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Unklare Haltung zum Mali-Einsatz

Chamselassil Ayari7. Februar 2013

Bisher haben nur wenige arabische Staatschefs eindeutig Position zum Militäreinsatz in Mali bezogen. Gerade für die Nachbarstaaten steht einiges auf dem Spiel. Der Anschlag in Algerien war die erste Quittung.

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In this photo taken on Monday, Jan. 28, 2013, provided by the French Army Communications Audiovisual office (ECPAD) and released Tuesday Jan. 29, 2013, a French soldier guards the Timbuktu airport, in northern Mali. Backed by French helicopters and paratroopers, Malian soldiers entered the fabled city of Timbuktu on Monday after al-Qaida-linked militants who ruled the outpost by fear for nearly 10 months fled into the desert, setting fire to a library that held thousands of manuscripts dating to the Middle Ages.(Foto:Arnaud Roine; EMA-ECPAD/AP/dapd)
Mali Frankreich französische Truppen am Flughafen von TimbuktuBild: dapd

Die wenigsten arabischen Staats- und Regierungschefs äußern sich mit klaren Worten zum französischen Militäteinsatz in Mali. Eine Ausnahme ist der ägyptische Präsident Mohammed Mursi. Das französische Vorgehen werde einen neuen Krisenherd schaffen, der den arabischen Norden von den afrikanischen Nachbarn im Süden trenne, sagte Mursi.

Die Position Algeriens, des größten direkten Nachbarland Malis, ist schon weniger eindeutig. Zwar bekräftigten Präsident Abdelaziz Bouteflika und Premierminister Abdelmalek Sellal, dass sie ein militärisches Eingreifen in Mali ablehnten und eine politische Lösung des Konflikts vorzögen.

Algerien erlaubte Luftraumnutzung

Für die Bombardierung von Zielen im Norden Malis erlaubte Algerien seiner früheren Kolonialmacht Frankreich aber die Nutzung seines Luftraums. Das bescherte dem Land - so zumindest argumentieren die Täter - eine blutige Racheaktion: Mitte Januar brachten Dutzende bewaffnete Extremisten eine Gasförderanlage im südalgerischen In Amenas unter ihre Kontrolle und nahmen zahlreiche ausländische Mitarbeiter als Geiseln.

Fernsehbild von Geiseln mit erhobenen Händen (Foto: Reuters/Ennahar TV)
Nach dem Geiseldrama in Algerien drohten die Islamisten mit neuer GewaltBild: REUTERS/Ennahar TV

Der Bitte der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, Truppen nach Mali zu schicken, wollte Algerien indes nicht nachkommen. Die Angst vor einem neuerlichen Ausbruch eines Bürgerkriegs zwischen Militär und radikalen Islamisten, dem in den 1990er Jahren mehr als 100.000 Menschen zum Opfer fielen, ist in im Land noch allgegenwärtig.

Politisches und wirtschaftliches Kalkül

Der arabische Terrorismus-Experte Hassan Abu Hania erkennt in der algerischen Haltung politisches Kalkül: Einerseits wolle die Regierung die eigene Bevölkerung nicht gegen sich aufbringen, andererseits wolle sie es sich nicht mit Frankreich verderben.

Die Führung in Algier halte Paris allerdings vor, mit militärischer Macht eigene wirtschaftliche Interessen in Afrika zu verteidigen, um sich zum Beispiel den Zugriff auf die Uranproduktion im Niger und das Erdgas in Algerien zu sichern. Im Norden Malis würden Bodenschätze wie Uran und Gold vermutet.

Angst für Islamisten in Mauretanien

Ähnlich wie Algerien verhält sich Mauretanien, das eine rund 2400 Kilometer lange Grenze mit Mali teilt. Der mauretanische Präsident Mohamed Ould Abdel Aziz sagte vor wenigen Wochen, sein Land sei nicht bereit, sich an einem Krieg gegen die islamischen Extremisten im Norden Malis zu beteiligen. Dabei betonte er, dass "die Mauretanier eine militärische Intervention unter Führung der ECOWAS-Staaten in Nord-Mali ablehnen" - ohne dabei aber explizit auf die französische Intervention Bezug zu nehmen.

