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Videotheken

18. Mai 2011

Eine Videothek in der Nähe zu finden könnte bald schwierig werden: In Deutschland schrumpft jedes Jahr die Zahl der Läden. Neben den Online-Verleihern bedroht der illegale Markt die Zukunft der Videotheken.

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Eine Videothek in Berlin Foto: Gero Breloer +++(c) dpa
Eine Videothek in Berlin. Schon bald Rarität?Bild: picture alliance/dpa

Mit 18 Jahren endlich den Videothekausweis zu bekommen, gehörte in Deutschland früher als Ritual zum Erwachsenwerden, erinnert sich Michael van Wijk, Inhaber einer Reihe von Videotheken in Nordrhein-Westfalen. Nun verzichten immer mehr Menschen in Deutschland auf den Gang zur Videothek. Denn fast jeden Film kann man mittlerweile mit ein paar Klicks für wenig Geld online ausleihen. Nicht nur Online-Videotheken, sondern auch Internet-Riesen wie Apple und Amazon oder größere TV-Kabelnetzbetreiber bieten den Film-Verleih an. Auch die Videoplattform YouTube verkündete neulich die Absicht, Hollywood-Filme online zu verleihen – vorerst allerdings nur in den USA.

In den Vereinigten Staaten ist die Lage der traditionellen Videotheken besonders prekär, weiß Jörg Weinrich, der Vorstand des Interessenverbands des Video- und Medienfachhandels in Deutschland (IVD). Spätestens seitdem 2010 die größte Videotheken-Kette im Land, Blockbuster, in die Insolvenz ging, sprechen Experten immer öfter vom Ende der Videotheken in den USA. Anstatt auf den Trend zur digitalen Ausleihe zu reagieren, hatte Blockbuster Inc. auf den Ausbau der Filialen im Ausland gesetzt. Als Folge musste sich die Videotheken-Kette mit über 6.500 Filialen der Konkurrenz, dem Online-Verleih Netflix, geschlagen geben.

Beunruhigende Zahlen

Eine Frau sortiert in einer Videothek in Köln DVD-Filme in ein Regal ein. Foto: Rolf Vennenbernd dpa/lth (zu Korr "Videotheken-Sterben setzt sich fort - Wachstum im Internet" vom 12.02.2011) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Videotheken mit persönlicher Betreuung kommen besser anBild: picture alliance/dpa

In der Bundesrepublik zählt der IVD zurzeit etwa 2.800 Videotheken, darunter auch Videotheken, die Onlinebestellungen aufnehmen und Filme im ganzen Land verschicken. Vom Ende der Videotheken hierzulande möchte IVD-Vorstand Jörg Weinrich zwar nicht sprechen, aber der Vergleich der Videothekenzahlen in den letzten Jahren spricht für sich. 665 Videotheken verschwanden von der Liste im Jahr 2008, fast 500 Film-Verleihe weniger sind es 2009 geworden. Im vergangenen Jahr verringerte sich die Anzahl der Videotheken in Deutschland um 214 Geschäfte.

Am wenigsten gefragt seien dabei die Automatenvideotheken, bei denen die Kunden oft die Beratung und den persönlichen Kontakt vermissen, erklärt Jörg Weinrich im Gespräch mit DW-WORLD.DE. Für den Versand-Verleih spricht vor allem die viel breitere Filmauswahl. Dies ist auch die Stärke der meisten Online-Videotheken, die schnell und kompliziert die neuesten Filme verleihen.

Die von größeren Telekommunikation- und Fernsehunternehmen geführten Online-Verleihe seien aber nicht der einzige und der größte Konkurrent der Videotheken, betont Jörg Weinrich: "Sie haben zwar ein Marktwachstum, aber auf relativ geringem Niveau – nicht mal zehn Prozent der Verleihumsätze von herkömmlichen Videotheken. Der große und gemeinsame Konkurrent ist der illegale Markt." Nur ein Beispiel: In 2010 wurden 226 Millionen Filme verliehen oder legal verkauft. Allein über die Plattform Sharehoster, die das unkontrollierte Hoch- und Runterladen der Dateien ermöglicht, wurden über 312 Millionen Filme illegal heruntergeladen.

Betroffen ist jeder

Auch Videothekeninhaber Michael van Wijk sieht in illegalen Downloads eine der Hauptursachen für den drohenden Untergang der Videotheken. Besonders aktiv seien dabei die jüngeren Nutzer, die mit dem Computer aufwachsen und nicht immer das richtige Gefühl dafür haben, was im Netz legal ist und was nicht. Da die anonymen Downloads aber hauptsächlich auf die neuesten Blockbuster und Pornos abzielen, fühlt van Wijk sich dadurch weniger betroffen, denn alle seine Videotheken bieten vor allem Programmfilme, die man oft woanders gar nicht findet. Trotzdem gibt auch Michael van Wijk zu: "Ich habe zwar nicht solche Rückgänge wie die anderen, aber es gibt niemanden, wirklich niemanden in der Branche, der es nicht merkt."

Michael van Wijk in seiner Programmvideothek Foto: Torben Eggers/Filmgalerie
Michael van Wijk setzt auf anspruchsvolle AutorenfilmeBild: Torben Eggers/Filmgalerie

Als verpasste Chance, den Videotheken einen richtigen Schub zu geben, wie es vor zehn Jahren beim Übergang von VHS zur DVD passierte, betrachtet van Wijk die unspektakuläre Einführung von Blu-ray Discs. "Hätte die Industrie wirklich gesagt: Wir möchten jetzt die Videotheken noch mal stärken, wäre es für die ganz einfach gewesen zu sagen: die interessantesten Sachen gibt es jetzt exklusiv für vier bis sechs Wochen zum Ausleihen bei den Videotheken und erst danach im Kauf. Sie haben das aber nicht gemacht", bedauert van Wijk.

Nicht zurücklehnen!

So kommt er zu dem Schluss, dass man sich in der Branche nicht zurücklehnen kann: "Wenn sich einer zurücklehnt, dann hat er mit absoluter Sicherheit innerhalb der nächsten zwei Jahre verloren." Um weiterhin erfolgreich zu bleiben, setzt der Videothekinhaber daher auf anspruchsvolle Inhalte und kompetente fachliche Beratung. Anstatt Anonymität wie im Internet, sollen seine Kunden die Möglichkeit genießen, sich mit den Fachleuten über ihre Leidenschaft Film zu unterhalten.

Autorin: Tetyana Bondarenko
Redaktion: Henrik Böhme