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Vielfach traumatisiert, aber sehr lernbegierig

Susanna Gutknecht21. Februar 2014

In München leben zur Zeit über 1000 minderjährige Flüchtlinge, die ohne ihre Eltern gekommen sind. Diese müssen in besonderer Weise betreut werden, fordert Jürgen Soyer vom Beratungszentrum Refugio in München.

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Drei Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge in einem Zimmer (Foto: picture-alliance/Peter Kneffel )
Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF) in der BayernkaserneBild: picture-alliance/Peter Kneffel

DW: Bei jugendlichen Flüchtlingen wird unterschieden zwischen begleiteten und unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Wie sieht die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in München aus?

Jürgen Soyer: Im vergangenen Jahr hat man beschlossen, die Erstaufnahme für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Bayernkaserne zu schließen. Das ist aber bis heute noch nicht geschehen. Man hat es einfach nicht rechtzeitig geschafft, entsprechende Jugendhilfeeinrichtungen zu finden, die diese Jugendlichen aufnehmen können. In der Bayernkaserne wohnten im Januar immer noch 80 Jugendliche. Der Wille ist da, zu sagen, wenn sie neu ankommen, dann werden sie in eine Jugendhilfeeinrichtung untergebracht. Der große Vorteil von Jugendhilfeeinrichtungen ist, dass ein guter Betreuungsschlüssel da ist und sich dadurch besser um traumatisierte Flüchtlinge medizinisch und psychologisch gekümmert werden kann.

Wie sieht dagegen Situation für begleitete Flüchtlingskinder aus?

Sie sind den ganzen Restriktionen unterworfen, die allgemein für Flüchtlinge gelten. Die kommen in eine ganz normale Gemeinschaftsunterkunft, wo sie mit der ganzen Familie in einem oder zwei Zimmer leben. Sie werden über ganz Bayern verteilt, oft auch in irgendwelche Provinzdörfer, wo es teilweise noch überhaupt keine soziale Beratung gibt. Da kümmert sich niemand um die Jugendlichen. Wenn es nicht klappt, dann klappt es nicht.

Jürgen Soyer (Foto: Refugio/Max Kratzer)
Bild: Refugio/Max Kratzer

Viele der jugendlichen Flüchtlinge sind traumatisiert. Werden sie psychologisch betreut?

In der Stadt München ist es zwar noch nicht ausreichend, aber es gibt schon einige Therapieplätze. #link:http://www.refugio-muenchen.de/kinder.php?sprache=de:Wir bieten selber ja auch welche an#, vergangenes Jahr hatten wir etwa 250 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Therapie. Auch das reicht noch nicht, einfach weil der psychotherapeutische Bedarf so groß ist. Sie kommen alle aus Ländern wie Afghanistan, Irak, Syrien, Somalia, wo Krieg herrscht. Wir haben ganz viele Jugendliche, die in Therapie sind aufgrund der schlimmen Erfahrungen auf der Flucht. Oder weil sie in Italien lange auf der Straße leben mussten und einfach Schlimmes erlebt haben. Jetzt gibt es Pläne, die Jugendlichen immer mehr in Provinzstädte zu verteilen. Da habe ich schon ein großes Fragezeichen, wie dort die psychotherapeutische Versorgung gewährleistet ist.

Wie sieht es aus mit Schule und Ausbildung?

Bayern hat die Berufsschulpflicht für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eingeführt. Sie kommen entweder in Berufsschulen, Übergangsklassen oder spezielle Schulen, die für Flüchtlinge geeignet sind. Die Jugendlichen sind sehr gefragt als Auszubildende, da sie oft sehr wiss- und lernbegierig sind. Sie sind bei der Wirtschaft eine sehr begehrte Klientel. Das ist auch dem Fachkräftemangel und dem Mangel an Auszubildenden geschuldet.

Refugio ist ein Beratungs- und Behandlungszentrum für Flüchtlinge und Folteropfer in München. Seit 1994 bietet das Zentrum psychotherapeutische Behandlung, Sozialberatung und ärztliche Diagnostik für Flüchtlinge an. Refugio arbeitet überparteilich und überkonfessionell.

Das Interview führte Susanna Gutknecht.