Fachmann Abu Hania weist darauf hin, dass Mauretanien selbst kein stabiles Land sei. Die Regierung in Nouakchott fürchte, dass die Extremisten, wenn sie aus Nord-Mali vertrieben würden, nach Mauretanien kämen und sich der Konflikt auf ihr Land ausdehne, sagt Abu Hania.

Mali-Krise ist Folge des Bürgerkriegs in Libyen

"Die Krise in Mali ist Folge dessen, was in Libyen passiert ist", erklärt Maghreb-Experte Werner Ruf im Gespräch mit der DW. Seit dem Ende des dortigen Bürgerkriegs verfalle der libysche Staat. Es fehlten immer noch eine starke nationale Armee und eine durchsetzungsfähige Zentralregierung. Modernste Waffen aus den Beständen der libyschen Armee überschwemmten die Märkte der Region.

Prof. Dr. Werner Ruf, Professor für Internationale und intergesellschaftliche Beziehungen und Außenpolitik (Foto: 2008 Tanja Hochreuther)
Maghreb-Experte Werner RufBild: 2008 Tanja Hochreuther

Während der Kämpfe in Libyen wurden zahlreiche Waffendepots geplündert. Die Beute wurde Berichten zufolge in andere Länder der Region geschmuggelt und gelangte in die Hände verschiedener extremistischer Gruppierungen, darunter Al Kaida im islamischen Maghreb.

Künstliche Grenzen und Bedeutung der Stämme

Auch wenn der Sturz des langjährigen Diktators Muammar al-Gaddafi erst durch den Nato-Militäreinsatz möglich wurde, fürchten viele Libyer, dass sich durch die westliche Intervention im Nachbarland Mali die ohnehin schlechte Sicherheitslage im Land weiter verschlechtert. Hinzu kommt ein weiteres Problem: Die Grenzen sind schwer kontrollierbar, zumal die Bevölkerung sich dem Stamm gegenüber loyal fühlt und nicht dem Staat.

"Die Grenzen zwischen den Staaten der Sahelzone und des Maghreb sind künstlich auf der Kongo-Konferenz 1884 in Berlin gezogen worden und haben mit den Ethnien dort nichts zutun", sagt Werner Ruf. Gemeint ist hier insbesondere die Volksgruppe der Tuareg, die im Norden Malis mit der islamistischen Tuareg-Bewegung Ansaru-Eddine und den Tuareg-Rebellen der Nationalen Bewegung der Befreiung von Azawad (MNLA) Unruhe stiften. Hierbei handelt es sich um eine Berber-Volksgruppe, deren Siedlungsgebiet sich traditionell über Mali, Süd-Algerien, Libyen, Niger und Burkina Faso erstreckt.

Folglich war es nicht verwunderlich, dass der libysche Regierungschef Ali Zidane sagte, dass sein Land für eine politische Lösung der Mali-Krise und den Dialog zwischen den Konfliktparteien stehe.

Sicherheitsprobleme in Tunesien

Schwierig ist auch die Position Tunesiens. Übergangspräsident Moncef Marzouki sagte in einem TV-Interview Mitte Januar, dass die Situation in Mali auch ein Sicherheitsrisiko für sein Land darstelle.

Tunesien sei eine Art Transitland für Waffenschmuggel zwischen Libyen und dem Norden Malis geworden. Zudem gebe es einige gewaltbreite Dschihadisten im Land, die direkte Beziehungen mit den islamischen Extremisten im Norden Malis unterhielten. Tatsächlich wurden vor wenigen Wochen im Süden Tunesiens nahe der libyschen Grenze zwei größere Waffenlager entdeckt.

Dennoch ist die Übergangsregierung, deren Mitglieder mehrheitlich der islamischen Ennahda-Partei angehören, gegen eine französische militärische Intervention in Mali. Und sie ist in Tunesien derzeit tonangebend.