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Vergiftete Speisen

Frank Sieren21. Februar 2014

Altes Speiseöl und giftiges Blei im täglichen Reis. In China wächst der Berg an Lebensmittelskandalen. Lässt sich das Vertrauen der Chinesen in ihre eigenen Produkte noch retten, fragt sich DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Milchskandal in China Baby Milch Milchpulver
Bild: picture-alliance/dpa

Wenn ein chinesischer Geschäftsmann für einen kurzen Trip nach Deutschland kommt, hat er mit Sicherheit einen Einkaufszettel seiner Bekannten im Koffer: Sie wollen Trockenmilch haben. Die Wellen, die der große Milchpulverskandal vom Jahr 2008 in China geschlagen hatte, haben schon länger die deutschen Supermärkte erreicht. In den hiesigen Drogerien, vor allem rund um die Flughäfen sind die Bestände an Milchersatz oft restlos ausverkauft, denn die Nachfrage in China ist mittlerweile so groß, dass man auf eigene Faust versucht, das begehrte Pulver ins Land zu bringen.

Der chinesischen Babymilch, die seit jenem Vorfall in Verruf geraten war, folgen regelmäßig weitere Produkte auf die rote Liste unbeliebter und gefährlicher Lebensmittel. Immer wieder veröffentlichen die Staatsmedien neue Geschichten: Kleinen Restaurants, wie es sie zuhauf in den Großstädten gibt, wird nachgesagt, altes Speiseöl aus dem Abfluss zu filtern - für den Gebrauch in der eigenen Küche. Eine Untersuchung in der Provinz Guangdong hat gezeigt, dass fast die Hälfte des Reises, der dort verzehrt wird, übermäßig mit Schwermetallen belastet ist. Gesundheitsexperten sind schon so weit zu empfehlen, Reis aus verschiedenen Regionen zu kaufen, damit man dem Körper zumindest unterschiedliche Gefahrenstoffe zuführt und sich nicht übermäßig mit einem einzelnen vergiftet.

Der Fleischverzehr in China bringt ganz eigene Gefahren mit sich. Wer sich einen der beliebten Fleischspieße vom Straßenrand kauft, hat gute Chancen, Ratten- statt Lammfleisch zu essen. Und Schweinefleisch ist oftmals voller Antibiotika und Wachstumshormone, die den Tieren mit ihrem Futter verabreicht werden. Es ist schon ein trauriges Zeichen für die Gastronomie, wenn Restaurants ihren Kunden extra versichern müssen, dass das dort verwendete Fleisch keine gefährlichen Inhaltstoffe enthält.

Vor dem Hintergrund all dieser Geschichten ist es also kein Wunder, dass Lebensmittelsicherheit in China auf der öffentlichen Sorgenskala mittlerweile fast neben dem Ärger über die grassierende Korruption rangiert. Wenn es ums eigene Geld oder die eigene Gesundheit geht, erhitzen sich die Gemüter der Bevölkerung am schnellsten. Das hat auch die Regierung erkannt und will handeln. Deswegen hat Chinas Präsident Xi Jinping nicht nur die neue Antikorruptionskampagne gestartet, sondern auch die Landwirtschaft und Lebensmittelsicherheit auf seine politische Agenda gesetzt.

Frank Sieren
Bild: Frank Sieren

Doch was liegt bei der Nahrungsmittelindustrie im Argen? Falsch geführte Landwirtschaft ist eine der wichtigsten Ursachen. Eine Umfrage der Volksuniversität China hat gezeigt, dass kleinere Bauern, um sich mit ihren Produkten überhaupt am Markt halten zu können, Unmengen an Pestiziden und Düngermitteln verwenden. Damit ihr Gemüse schön aussieht und prächtig gedeiht, mischen sie illegale Zusatzstoffe bei. Nach eigenen Aussagen würden sie selbst diese Produkte niemals essen. Für ihren eigenen Bedarf pflegen sie dann nicht selten eine eigene kleine Gemüseecke. Die großen Betriebe sind aber natürlich auch nicht unschuldig. Monokulturen, mangelnde Hygiene und zu viele Pestizide laugen die chinesischen Ackerflächen aus. Inzwischen ist eine Fläche so groß wie Belgien wegen zu hoher Verschmutzung nicht mehr nutzbar.

Um die Qualität seiner Lebensmittel zu erhöhen, will China also im ersten Schritt die landwirtschaftliche Produktion umstellen, landesweit und flächendeckend. Es fehlen wichtige moderne Technologien, wie etwa zur Bewässerung von Pflanzen oder der Überwachung von Mastvieh. Die ländliche Infrastruktur bedarf großer Verbesserungen. Bauern sollen über alternative Anbaumethoden aufgeklärt werden, damit Ackerflächen von vorneherein nicht übermäßig belastet werden. Möchte man dem Boden stets den größtmöglichen Ertrag abringen, sorgt man nur dafür, dass in Zukunft noch mehr Felder brachliegen. Generell gesagt: China will den Schritt zu einer nachhaltigen Landwirtschaft schaffen, wie es sie in Europa gibt.

Doch klar ist: Einfach wird das nicht. Wichtige Interessengruppen stellen sich gegen die Reformen. Viele Staatsbetriebe fürchten, nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein, wenn sie strengere Auflagen erfüllen müssen. Und auch Farmern im Hinterland muss man erst einmal erklären, dass sie zunächst viel Geld in den Umbau ihrer veralteten Betriebe stecken müssen, um langfristig erfolgreich zu bleiben. Wenn die Regierung ihre Reformen durchsetzen möchte, wird sie ohne harte Strafen und strikte Kontrollen nicht auskommen können.