1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Unsichere Zukunft für Uni-Absolventen

Yan Jun24. April 2015

In diesem Sommer werden rund 7,5 Millionen chinesische Uni-Absolventen auf den Arbeitsmarkt strömen. Bei geringerem Wirtschaftswachstum ist der Konkurrenzkampf besonders hart. Aber Not macht erfinderisch.

https://p.dw.com/p/1FEGc
Studierende in Nanning feiern ihren Abschluss im akademischen Gewand (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Chinas Hochschulabsolventen haben es nicht leicht. Um überhaupt einen Studienplatz zu ergattern, mussten die meisten viele Jahre lang von morgens um sieben bis Mitternacht fast ununterbrochen pauken. Nach dem Studium sieht es für viele nicht besser aus. Sie müssen um Jobs kämpfen und sich gegen Millionen von Konkurrenten durchsetzten.

Laut einer aktuellen Studie der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften lag die Arbeitslosenquote von Hochschulabsolventen 2014 bei knapp 18 Prozent. Offiziell liegt die allgemeine Arbeitslosenquote in China zwischen vier und 4,3 Prozent. Auf Chinas Regierung wartet also eine große Herausforderung, wenn dieses Jahr rund 7,5 Millionen Uni-Absolventen auf den Arbeitsmarkt strömen.

Studierende an der Wirtschaftsuni in Nanjing stellen sich für einen Platz im Lesesaal an (Foto: picture-alliance/dpa)
Studierende an der Wirtschaftsuni in Nanjing stellen sich für einen Platz im Lesesaal an, wo sie sich aufs Examen vorbereitenBild: picture-alliance/dpa/W. Luxian/ChinaFotoPress

Faule Studenten?

Wirtschaftsprofessor Huang Zemin von der "East China Normal University" in Shanghai verweist darauf, dass viele selbsternannte Hochschulen keine staatlich anerkannten Universitäten sind, die dort gemachten Abschlüsse würden bei potentiellen Arbeitgebern entsprechend wenig zählen. Er kritisiert auch die Einstellung der Hochschulabsolventen. "Viele von ihnen scheuen große Anstrengungen", sagt Huang Zemin gegenüber der Deutschen Welle. "Sie bleiben nach dem Studium einfach zu Hause. Anstatt sich um einen Job zu kümmern, leben sie lieber auf Kosten der Eltern."

In den vielen Großstädten Chinas gebe es eigentlich genügend offene Stellen, so der Shanghaier Professor. Die Zeitschrift "Economist" berichtet, dass in China 2014 13,2 Millionen neue Jobs in den Ballungszentren geschaffen wurden, "soviel wie nie zuvor".

Professor Huang Weiping von der Pekinger Volksuniversität sieht die Situation ähnlich. Die Produktivität der chinesischen Arbeitskräfte im Vergleich zur Lohnentwicklung sei in den letzten Jahren immer schlechter geworden. Insgesamt "sind die Arbeiter immer fauler geworden", so das drastische Fazit des Arbeitsmarktexperten Huang.

Hörsaal der Tongji-Universität bei Shanghai (Foto: picture-alliance/dpa/O. Spata)
Noch Plätze frei - Studenten an der traditionsreichen Tongji-Universität bei Shanghai, die auf eine deutsche Gründung von 1907 zurückgehtBild: picture-alliance/dpa/O. Spata

Entscheidende Rolle der familiären Netzwerke

Informatikstudent Wang Ting aus Peking gehört auf keinen Fall zu den Faulen und scheut auch keine Mühe, um einen Job zu finden. In knapp 100 Tagen wird er an seiner Universität die Abschlussurkunde als Bachelor entgegennehmen. Bereits jetzt besucht er die zahlreichen Jobmessen, bisher mit eher enttäuschenden Ergebnissen.

Als Sohn einer alleinerziehenden Mutter aus einfachen Verhältnissen hat er schlechte Chancen auf eine vielversprechende Stelle. Denn in China läuft vieles über die Netzwerke der Eltern. Kämpfe der Absolventen um einen guten Job sind häufig die "Kämpfe der Netzwerke und guten Verbindungen der Väter", die am Ende über einen Erfolg oder Misserfolg bei der Jobsuche entscheiden, erzählt Wang der DW. Im Internet liest man zahlreiche Kommentare, die diese Verhältnisse und Abhängigkeiten von den Netzwerken der Eltern an den Pranger stellen.

Die Führung in Peking weiß sehr genau, dass 1989 die Hochschulstudenten die treibende Kraft der Demokratiebewegung waren. Vor diesem Hintergrund ist Unzufriedenheit unter den Uni-Absolventen für die Regierung in Peking politisch brisant. Vetternwirtschaft war auch damals einer der Hauptkritikpunkte der Studentenbewegung.

Besucher einer Jobbörse im ostchinesischen Hefei (Foto: STR/AFP/Getty Images)
Besucher einer Jobbörse im ostchinesischen HefeiBild: STR/AFP/Getty Images

Ausbau der Studienplätze war gewollt

Dabei ist die Akademikerschwemme auch das Ergebnis politischer Planung der chinesischen Führung. Um hohe Arbeitslosigkeit und soziale Unruhen zu vermeiden, wurde seit 1999 die Anzahl der Studienplätze massiv erhöht, die Zahl der Studierenden stieg zwischen 1998 und 2005 um mehr als das Vierfache. Seitdem haben viele Hochschulabsolventen Jobs angenommen, für die sie eigentlich überqualifiziert sind.

Und die Lage sieht für die diesjährigen Uni-Absolventen nicht viel besser aus. Laut chinesischen Staatsmedien machen die rund 7,5 Millionen Uni-Absolventen, die diesen Sommer auf den Arbeitsmarkt strömen werden, ungefähr die Hälfte der gesamten neu hinzukommenden Arbeitskräfte aus.

Sicherheit im Börsenboom?

Der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang hält die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt für eine größere soziale Gefahr als das gedrosselte Wirtschaftswachstum. Durch die Senkung der Zinsen und die lockere Geldpolitik pumpt zurzeit der chinesische Staat Milliarden in den Geldmarkt, damit Unternehmen wieder Kredite aufnehmen und ihre Geschäftsaktivitäten hochfahren. Dadurch sollten eigentlich der Arbeitsmarkt belebt und neue Jobs geschaffen werden. Doch sieht die Realität anders aus.

Die riesige Menge an freigewordenem Kapital wird in den chinesischen Aktienmarkt investiert anstatt in neue Jobs. In den vergangenen sechs Monaten hat sich der Aktienmarkt in China fast verdoppelt, die Börse in Shangahi war im April der weltweit größte Handelsplatz, wie Reuters berichtet. Informatikstudent Wang aus Peking reagiert auf diese Entwicklung und hat schnell umgeschaltet. Wie viele seiner Kommilitonen kauft er jetzt Aktien mit dem Ersparten seiner Mutter. So hofft Wang, sich ein finanzielles Polster für arbeitslose Zeiten zu verschaffen. Ob dieser Weg am Ende eine sichere Zukunft verspricht, weiß auch er nicht.