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Ursula Nölle - "Lehrerin der Nation"

28. Oktober 2011

Seit 28 Jahren ist Ursula Nölle im Wiederaufbau von Afghanistan tätig. Mit Hilfe ihres Vereins baut die 87-Jährige Schulen und setzt sich für die Bildung ein. Jetzt ist sie für den Deutschen Engagementpreis nominiert.

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Ursula Nölle im Nähkurs mit afghanischen Mädchen (Foto: Ursula Nölle)
Ursula Nölle im Nähkurs mit afghanischen MädchenBild: Ursula Nölle

Für Ursula Nölle sind ihre Engagements für afghanische Schulen das zweite Leben: "Ich habe selber eine große Familie. Ich habe fünf Kinder und dreizehn Enkelkinder und einige Urenkel. Ich bin also definitiv keine frustrierte Frau, die dringend eine Aufgabe braucht." Aber ihre Aufgaben in Afghanistan hätten sie so erfüllt, dass Ursula Nölle das Gefühl hat, sie führt "zwei intensive Leben".

Zweitmutter für ihre Mitarbeiter

Die afghanischen Kollegen schätzen Nölles Arbeit. Auch sie fühle sich stets als Teil von ihnen, so Nölle. "Ich werde von vielen Mitarbeitern 'Mama' genannt. Als ich mich im Frühjahr verabschiedete und sie mich fragten, ob ich im Oktober wieder komme, habe ich entgegnet, dass ich bereits 87 Jahre alt bin. Ich könne ja auch mal krank werden. Dann sagten sie zu mir: 'Du kannst nicht krank werden. Denn in unserer Satdt Andkhoi beten jeden Abend 30.000 Menschen für dich'".

Bildung, das sei für sie die wesentlichste aller Entwicklungsmaßnahmen. Einem orientalischen Land westliche Werte und Demokratie zu überstülpen, sei nicht richtig. "Stattdessen glaube ich, dass Mädchen und Jungen, die lesen, schreiben, rechnen und selbständig denken können, die Zukunft Afghanistans sind". Auf diese Weise wachse eine Generation heran, die eine Veränderung bewirken könne.

Ursula Nölle ermutigt die Kinder in Afghanistan: "Pauken für die Zukunft!" (Foto: Ursula Nölle)
Ursula Nölle ermutigt die Kinder in Afghanistan: "Pauken für die Zukunft!"Bild: Ursula Nölle

Bildung als Lebensauftrag

Auf einer Reise nach Südasien 1983 beschloss Ursula Nölle zum ersten Mal, sich für die Bildung dort einzusetzen. Gemeinsam mit ihrer Tochter besuchte sie damals ein Flüchtlingslager in der pakistanischen Stadt Peschawar. In einer Mädchenschule für Flüchtlinge traf sie auf Schülerinnen und Lehrerinnen – und war sofort fasziniert: "Es hat mich derart bewegt, wie diese Kinder es als Privileg empfanden, Lesen und Schreiben zu lernen". Weil der Schule die finanziellen Mittel auszugehen drohten, hatte Ursula Nölle versprochen, ihr Bestes zu geben, um sie zu unterstützen.

Gesagt, getan! Heute finanziert Ursula Nölle 45 Schulen in Afghanistan. Die Menschen verlassen sich auf Ursula Nölle. Seit 28 Jahren ist sie zweimal im Jahr nach Afghanistan gereist und hat Schulen gebaut. Selbst beim Abzug der Sowjetunion und unter dem Taliban-Regime hat sie nicht aufgehört. "Ich glaube einfach, dass die Schulen eine kontinuierliche Unterstützung brauchen. Man kann nicht zwei Jahre ein Projekt machen und das war es. Es ist ein Geben und Nehmen".

Blühendes Leben dank Bildung

Im Norden Afghanistans hat Ursula Nölle bereits viele Orte wiederaufleben lassen. Die Menschen bekommen nicht nur Bildung, sondern auch eine Beschäftigung und vor allem eine Zukunftsperspektive. Neben dem Aufbau von Ganztagsschulen betreibt sie Berufsschulen für Handwerker, Nähschulen für Mädchen und bietet PC- und Englischkurse an. Außerdem bereitet der Verein afghanische Schulabgänger auf die Aufnahmeprüfung der Hochschulen vor. "Mazar-i-Scharif, Andkhoi, Khanshabar, Karamko, Qurghan", zählt Nölle auf, "das sind Städte, die wirklich florieren. Wir haben die Infrastruktur mitgestaltet, indem wir diese Bildungsangebote eingerichtet haben".

Für ihre Arbeit wurde Ursula Nölle nun für den Deutschen Engagementpreis 2011 nominiert. Sollte sie die Auszeichnung erhalten, will sie die Hälfte des mit 20.000 Euro dotierten Preises für einen guten Zweck spenden. Die andere Hälfte geht an die Familie ihres engsten Mitarbeiters Rahmanqul in Afghanistan. Dieser wurde vor einiger Zeit bei einem Anschlag erschossen. "Die Nominierung gilt nicht allein für mich. Ich denke, dass diese Art von Öffentlichkeitsarbeit auch unseren Projekten hilft".

Die 87-Jährige kann jede Unterstützung gebrauchen. Zwar ist Nölle noch gesund, aber sie weiß auch, dass sie die Aufbauarbeit nicht ewig weiter führen kann. Ursula Nölle bleibt trotzdem kämpferisch: "Ich mache weiter, ich hab immer weiter gemacht".

Autorin: Waslat Hasrat-Nazimi

Redaktion: Hao Gui