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"EU will offenen Dialog mit Moskau"

Irina Filatova / Markian Ostaptschuk28. Januar 2014

Die Situation in der Ukraine belastet die Beziehungen zwischen der EU und Russland. Der EU-Vertreter in Moskau, Vygaudas Ušackas, hofft im DW-Gespräch dennoch auf einen offenen Dialog.

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Portrit von Vygaudas Usackas (Foto: Yossi Zamir/Flash90 via Getty Images)
Bild: Yossi Zamir/Flash90/Getty Images

Deutsche Welle: Herr Ušackas, der EU-Russland-Gipfel (28.01.2014) wurde von zwei auf nur einen Tag gekürzt. Ist dies ein Zeichen für eine Verschlechterung der Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union?

Vygaudas Ušackas: Die Änderung des Formats des Gipfels ist ein Zeichen für die Reife unserer Beziehung und den Wunsch, einen offenen Dialog zu führen. Die EU und Russland haben vereinbart, diesen Gipfel anders abzuhalten. Man hat beschlossen, ihn in einem engeren Kreis durchzuführen, um die sich angehäuften Probleme offen diskutieren zu können: von den Meinungsunterschieden bis zu den Handelsbeziehungen und Energiefragen. Russland und die EU sind strategische Partner, zwischen denen es eine Reihe von Widersprüchen gibt, die in einem engen Kreis erörtert werden müssen. Daher wird das Format verschlossener sein. Wir hoffen aber, dass die Diskussion strategischen Charakter tragen und die Richtung für die künftige Zusammenarbeit vorgeben wird. Dazu gehört auch ein neuer Grundlagenvertrag.

Was sind derzeit die größten Meinungsverschiedenheiten und was sind die gemeinsamen Interessen von Russland und der EU?

Gemeinsame Interessen gibt es sehr viele. Wir haben umfangreiche Handelsbeziehungen: Der Warenumsatz zwischen Russland und der EU liegt bei mehr als 340 Milliarden Euro pro Jahr. Die EU ist der größte Handelspartner Moskaus, während Russland für uns der drittgrößte Partner ist. Wir arbeiten sehr eng bei außenpolitischen Fragen zusammen - wenn es zum Beispiel um den Iran, Syrien oder Afghanistan geht. Wir sind strategische Partner im Energiebereich.

Auf der anderen Seite haben wir verschiedene Ansichten, was die Beziehungen zwischen der russischen Regierung und der Zivilgesellschaft angeht. Es gibt einige Probleme beim Handel, die auch seit Russlands Beitritt zur WTO (World Trade Organisation) weiterhin bestehen. Man hat verschiedene Ansichten zur "Östlichen Partnerschaft" der EU, vor allem im Bezug auf die Ukraine. Das sind grundlegend wichtige Fragen, die man bei dem Treffen diskutieren will. Wir hoffen, dass der Gipfel dazu beitragen wird, ein Gefühl von Vertrauen und Verständnis zwischen Russland und der EU wiederherzustellen.

Wie können die EU und Russland gemeinsam zu einer Lösung der politischen Krise in der Ukraine beitragen?

Die Berichte über den Tod von Demonstranten haben uns schockiert. Wir rufen die ukrainischen Behörden auf, alles zu tun, um diesen Konflikt zu beenden. Wir glauben, dass die ukrainischen Behörden eine Verantwortung für die Bürger tragen und ihnen Gehör schenken müssen, um Stabilität und Ordnung im Land aufrecht zu erhalten.

Gleichzeitig treten wir dafür ein, dass die Ukraine nicht unter Druck gesetzt wird bei der Entscheidung, mit wem sie Beziehungen aufbauen möchte. Wir haben gesehen, dass ein solcher Druck während der jüngsten Verhandlungen zwischen der EU und Kiew ausgeübt wurde. Das von der EU initiierte Programm "Östliche Partnerschaft" wurde von unseren Partnern in Russland leider negativ aufgefasst. Unserer Ansicht nach hat sich der Druck, der darauf abzielte, dass Kiew seine Position zur Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU änderte, negativ auf die Beziehungen zwischen der Ukraine und der EU ausgewirkt und zu den inneren Problemen geführt, die wir heute erleben.

Für Moskau und Brüssel ist es wichtig, sich darauf zu verständigen, wie wir mit unseren gemeinsamen Nachbarn - einschließlich der Ukraine - zusammenarbeiten wollen. Es ist wichtig, dass unsere gemeinsamen Nachbarn das Recht haben, ohne unnötige Einmischung und Druck zu entscheiden, wo sie sich integrieren möchten. Aber im Moment ist das Wichtigste, dass die ukrainischen Behörden auf die Meinung der Bürger hören und dass sich die Situation stabilisiert.

Russlands ständiger Vertreter bei der EU, Wladimir Tschischow, sagte kürzlich, Moskau warte auf das politische Signal, wonach die EU bereit sei, die Verhandlungen über einen neuen Grundlagenvertrag wiederaufzunehmen.

Wir erwarten, dass die Teilnehmer des Gipfels die Wiederaufnahme der Verhandlungen über ein neues Abkommen erörtern werden. Wir sind daran interessiert, die Beziehungen mit Russland weiterzuentwickeln, weil Moskau ein wichtiger wirtschaftlicher und politischer Partner für die EU ist.

Wir sind daran interessiert, dass in dem neuen Vertrag zum Beispiel Fragen der weiteren Liberalisierung des Handels sowie eine Verbesserung der Investitionsbedingungen für beide Seiten festgeschrieben werden. Vor einigen Tagen haben wir erste Beratungen über das neue Verhandlungsmandat Russlands durchgeführt. Konkrete Fristen wurden festgelegt, wann wir von der russischen Seite Details zum Mandat erhalten. Wir möchten noch in diesem Jahr die Verhandlungen über einen neuen Vertrag beginnen. Vielleicht wird dies beim nächsten EU-Russland-Gipfel im Juni geschehen.

Gegenseitige Visa-Erleichterungen sind ein weiteres zentrales Thema der Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU. In welchem ​​Stadium befinden sich diese Verhandlungen?

Ende Dezember 2013 habe ich der russischen Seite den ersten Bericht der Europäischen Kommission über die Umsetzung des Fahrplans zur Einführung von Visafreiheit übergeben. Darin werden 39 konkrete Probleme benannt, die unsere russischen Partner lösen müssen, damit die Verhandlungen beginnen können. Gleichzeitig arbeiten wir weiter an der Liberalisierung der Visabestimmungen. Wir hoffen, dass Russland unsere Besorgnis über eine Reihe von Problemen berücksichtigt, die wir schon früher angesprochen hatten: zum Beispiel die Forderung Moskaus nach persönlichen Daten von Flugpassagieren.

Vygaudas Ušackas ist Leiter der EU-Vertretung in Russland. Er ist litauischer Diplomat, Politiker, und ehemaliger litauischer Außenminister.