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Veganes Leben in Deutschland

Isabella Bauer1. November 2013

Schon rund 800.000 Veganer soll es in Deutschland geben - und für die meisten von ihnen ist ihre Ernährung auch ein politisches Statement.

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Buffet im Restaurant Ecco (Foto: Nicole LöhnertDW)
Bild: Nicole Löhnert

Eher unscheinbar ist der kleine Laden mit veganen Lebensmitteln in der Kölner Innenstadt. Mehrere Kühlschränke, einfache Regale und eine Theke machen die Ausstattung des Ladens "Goldene Zeiten" aus.

Von "no cheez" über das vegane "Cowgirl Steak" bis hin zu veganem Hunde- und Katzenfutter findet sich auf kleinem Platz, was die Inhaberin Annette Klietz als "vegane Spezialitäten" vertreibt. Auch wenn das Angebot überschaubar wirkt, gab es diese Vielfalt keineswegs von Anfang an: "Vor zehn Jahren war es noch sehr schwierig, vegane Lebensmittel zu bekommen. Ich hatte zwei Mini-Kühlschränke und vier Regale, und das war das Sortiment, das es gab", erinnert sich die Inhaberin.

Selbst einen Laden zu eröffnen, lag für sie schließlich im eigenen Interesse: "Für mich als Privatperson war es so schwierig, vegane Lebensmittel zu bekommen - und da ich schon immer gerne im Einzelhandel tätig war, war es dann letztlich das Einfachste, ein eigenes Geschäft aufzumachen."

Zum veganen Leben ist sie aus ethischen Gründen gekommen - nicht aus gesundheitlichen, wie sie betont: "Ich bin sicherlich ein Beispiel für einen Veganer, der sich ganz ungesund ernährt. Ich habe mich noch nie gesund ernährt. Mir ist Genuss einfach wichtiger."

"Veganer" als bestellt

Buffet im Restaurant Ecco (Foto: Nicole Löhnert/DW)
Geröstete Kartoffeln im Kürbis: Das Buffet im ECCO bietet Halloweenspezialitäten für VeganerBild: Nicole Löhnert

An erster Stelle steht Gesundheit dagegen auf der Speisekarte des ECCO in der Kölner Südstadt, einem der vielen Restaurants in deutschen Großstädten mit einer eigenen veganen Sparte. Dabei zieht das am belebten Chlodwigplatz gelegene Lokal ein breit gemischtes Publikum an: Zwei ältere Damen diskutieren bei Wasser und Kaffee, einige junge Mütter mit Kindern trinken Latte Macchiato, Arbeitskolleginnen, Pärchen und ältere Zeitungsleser sitzen in dem großzügigen, offenen Raum. Auf einem Flachbildfernseher hinter der Theke laufen Tierreportagen, Pop-Jazz ertönt aus den in die Wände integrierten Lautsprechern.

Betreiberin Nicole Löhnert experimentiert auch selbst gerne in der Küche: "Am meisten Spaß macht es mir, Sachen, die aus dem tierischen Bereich kommen, eins zu eins vegan zu kochen - Schnitzel, Braten, Teewurst, Mettwurst und ähnliches", sagt die vegan lebende Gastronomin. Die veganen Gäste erfreut das breite Angebot. Die anderen essen unwissentlich "veganer" als bestellt. "Ich ersetze hier ganz viele Zutaten durch vegane Lebensmittel und sage es einfach nicht. Wenn wir Mayonnaise machen, ist die immer vegan, genau wie unsere Salate. Wenn Veganer kommen, kann ich ihnen noch andere Gerichte empfehlen - aber ich würde es nicht an die große Glocke hängen, denn dann würden viele Leute sie nicht essen", resümiert Nicole Löhnert. Ihr Ziel: immer mehr vegane Zutaten zu verwenden.

Gemeinschaft mit politischer Note

Auch im Oscar-Romero-Haus in Bonn spielt die vegane Küche eine Rolle. Einmal im Monat kochen diejenigen, die im Projekthaus wohnen oder zu Besuch kommen, vegan - für alle und gegen eine Spende. Überraschend viele Menschen sitzen hinter dem Haus, das man über einen dunklen Weg erreicht. Noch mehr finden sich im spärlich beleuchteten Keller, der offensichtlich auch für Partys genutzt wird. Dort gibt es auch das Essen: Einer der Köche, der sich mit Lutz vorstellt, steht hinter einer Theke und schöpft Eintopf und Nudelsalat auf die ihm entgegengehaltenen Teller. Zum Nachtisch gibt es Früchte.

Schnitzel aus Sojabohnen (Foto: Marius Becker/dpa)
Auch lecker: Schnitzel aus SojabohnenBild: picture-alliance/dpa

Entspannt sitzen die rund 50 Gäste in alten Sesseln und auf Bierbänken und unterhalten sich. Die meisten der 20- bis 40-Jährigen wohnen in der Nachbarschaft und kommen regelmäßig. Wer hier eine Art postmoderner "Jute-statt-Plastik"-Gesellschaft vermutet, liegt gänzlich falsch. Von Markenjeans über den Jogginganzug bis zum Strickpullover ist hier alles vertreten. Gemeinschaft ist das, was die meisten hierher bringt, ergibt eine kurze Umfrage in einer Runde junger Männer. "Ich finde es schön, dass alle hier zusammenkommen und essen und einen schönen Abend haben können, unabhängig vom Geld", sagt einer von ihnen.

Günstig ist das Essen auch deswegen, weil die Zutaten großenteils Lebensmittel sind, deren aufgedrucktes Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist, und die häufig von Läden aus dem Umfeld spendiert werden. Vegan essen viele der Gäste in ihrem Alltag nicht. Gewaltfreiheit und Nachhaltigkeit sind ethische Grundlagen dieser Gemeinschaft. Wer Argumente dafür einbringt, wird gehört. Und veganes Essen gehört dazu.