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Orban wehrt sich

2. Juli 2013

Ungarns Ministerpräsident hat im EU-Parlament in Straßburg die umstrittenen Verfassungsänderungen in seinem Land verteidigt. Kritik der Abgeordneten wies Orban als voreingenommen und rein politisch motiviert zurück.

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Ungarns Regierungschef Viktor Orban (Foro: Reuters)
Bild: Reuters

Ein vom Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments kürzlich angenommener Bericht zu Ungarn sei "zutiefst ungerecht und beleidigend", sagte Viktor Orban vor dem Plenum der EU-Volksvertretung in Straßburg. Sein Land kämpfe gegen jene, die seine Freiheit einschränken und aus dem Land eine "Kolonie" machen wollten. Der Regierungschef hatte schon im Vorfeld der Debatte auf die Zweidrittelmehrheit verwiesen, mit der sein FIDESZ-Partei Ungarn regiere. Orban war zuletzt mit einem Vergleich der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Nazi-Diktator Hitler unangenehm aufgefallen.

Er mache sich keine Illusionen zu der am Mittwoch geplanten Plenarabstimmung über den Bericht, sagte Orban weiter. "Die Linken, Liberalen und Grünen werden gegen Ungarn stimmen." In dem von dem portugiesischen Grünen Rui Tavares verfassten Dokument greift das Europaparlament Kritik der Venedig-Kommission des Europarats auf, der renommierte Verfassungsrechtler angehören. Das Gremium hatte kürzlich die zahlreichen Verfassungsänderungen in Ungarn als Gefahr für die Demokratie bezeichnet. Allein in der 4. Verfassungsänderung vom Januar dieses Jahres gibt es den Experten zufolge 19 Punkte, die rechtsstaatliche Grundsätze gefährden.

EU-Parlament fordert Überwachungsmechanismus

Mit der Verfassungsnovelle waren vor allem die Rechte des Verfassungsgerichtes eingeschränkt worden. So darf dieses Gremium künftig Gesetze nicht mehr auf inhaltliche sondern nur noch auf formale Rechtmäßigkeiten überprüfen. Zudem dürfen sich die Verfassungsrichter bei ihren Urteilen nicht mehr auf Entscheidungen berufen, die sie vor dem Inkrafttreten der neuen Verfassung im Januar 2012 getroffen hatten. Andere Bedenken gelten der Einschränkung der Meinungsfreiheit, der Definition von Familie oder dem Aufenthaltsrecht von Obdachlosen.

In dem Bericht wird außerdem die Einrichtung einer ständigen Kommission gefordert, welche die sogenannten Kopenhagener Kriterien der EU für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit überwachen soll. Sie soll nach dem Willen des Europaparlaments den Artikel 7 des EU-Vertrags ergänzen, der Sanktionen für Länder vorsieht, die dauerhaft gegen die Grundwerte der EU verstoßen. Ihnen kann das Stimmrecht im Ministerrat entzogen werden. Orban wies diesen Vorschlag eines Überwachungsmechanismus umgehend zurück. Es sei eine gefährliche Entwicklung für Europa, wenn ein Mitgliedsstaat der EU "unter Vormundschaft" gestellt werde, sagte er.

EU-Kommission bricht ein

Um einem Mitgliedsland das Stimmrecht zu entziehen, ist allerdings die Zustimmung aller anderen EU-Staaten notwendig. In der Praxis wurde dieser Artikel noch nie aktiviert. Und wird es wohl auch im Falle Ungarns nicht. Denn Orbans Partei FIDESZ gehört wie etwa die deutsche CDU zur Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei. Deren Abgeordnete teilen die Meinung Orbans, dass Sorgen über Verstöße Ungarns gegen europäische Grundwerte rein politisch motiviert seien.

Auch die EU-Kommission lenkt ein. Hatte sie zuvor noch mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet, verwies Kommissionspräsident José Manuel Barroso nun auf die jüngsten einlenkenden Erklärungen aus Ungarn. So soll die Vollmacht der von der Regierung ernannten Präsidentin des Landesjustizamtes, Fälle beliebig an Gerichte zuzuweisen, wieder aus dem Grundgesetz genommen werden. Auch eine Passage, die vorsieht, dass Geldstrafen des Europäischen Gerichtshofs durch neue Steuern aufgebracht werden können, soll nicht in der Verfassung bleiben.

gmf/SC (afp, dpa, arch.)