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Vielfalt und Einheit im Islam

Rayna Breuer11. August 2012

Der Islam ist in vielen Regionen vertreten, aber wie wichtig ist Muslimen in Russland, im Senegal oder Libanon ihre Religion? Wer gilt als Muslim und was darf man? Antworten darauf gibt die Studie eines US-Instituts.

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Muslime beim Gebet, im Vordergrund sieht man auf der Treppe die Schuhe der Gläubigen Foto: Prima (Fotolia)
Bild: Fotolia/prima

Die Cafés sind leer - die Straßen unheimlich ruhig. Die Menschen in der marokkanischen Hauptstadt Rabat warten auf den Sonnenuntergang, denn erst danach dürfen sie essen und trinken. Es ist Ramadan, der islamische Fastenmonat, in dem gläubige Muslime tagsüber enthaltsam und bewusster leben sollen. Doch eine Gruppe junger Marokkaner rebelliert. Sie nennen sich "Masayminch" ("Wir fasten nicht"): "Wir wollen der Gesellschaft zeigen, dass wir anders sind. Wir wollen uns nicht verstecken, um in Frieden zu leben", sagte der 23-jährige Imad Iddine Habib, Mitbegründer der Bewegung, der Nachrichtenagentur AFP.

Marokko ist zwar ein weitgehend liberales und tolerantes muslimisches Land, doch es gilt als gesellschaftlicher Tabubruch, religiöse Rituale zu missachten: beispielsweise die Fastenzeit während des Ramadan. 89 Prozent der Marokkaner bezeichnen die Religion als "sehr wichtig". Das zeigt eine aktuelle Studie des US-amerikanischen Think Tanks Pew Research Center in Washington. 38.000 Muslime aus 39 Ländern haben die Forscher zum Islam befragt.

Eine Topografie der Frömmigkeit

Knapp jeder vierte Mensch auf der Welt gehört der islamischen Glaubensgemeinschaft an. Der Glaube an Allah und den Propheten Mohammed eint die etwa 1,6 Milliarden Muslime weltweit, zu diesem Ergebnis ist das Pew Forschungsinstitut in seiner Studie gekommen. Trotz der Gemeinsamkeiten gibt es aber weitreichende Unterschiede, sagt Neha Sahgal, Mitverfasserin der Studie: "Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Islam nicht überall mit der gleichen Intensität ausgeübt wird. Die Muslime weltweit fühlen sich unterschiedlich verpflichtet."

Neha Sahgal vom Pew Research Center Foto: Pew Research Center
Neha Sahgal vom Pew Research CenterBild: Pew Research Center

Laut der Studie leben in den afrikanischen Ländern südlich der Wüste Sahara die frommsten Muslime. Die Forscher wollten wissen, welchen Stellenwert die Religion im Alltag hat. 98 Prozent der Befragten im Senegal gaben an, der Glaube sei für sie "sehr wichtig". Zum Vergleich: In den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas sind es 75 Prozent, im multikulturellen Libanon knapp 60. Auffallend gering hingegen ist die religiöse Überzeugung in ehemals kommunistischen Ländern Südosteuropas und den früheren Sowjetstaaten. Während in Russland immerhin noch 44 Prozent der befragten Muslime Religion für "sehr wichtig" halten, sind es in Albanien nur 15 Prozent: "Im Kommunismus war die Ausübung des Glaubens verboten und deswegen konnte der Islam in diesen Ländern nicht greifen", sagt Forscherin Sahgal. Generell sei der Glaube, ob der islamische oder der christliche, in den Gesellschaften im Nahen Osten und in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara stärker verankert als in Zentralasien oder Südosteuropa.

Rituale begehen und umgehen

Beten, Fasten und das Verteilen von Almosen gehören zu den wichtigsten religiösen Pflichten im Islam. Doch nicht für alle Muslime haben sie den selben Stellenwert: Während in den Ländern Südostasiens 99 Prozent der Muslime im Ramadan fasten, ist es in Zentralasien nur die Hälfte der Glaubensgemeinschaft. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Studie über die Bereitschaft, Almosen zu verteilen. Etwa 2,5 Prozent seines Vermögens sollte ein gläubiger Muslim jährlich spenden - doch nicht alle halten sich daran. Während 93 Prozent der in Südostasien Befragten angaben, Almosen zu verteilen, zeigen sich die Gläubigen in Südosteuropa und Zentralasien weniger spendabel: nur 56 Prozent der Muslime dort geben Almosen.

Zehntausende Muslime in Mekka. Foto: Hassan Ammar (AP)
Die fünf "Säulen" im Islam: Die Pilgerfahrt nach Mekka gehört zu den GrundpflichtenBild: dapd

Der Glaube im Alter

Auch wenn es in den muslimisch geprägten Ländern Unterschiede in der Auffassung gibt, wie wichtig Religion ist, in einer Sache ähneln sich alle Gesellschaften: Ältere Menschen sind religiöser als die Jugend. "Im Nahen Osten und in Nordafrika lassen sich junge Menschen zunehmend von dem beeinflussen, was im Westen passiert", sagt Neha Sahgal. Außerdem sei die Jugend besser ausgebildet. Und je höher der Ausbildungsgrad, desto weniger religiös sei ein Mensch, so die Expertin vom Pew Research Center. Die einzige Ausnahme ist Russland. Dort sind die jugendlichen Muslime religiöser als die Generation ihrer Eltern und Großeltern: "Religion hat mit Identität zu tun und in Russland ist die muslimische Bevölkerung in der Minderheit. So verbinden die jungen Menschen die Ausübung der Religion mit der eigenen, muslimischen Identität", sagt Sahgal.

Im Inneren einer Moschee Foto: Stian Lysberg Solum (dpa)
Gemeinsames Gebet: Höher Gebildete sind weniger religiösBild: picture-alliance/dpa