beziehung zwischen den beiden Parteien und Ländern vertieft werden", sagte der Sprecher des vietnamesischen Außenministeriums, Le Hai Binh.

Seit Monaten liegen Vietnam und China im Clinch über Gebiete im Südchinesischen Meer. Im Mai war es als Protest gegen die Stationierung einer chinesischen Bohrinsel in umstrittenen Gewässern zu anti-chinesischen Ausschreitungen in Vietnam gekommen.

Deutsche Welle: Warum hat sich die vietnamesische Führung dazu entschieden, die Spannungen mit China abzubauen?

Martin Grossheim: Die Entscheidung der vietnamesischen Führung, Kompensationszahlungen an chinesische Firmen und Opfer der anti-chinesischen Proteste zu zahlen und jetzt Le Hong Anh als Sonderbotschafter zu entsenden, muss im Zusammenhang mit den anstehenden Besuchen hochrangiger US-Politiker in Hanoi in den nächsten Wochen gesehen werden.

Martin Großheim von der Unversität Passau (Foto: UNI Passau)
Martin Großheim: "Die meisten Vietnamesen wollen Frieden - aber es gibt weiter große Ressentiments"Bild: UNI Passau

Le Hong Anh hat als ehemaliger Minister für Öffentliche Sicherheit und als ständiges Mitglied im Politbüro der Kommunistischen Partei Vietnams eine wichtige Position in der Parteiführung inne. Seine Entsendung ist ein politisches Signal an Peking: Hanoi möchte die Beziehungen mit den USA und mit China stabilisieren.

China hat die vietnamesische Entscheidung begrüßt, die Opfer der Proteste zu entschädigen. Ist der Streit damit vorbei?

Für den Moment ist der Streit vorbei. Dennoch war bei meinem jüngsten Aufenthalt in Vietnam die weitverbreitete Abneigung gegenüber China deutlich zu spüren. Sollte die chinesische Führung etwas unternehmen, das von vielen Vietnamesen als Provokation gesehen wird - etwa die Errichtung einer Ölplattform in Gewässern, die auch von Vietnam beansprucht werden - könnte diese Abneigung erneut ausbrechen. Andererseits wird der vietnamesische Sicherheitsapparat beim nächsten Mal sicher besser vorbereitet sein, um mit dieser Herausforderung umzugehen.

Wie rechtfertigt Hanoi gegenüber der eigenen Bevölkerung sein Zugehen auf China?

Obwohl es große Abneigung gegenüber China im Volk gibt, will die Mehrheit der Vietnamesen Frieden. Sie begrüßen sicherlich jeden Schritt, der die Spannungen entschärft. Sollte Le Hong Anh während seines Besuchs in Peking jedoch Zugeständnisse machen müssen, könnte die Reaktion zuhause sehr negativ ausfallen.

Eine chinesische Ölplattform (Foto: EPA/STR)
Plattform des Anstoßes: Chinas Ölplattform in Gewässern, die auch Vietnam beanspruchtBild: picture-alliance/dpa

Wie sehr hängt die vietnamesische Wirtschaft von China ab?

China ist der größte Handelspartner Vietnams. Außerdem sind chinesische Firmen an vielen verschiedenen Projekten in Vietnam beteiligt, vor allem im Bereich Infrastruktur. Die vietnamesische Führung weiß, dass sie die wirtschaftlichen Beziehungen des Landes diversifizieren muss, um die heimische Wirtschaft weniger abhängig zu machen vom großen Nachbar im Norden. Aber das kann nicht über Nacht gelingen.

Also hat der Territorialstreit dazu geführt, dass Vietnam engere Beziehungen mit anderen Ländern schmiedet?

Ja, er hat dazu geführt, dass Vietnam seine umfassende Partnerschaft mit den USA vertieft hat. Das zeigt sich in zahlreichen gegenseitigen Besuchen: Im Juli 2014 reiste Politbüro-Mitglied Pham Quang Nghi in die USA. Senator John McCain und, noch wichtiger, der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs der US-Armee haben Hanoi im August besucht. Es ist der erste Besuch des höchsten US-Offiziers nach dem Ende des Vietnam-Krieges. Außerdem gibt es Anzeichen dafür, dass die USA künftig Waffenlieferungen an Vietnam erlauben werden.

In ähnlicher Weise hat Vietnam seine Beziehungen zu Japan vertieft. Tokio hat versprochen, sechs Marineschiffe an Vietnam zu liefern - was dessen Seegefechtsfähigkeiten erheblich steigern würde.

Le Hong Anh, Mitglied der Kommunistischen Partei Vietnams (Foto: EPA/LUONG THAI LINH)
Auf besonderer Mission: Le Hong Anh soll das Verhältnis zu China glättenBild: picture alliance/dpa/Detail

Welche Haltung erwarten Sie künftig von China und Vietnam bei ihrem Territorialstreit im Südchinesischen Meer?

Die Krise im Südchinesischen Meer hat den Blick der Vietnamesen auf China verändert, auch in der Führung des Landes. Während am Ende des Kalten Krieges gemeinsame ideologische Interessen im Vordergrund standen, wurde jetzt der Führung in Hanoi klar, dass sie sich nicht hauptsächlich auf China verlassen sollte. Hanoi behält sich die Möglichkeit rechtlicher Schritte gegen Peking vor. Beim nächsten Vorfall wird Vietnam China vielleicht verklagen.

Dr. Martin Grossheim ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Südostasienstudien der Universität Passau. Er forscht vor allem zu moderner vietnamesischer Geschichte, Geheimdiensten und der Geschichte des Kalten Krieges.