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CDU/CSU zur Migration

Nastassja Steudel10. Dezember 2014

"Narrisch" und "respektlos": Der Leitantrag der CSU zur Deutschpflicht für Migranten ist mehr als umstritten. Bei der CDU sind Einwanderungsthemen auch heiße Eisen. Der Union fehlt es an Konsens.

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Angela Merkel in Greifswald
Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Schon kurz nachdem Auszüge aus dem Entwurf heraus gekommen waren, distanzierte sich CDU-Generalsekretär Peter Tauber auf seiner Facebook-Seite von der CSU. Er sei der Meinung, dass es die Politik nichts angehe, ob er daheim lateinisch, klingonisch oder hessisch rede, schrieb der Politiker. Tauber bezog sich damit auf eine Passage aus einem Leitantrag der Schwesterpartei zum Thema Migration. Darin hieß es: "Wer dauerhaft hier (in Deutschland) leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen."

Taubers Parteikollege, der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach, äußerte sich hingegen zustimmend. In einem Interview mit der Zeitung "Bild am Sonntag" sagte Bosbach, Sprachkenntnisse seien für die Integration von überragender Bedeutung: "Deshalb ist es wichtig, dass mit Kindern auch zu Hause Deutsch gesprochen wird." Die CSU schwächte ihren Antrag mittlerweile ab auf die Formulierung, man wolle Zuwanderer motivieren, "im täglichen Leben deutsch zu sprechen".

Konservative Gestimmtheit von Migranten als Chance für die Union

Zuwanderung und Integration - gerade bei diesen Themen offenbarte sich, wie uneins die Union und besonders die Christdemokraten innerhalb der eigenen Reihen sind. Vor allem der wert-konservative Flügel der CDU versuche bis heute, die Realität ein Stück weit zu verdrängen, sagt Tilman Mayer. Der Politikwissenschaftler an der Universität Bonn stellt fest: "Da hat sich in den letzten Jahren eigentlich wenig geändert." Man sei in diesem Teil der CDU nicht bereit, die tatsächliche Entwicklung in Deutschland hinzunehmen.

Tilman Mayer, Professor für Politikwissenschaften an der Uni Bonn (Foto: Privat)
Mayer: "Signale einer Annäherung an das Migrationsgeschehen erkennbar"Bild: Tilman Mayer

Das sei ein großer Verlust für die Union, warnt Mayer, denn viele Migranten muslimischer Herkunft hätten eigentlich eine konservative Disposition, die viel besser zur CDU/CSU als zur SPD oder den Grünen passe. Man müsse die Leute nur abholen: "Es gäbe eine neue Chance, wenn es gelingen würde, die in Deutschland lebenden Migranten in ihrer konservativen Gestimmheit sichtbar zu machen - gerade für den konservativen Flügel der Union." So könne es einen "ganz eigenartigen Brückenschlag" geben. Um aber diese Form der Integration hinzubekommen, müsse vor allem die Parteiführung noch einiges leisten, erläutert der Politikwissenschaftler: "Da waren bisher Gräben erkennbar. Die versucht man jetzt ein bisschen zuzuwerfen. Das braucht aber Zeit."

Migrationsthemen treffen nicht überall auf Gegenliebe

Schaut man sich die Zusammensetzung der CDU-Bundestagsfraktion an, so lassen sich durchaus Signale einer Annäherung an das Thema "Einwanderung" feststellen. Bei der Bundestagswahl im September 2013 gewannen acht Abgeordnete mit einem sogenannten Migrationshintergrund Mandate. Bis dahin konnte das nur ein CDU-Abgeordneter von sich sagen. Auch die Tatsache, dass sich der Generalsekretär kürzlich im Rahmen eines Kongresses mit Migranten getroffen habe, gehöre zu diesen Öffnungstendenzen, so Tilman Mayer. "Das bringt zum Ausdruck, dass man hier zu neuen Ufern aufbricht und beginnt, die Distanz abzubauen, die man früher bei der Union beobachtet hat."

Die CDU-Politikerin Cemile Giousouf auf der Konferenz zum Thema Zugewandert - Angekommen?! Foto:Lukas Schulze/dpa
Union und Integration? Die Bundestagsabgeordnete Cemile Giousouf hat deutsch-türkische WurzelnBild: picture-alliance/dpa/Lukas Schulze

Diese Entwicklung stößt allerdings nicht überall in der CDU auf Gegenliebe."Es gibt eine mehr linke und eine mehr konservative CDU", so der Bonner Politikwissenschaftler. Gerade bei der Letzteren gäbe es nach wie vor Vorbehalte, Thema Migration ernst zu nehmen. "Man versucht noch etwas, um diese Herausforderungen drumherum zu kommen." Je älter die Mitglieder seien, desto stärker ließe sich das feststellen.

AfD bietet konservativen CDU-Wählern Alternativen

Bis Anfang vergangenen Jahres hätte das wahrscheinlich niemandem Kopfschmerzen bereitet. Der konservative Flügel der Christdemokraten verlor immer mehr an Einfluss. Dann aber tauchte plötzlich rechts von der CDU die AfD (Alternative für Deutschland) auf. Dort fühlten sich plötzlich all jene heimisch, denen die Union zu liberal geworden war, gerade in Sachen Einwanderung und Integration. Mit einem Mal rückte dieser Teil der Union wieder in den Fokus der Parteiführung. Es ging um machtpolitische Betrachtungen. "Wenn die konservativen Kräfte in der CDU gestärkt werden, würde das dazu führen, dass außerhalb der Union weniger zu holen ist", so Tilman Mayer. Die Vernachlässigung des ur-christdemokratischen Flügels gehe seitdem zurück. Von Seiten der Bundeskanzlerin Angela Merkel komme aber wenig Unterstützung.

Bei seiner Bewerbungsrede als CDU-Generalsekretär im April diesen Jahres kündigte Peter Tauber an, die Christlich Demokratische Union (CDU) wolle "die Union für Zuwanderer" werden. Acht Monate später auf dem Parteitag kommen Migranten in zwei Varianten vor: als gut ausgebildete Fachkräfte und als potenzielle Terroristen.