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Vermittler triumphieren in Kairo

Kersten Knipp21. November 2012

Die Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern schien zu eskalieren. Doch die Diplomaten gaben nicht auf. Geschickt nutzten sie das innenpolitische Kalkül der Kontrahenten.

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Hillary Clinton und Mohammed Kamel Amr Foto: Khaled Elfiqi (EPA)
Bild: picture alliance/dpa

Einen größeren Triumph hätte die ägyptische Diplomatie kaum feiern können. Am Mittwoch Abend (21.11.2012) trat Außenminister Mohammed Kamel Amr vor die Kameras und verkündete den Durchbruch: Israelis und Palästinenser hätten sich auf eine Waffenruhe geeinigt. Seit 20 Uhr mitteleuropäischer Zeit sollen die Waffen schweigen. Eine Eskalation der Gewalt ist gerade noch einmal verhindert worden.

Noch am Nachmittag sah es ganz danach aus, als würden beide Seiten einander mit noch größerer Härte bekämpfen. Denn in Tel Aviv explodierte in einem Stadtbus eine Bombe. Rund 20 Menschen wurden verletzt. Die den Gaza-Streifen regierende Hamas übernahm zwar nicht die Verantwortung für den Anschlag, erklärte aber, er sei eine Reaktion auf die israelischen Angriffe auf Gaza. Der Krieg - in dem schon über 170 Menschen ums Leben kamen und 1300 verletzt wurden, überwiegend auf palästinensischer Seite - war auf dem besten Weg, in eine neue, noch härtere Phase zu treten. Und dann kam, kaum noch erhofft, der diplomatische Durchbruch.

Ein Linienbus, auf den am 21. 11. 2012 ein Anschlag verübt wurde. (Foto: Reuters)
Der Krieg kommt nach Israel: Anschlag auf Bus in Tel AvivBild: Reuters

Schwierige Verhandlungen

Nachdem Vermittlungsversuche am Vortag noch gescheitert waren, sah es für eine politische Lösung immer schlechter aus. Denn von Anfang an sahen sich die Vermittler der Schwierigkeit gegenüber, dass beide Seiten einander bis zuletzt die Verantwortung für den Ausbruch der Gewalt zuschoben. Israel habe gute Gründe für seine Angriffe auf Gaza, erläuterte Meir Elran, Analyst beim israelischen "Institute for National Security Studies" (INSS), Stunden vor der Einigung im Gespräch mit der DW. Die Raketenangriffe der Hamas hätten sich in den vergangenen Monaten stark gehäuft. Nach der Militäroperation "Gegossenes Blei" zur Jahreswende 2008/09 sei ihre Zahl zunächst zwar gesunken. "Aber in den vergangenen Monaten haben sie sie wieder derart intensiviert, dass es unmöglich für uns war, nicht darauf zu reagieren."

Diese Deutung wollte der palästinensische Demokratie-Aktivist Mustafa Barghouti nicht stehen lassen. In den vergangenen zweieinhalb bis drei Jahren habe es einen vollständigen Waffenstillstand zwischen Israel und dem Gazastreifen gegeben, sagte er am Mittwoch-Nachmittag im Gespräch mit der DW. Aus Gaza seien keine Raketen abgefeuert worden. Am 12. November hätten Ägypter, Palästinenser und Israelis ein Abkommen für einen Waffenstillstand vereinbart. Von Seiten der Hamas habe es Ahmad Dschabari, der Militärchef der Hamas, signiert. "Doch zwei Tage später tötete Israel den Mann, der das Abkommen unterzeichnet hatte. Das brachte dann den Kreis der Gewalt in Gang."

Ein Blick auf nach einem israelischen Angriff völlig zerstörte Regierungsgebäude in Gaza-Stadt, 21. 11. 2012. (Foto: Reuters)
Das Regierungsviertel in Gaza nach einem israelischen AngriffBild: Reuters

Krieg und Kalkül

Der konkrete Anlass der Gewalt sei in der Tat sehr schwer exakt zu definieren, sagt der Mainzer Geograf Günter Meyer, Leiter des "Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt". Es komme sehr darauf an, wo man die Chronologie der Gewalt beginnen lasse. Aber innenpolitisches Kalkül habe auf beiden Seiten eine Rolle gespielt.

Israels Prmier Benjamin Netanyahu im gespräch mit dem deutschen Außenminsiter Westerwelle in Jerusalem, 20.11. 2012 (Foto: Reuters)
Diplomatische Bemühungen: Westerwelle und NetanjahuBild: Reuters

So habe Netanjahu den Krieg für den einsetzenden Wahlkampf nutzen wollen. Er habe es darauf angelegt, die Hamas durch eine gezielte Provokation dazu zu verleiten, Raketen auf Israel zu feuern. "Dadurch konnte er sich als Verteidiger der israelischen Interessen präsentieren. Er wollte diese Chance gezielt nutzen, um daraus für den Wahlkampf Kapital zu schlagen."

Aber auch die Hamas habe von dem Krieg profitiert. Sie habe während der Kämpfe große Unterstützung aus der arabischen Welt, insbesondere aus Katar und Ägypten, erhalten. "Das ließ Hamas von dem Krieg umgehend profitieren."

Wie lange hält die Feuerpause?

Dass sich beide Seiten nun auf eine Waffenruhe einigten, deutet Meyer mit der Furcht beider Parteien, der Krieg könne zu hohe Opfer fordern. Netanjahu habe begriffen, dass seine Landsleute ihn zwar unterstützen, den Einsatz von Bodentruppen aber ablehnen. Dadurch seien die Chancen für eine Waffenruhe stark gestiegen. "Denn aus wahltaktischen Gründen konnte es nicht in Netanjahus Interesse sein, dass es auch auf israelischer Seite zu vielen Toten kommen würde." Außerdem habe er zur Kenntnis genommen, dass große Teile der Weltöffentlichkeit vor einem solchen Einmarsch warnten. Ebenso habe es massiven Druck von Seiten der USA, Israels wichtigsten Partner, gegeben.

Ein ähnliches Kalkül habe auch die Hamas angestellt. Nachdem sie aus großen Teilen der arabischen Welt erhebliche Solidarität erfahren habe, sei sie vor einer weiteren Eskalation der Gewalt zurückgeschreckt - vor allem aus innenpolitischen Gründen: "Hamas hat kein Interesse daran, dass sich das Blatt durch weitere Verluste unter der Zivilbevölkerung noch wenden könnte."

Diese Lage habe die Arbeit der ägyptischen und internationalen Vermittler unterstützt. Zudem, so Meyer, habe die ideologische Nähe zwischen Hamas und Muslimbrüdern Vertrauen geschaffen und es der Hamas erlaubt, den ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi als Vermittler anzuerkennen. Dieser habe sich zugleich den Erwartungen der USA gegenüber gesehen, die Ägypten finanziell massiv unterstützen. Auf dieser Grundlage habe er dann eine Vermittlerrolle übernehmen können. "Er genoss und genießt einerseits das Vertrauen der Hamas, ist zugleich aber durch den Friedensvertrag und die Abhängigkeit von den USA gebunden."

Die Kairoer Vermittler hatten eine mehr als schwierige Aufgabe. Wenig ließe einen so raschen Erfolg vermuten. So dass der nun erzielte Durchbruch nicht weniger als ein kleines diplomatisches Wunder ist.