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Verantwortlich für Mord und Folter

29. Mai 2013

Sie sollen in den 1990er Jahren Muslime in Bosnien-Herzegowina ermordet, vergewaltigt und terrorisiert haben. Nun wurden sechs bosnische Kroaten wegen Kriegsverbrechen zu langen Haftstrafen verurteilt.

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Milivoj Petkovic (Zweiter von rechts) und Slobodan Praljak, Mitte betreten den Gerichtssaal in Den Haag (Foto: AP)
Bild: picture alliance/AP Photo

Das UN-Kriegsverbrechertribunal zum früheren Jugoslawien verurteilte die sechs ehemaligen hochrangigen bosnischen Kroaten zu bis zu 25 Jahren Gefängnis. Das Gericht in Den Haag befand die sechs Männer, darunter den politisch Hauptverantwortlichen Jadranko Prlic, für schuldig, in den Jahren 1991 bis 1994 in Bosnien-Herzegowina schwere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben.

Die von Prlic angeführte Miliz in der damals selbsterklärten bosnisch-kroatischen Republik Herceg-Bosna habe Morde, Vergewaltigungen und Vertreibungen von Muslimen und Nicht-Kroaten begangen. Der heute 53-jährige ehemalige Regierungschef habe damals insbesondere die Macht über die Internierungslager gehabt, sagte Richter Jean-Claude Antonetti. Dort habe es schwere Misshandlungen der Häftlinge gegeben.

Muslime als "menschliche Schutzschilde"

Diese Verbrechen seien nicht willkürlich von einigen Soldaten begangen worden, betonte Antonetti. "Im Gegenteil, sie waren das Ergebnis eines Plans, die muslimische Bevölkerung aus Herceg-Bosna zu vertreiben." Die "ethnische Säuberung" hatte damals international für Entsetzen gesorgt und war mit ein Anlass für die Errichtung des Tribunals durch den Weltsicherheitsrat 1993.

Der Anführer der bosnischen Kroaten im Bosnien-Krieg, Jadranko Prlic vor Gericht in Den Haag (Foto: EPA)
Jadranko Prlic war laut Urteil der politisch Hauptverantwortliche für die KriegsvebrechenBild: picture-alliance/dpa

Muslime wurden demnach nachts aus ihren Häusern geholt, Frauen und Mädchen vergewaltigt. "Drei Mädchen waren acht, zehn und dreizehn Jahre alt," sagte der Richter. Darüber hinaus seien Muslime als "menschliche Schutzschilde an der Front" eingesetzt worden.

Zusammen mit den fünf anderen sei Prlic außerdem für die Zerstörung der historischen Brücke von Mostar verantwortlich, die ein Symbol für die Verwüstungen im Krieg von 1992 bis 1995 wurde, als der Staat Jugoslawien zerbrach.

200.000 Menschen starben im Krieg

Äußerlich unbewegt nahmen die sechs Männer die Urteile entgegen. Bruno Stojic, der damalige Verteidigungschef, schüttelte ungläubig lachend den Kopf. Er muss für 20 Jahre ins Gefängnis. Das ist auch die Strafe für den ehemaligen hohen Offizier Slobodan Praljak (Artikelbild Mitte) und den Armee-Chef Milivoj Petkovic. Valentin Coric und Berislav Pu¨ic, beide ehemalige hohe Offiziere der Militärpolizei, müssen für 16 beziehungsweise 10 Jahre in Haft.

Die damalige kroatische Führung unter dem nationalistischen Präsidenten Franjo Tudjman hatte die bosnischen Kroaten in ihrem Kampf für eine Anbindung der überwiegend von Kroaten bewohnten Gebiete Bosniens an Kroatien unterstützt. Auch Tudjman wurde vom Tribunal erstmals öffentlich Beteiligung an diesen Kriegsverbrechen angelastet.

Die einseitig ausgerufene Republik Herceg-Bosna wurde international nicht anerkannt. Der Bosnien-Krieg (1992-1995) kostete 200.000 Menschen das Leben.

Über 160 Anklagen wegen Kriegsverbrechen

Das UN-Kriegsverbrechertribunal für das frühere Jugoslawien wurde vor zehn Jahren vom UN-Sicherheitsrat gegründet, um die Hauptschuldigen für Verbrechen in den Kriegen im früheren Jugoslawien in den 1990er Jahren zu verfolgen. Es war das erste internationale Tribunal nach Ende des Zweiten Weltkrieges.

Das Gericht klagte bereits 161 Personen wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord an, darunter eine Frau. 36 Prozesse wurden abgeschlossen. 69 Angeklagte wurden verurteilt und 18 freigesprochen.

28 Angeklagte befinden sich noch in Haft, unter ihnen der ehemalige Serbenführer Radovan Karadzic und sein Armeechef Ratko Mladic. Sie werden unter anderem des Völkermords in Srebrenica 1995 beschuldigt. Die letzten Prozesse sollen 2016 abgeschlossen sein.

GD/qu (dpa, afp)