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US-Einwanderungsreform wird greifbar

Christina Bergmann, Washington2. Februar 2013

In die Bemühungen, illegalen Einwanderern in den USA eine legale Zukunft zu ermöglichen, ist seit der Präsidentenwahl Bewegung gekommen. Die Parteien können es sich nicht leisten, die Latinos zu ignorieren.

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Illegaler Einwanderer bei der Arbeit (Foto: dpa)
Symbolbild Illegale Arbeiter USA MexikoBild: picture-alliance/dpa

"Wir glauben, dass 2013 endlich das Jahr der Einwanderungsreform wird", sagt Julian Teixeira, Pressesprecher des NCLR (National Council of La Raza), der größten Menschenrechtsorganisation für Latinos in den USA. Eine überparteiliche Gruppe von Senatoren und der Präsident haben in der vergangenen Woche unabhängig voneinander Vorschläge gemacht, wie das Einwanderungsrecht reformiert werden kann - und wie aus den illegal im Land lebenden Einwohnern legale Mitglieder der Gesellschaft gemacht werden können. Der NCLR ist "begeistert und glücklich" über die Vorstöße, so Teixeira.

Geschätzte elf Millionen illegale Einwanderer leben in den USA - und acht Millionen davon, dies ist ebenfalls eine Schätzung, sind Latinos. Die meisten von ihnen, so Teixera weiter, lebten seit mehr als zehn Jahren in den USA. Sie arbeiteten, zahlten oft sogar Steuern, aber lebten gleichzeitig immer in der Angst, aufzufallen und abgeschoben zu werden. Deswegen ist es für den NCLR wichtig, dass ihnen eine Reform des Einwanderungsrechts den Weg zur Staatsbürgerschaft aufzeigt. Denn: "Man kann nicht elf Millionen Menschen zu Menschen zweiter Klasse machen."

Umdenken bei den Republikanern

Die Republikaner haben sich in der Vergangenheit immer wieder gesträubt, den "Illegalen" etwa Amnestie zu gewähren. So traten die Reformbemühungen seit Jahren auf der Stelle. Doch bei der jüngsten Präsidentenwahl haben die Latinos gezeigt, welche Macht sie besitzen: Sie wählten mehrheitlich Präsident Obama. Und ihr Einfluss wird größer werden, erläutert Teixeira im Gespräch mit der DW: "In den nächsten 20 Jahren werden 890.000 in den USA geborene Latinos, also US-Staatsbürger, das 18. Lebensjahr vollenden, das sind 890.000 potenzielle neue Wähler." Eine Kraft, die auch die Republikaner nicht mehr ignorieren können - das haben konservative Politiker in beiden Kammern des Kongresses erkannt.

Julian Teixeira, Pressesprecher des National Council of La Raza (Foto: NCLR)
Julian Teixeira, Pressesprecher des National Council of La Raza (NCLR)Bild: NCLR

Doch der Teufel liegt bekanntlich im Detail, und so begrüßen sowohl NCLR als auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch die Vorschläge, weisen aber auf offene Fragen hin. "Wie lange wird der geplante vorübergehende Status der noch illegalen Einwanderer dauern, bevor sie die Staatsbürgerschaft bekommen?", fragt Antonio Ginatta von Human Rights Watch. "Zehn Jahre? Zwanzig Jahre? Oder unendlich, weil die Hürden zu hoch sind?" Der Vorschlag der Senatoren sieht vor, dass die "Illegalen" sich in ihren Visa-Anträgen hinter jene einreihen, die legal ihren Aufenthaltsantrag stellen. Doch ein solcher legaler Antrag kann bereits bis zu 25 Jahren dauern, erläutert Ginatta, weil für alle Länder die gleichen Obergrenzen gelten - auf die Zahl der Anfragen wird keine Rücksicht genommen.

Grenzsicherung nicht mit Einwanderungsstatus verquicken

Der NCLR fordert zudem, dass die Menschen auch während dieser Übergangszeit staatliche Sozialleistungen erhalten können. Und gleichgeschlechtliche Partnerschaften sollen heterosexuellen gleichgestellt sein - etwas, das der Vorschlag des Präsidenten vorsieht, nicht aber der der Senatoren. Außerdem wird kritisiert, dass die illegalen Einwanderer nach dem Vorschlag der Senatoren erst dann einen permanenten legalen Status bekommen sollen, wenn eine noch einzurichtende Kommission erklärt, dass die Grenzen des Landes - vor allem zum südlichen Nachbarn Mexiko - sicher sind. Und auch das könne dauern. Überhaupt wird moniert, dass das Schicksal der bereits im Land lebenden Menschen von der Sicherung der Grenze abhängig gemacht wird, was sich in beiden Vorschlägen findet.

Grenzzaun zwischen den USA und Mexiko (Foto: picture alliance/dpa)
Grenzzaun zwischen den USA und MexikoBild: picture-alliance/dpa

Dabei geht die Annahme, dass vor allem Mexikaner in Massen über die Grenze in die USA strömen, inzwischen an der Realität vorbei. "Die Einwanderung aus Mexiko ist mehr oder weniger zum Stillstand gekommen", erklärt der Wirtschaftsprofessor Jacob Vigdor von der Duke Universität der DW. Wer also nur nach Mexiko schaue, verkenne die tatsächliche Problematik. Denn die USA brauchten Einwanderer - vor allem als Arbeitskräfte, an beiden Enden des Ausbildungsspektrums. Farmarbeiter sind genauso gefragt wie Hightech-Experten. Das Problem derzeit: "Wenn Sie als Ausländer in den USA studieren und einen Abschluss machen, dann bekommen Sie dadurch keine Aufenthaltsgenehmigung." In anderen Ländern sei das anders, und eine Reform müsse sich auch verstärkt dieser Problematik annehmen, fordert Vigdor im Gespräch mit DW.

NCLR und Human Rights Watch weisen darauf hin, dass die Diskussion gerade erst begonnen hat. Human Rights Watch hat am Freitag ein eigenes Diskussionspapier zum Thema vorgestellt, auch die Vorschläge von Präsident und Senat liegen auf dem Tisch. In der kommenden Woche wird sich der Rechtsausschuss des Repräsentantenhauses mit dem Thema Einwanderungsreform beschäftigen. Aus den Vorschlägen muss jetzt ein Gesetzestext erarbeitet werden. Das könnte allerdings sehr schnell gehen, und noch im Frühjahr könnte im Kongress abgestimmt werden. Julian Teixeira sagt, dass das nach all den Jahren kein Problem sei. Man habe so lange gewartet, "da wird es sich auszahlen, wenn wir noch ein bisschen mehr Geduld haben".