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Galileo-Satelliten - was nun?

Fabian Schmidt25. August 2014

Zwei europäische Navigationssatelliten sind auf zu niedrigen Umlaufbahnen ausgesetzt worden. Aber sie sind vermutlich trotzdem nicht verloren, sagt ESOC-Missionsleiter Paolo Ferri.

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Satelliten 5 und 6 für das EU-Navigationssystem Galileo (Foto: ESA J. Huart/ dpa)
Sind die Satelliten einmal ausgesetzt, müssen sie mit eigener Kraft ihr Ziel erreichen.Bild: ESA/J. Huart/dpa

Deutsche Welle: Herr Ferri, eine Sojus-Rakete sollte die beiden neuesten Galileo-Satelliten Sat-5 und Sat-6 auf eine Umlaufbahn in über 23.000 Kilometern befördern. Es sind aber nur gut 17.000 Kilometer geworden. Ist so eine Panne für Sie am Europäischen Satellitenkontrollzentrum ESOC ein ungewöhnliches Problem?

Paolo Ferri: Ungewöhnlich kann man nicht sagen. Raketen bringen unsere Satelliten mit Ungenauigkeiten in die Umlaufbahnen. Fast alle Satelliten haben deshalb an Bord die Möglichkeit, die Umlaufbahn zu korrigieren. In diesem Fall ist es natürlich ein sehr großer Unterschied. Aber so etwas passiert - und ist uns auch schon passiert. In so einem Fall benutzt man die Möglichkeiten, die man an Bord hat, um die Umlaufbahn zu verbessern und so nah wie möglich an das Ziel zu kommen.

Reicht denn der Treibstoff der Galileo-Satelliten aus, um eine Kurskorrektur von über 6000 Kilometern Höhe zu vollziehen?

In diesem Fall können wir ausschließen, dass wir mit Treibstoff an Bord die normale Umlaufbahn erreichen. Aber natürlich sind jetzt sehr viele Leute an der Arbeit, die versuchen die sinnvollsten Lösungen zu finden. Es gibt neben der Höhe noch weitere Parameter, die falsch sind: etwa die Neigung oder wie elliptisch die Umlaufbahn ist. Man hat unendlich viele Möglichkeiten, diese Parameter zu ändern. Aber wir wissen schon, dass die ursprünglich geplante Umlaufbahn nicht erreichbar ist - das ist klar.

Um höher zu kommen, bräuchte der Satellit also mehr Energie, als er zur Verfügung hat?

Ja, vergleicht man zum Beispiel zwei Satelliten auf kreisrunden Umlaufbahnen, dann hat der Satellit auf der höheren Umlaufbahn mehr kinetische und potentielle Energie. Um den Unterschied auszugleichen, reicht der Treibstoffvorrat an Bord einfach nicht aus.

Was für Erfahrungen haben Sie denn mit anderen Satelliten, die auf einer falschen Umlaufbahn angekommen sind?

Der Leiter der Satellitenkontrolle im Satellitenkontrollzentrum der Europäischen Weltraumagentur ESA, Paolo Ferri (Foto: DW/ Fabian Schmidt)
ESA-Missionsleiter Paolo Ferri ist zuversichtlich, dass die Satelliten weiterhin nutzbar sein werden.Bild: DW/Fabian Schmidt

Ich kann mindestens drei Fälle nennen, bei denen die Satelliten von der Rakete in einer falschen Umlaufbahn abgeliefert wurden und wir die Antriebe an Bord benutzt haben, um die Umlaufbahn zu korrigieren. In zwei Fällen haben wir wirklich die original geplante Umlaufbahn erreicht. Wir brauchten wir aber viel Zeit, das heißt Monate, um zu der endgültigen Umlaufbahn zu gelangen.

Im dritten Fall - in den 1980er Jahren - ging es um den wissenschaftlichen Astrometrie-Satelliten Hipparcos. Der wurde zwar von der Rakete in die richtige Position gebracht. Aber der Antrieb an Bord, der die elliptische Umlaufbahn in eine kreisförmige hätte verwandeln sollen, hat nicht funktioniert. Also blieb er in der Umlaufbahn, und wir mussten die ganze Mission für die neue Umlaufbahn anders definieren. Am Ende war aber auch diese Mission sehr erfolgreich.

Hier handelt sich ja um Satelliten für das Navigationssystem Galileo. Wenn man sich Animationen von Navigationssatelliten anschaut, die die Erde umrunden, sieht das alles sehr sauber synchronisiert und klar aus: Alle Satelliten fliegen in derselben Höhe und schön symmetrisch. Entspricht dieses Bild überhaupt der Realität?

Nein, beim Beispiel von Galileo haben wir zwei Arten von Satelliten: Vier waren bereits in der Umlaufbahn und jetzt sind noch die zwei neuen dazugekommen. Diese Satelliten sind nicht alle gleich. Auch wenn die bestehende Konstellation älter wird, werden neuere Satelliten ins All geschickt. Sie ersetzen die alten und sind wieder neue Modelle. Auch die Umlaufbahnen ändern sich. Man wählt die Umlaufbahn, die für die neuen Satelliten, die ins All geschickt werden, am besten passt. Aber in einer bestimmten Größenordnung müssen die Satelliten natürlich in einer relativen Entfernung zueinander fliegen, so wie es die Pläne vorsehen.

Abheben der Sojus-Rakete mit den Satelliten Galileo 5 und 6 in Kourou (Foto: EPA/ P. Boudon)
Die Sojus-Rakete hat Galileo Sat-5 und Sat-6 ins All gebracht.Bild: picture-alliance/dpa

Letztlich geht es ja darum, dass die Navigationsgeräte am Boden die Signale der Satelliten richtig interpretieren können. Ändert sich jetzt aber eine Umlaufbahn - kann man dann die Signale der Satelliten so anpassen, dass die Geräte am Boden trotzdem richtig funktionieren?

Im Prinzip schon, aber es ist abhängig von den endgültigen Umlaufbahnen. Nicht jede beliebige Umlaufbahn funktioniert. Das studieren unsere Leute jetzt im Moment. Es gibt einen Bereich für das Sendesignal, den man erreichen muss und der für die Endgeräte akzeptabel ist. Das ist eine komplizierte Analyse und im Moment kann ich nicht sagen, ob die richtige Lösung gefunden werden kann.

Aber die Hoffnung besteht, dass die Navigationsexperten die beiden neuen Galileo-Satelliten am Ende doch nutzbar machen, indem sie die Navigationsfunktionen neu definieren…

Genau, das ist das Ziel der Analysen, die wir jetzt durchführen. Wir wissen, dass die ursprüngliche Umlaufbahn nicht mehr erreicht werden kann, aber es gibt Lösungen: Man kann die Mission dieser Satelliten so definieren, dass sie dann in einer anderen, erreichbaren Umlaufbahn nutzbar sind.

Paolo Ferri ist ESA-Leiter für den Missionsbetrieb am Europäischen Satellitenkontrollzentrum ESOC in Darmstadt.

Das Interview führte Fabian Schmidt.