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"Wir sind dabei, unsere Kräfte zu verstärken"

Dirke Köpp25. Februar 2014

Im Ostkongo kämpfen Soldaten der MONUSCO gegen Rebellen. Es ist die größte und teuerste Friedensmission der UN. Ihr Chef, der Deutsche Martin Kobler, spricht im DW-Interview über Fortschritte und Probleme.

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MONUSCO-Chef Martin Kobler spricht im DW-Studio in ein Mikrofon (Foto: Matthias Müller/DW).
Bild: DW/M. Müller

DW: Herr Kobler, vor einem Jahr haben sich elf afrikanische Länder im Abkommen von Addis Abeba verpflichtet, die Konflikte in der Demokratischen Republik Kongo zu beenden. Welche Bilanz ziehen Sie heute?

Martin Kobler: Es gibt eine ganz neue Dynamik. Das Abkommen von Addis Abeba ist einer der Gründe, wieso die Menschen jetzt spüren, dass es mit dem Kongo vorangeht: politisch, wirtschaftlich und was gute Regierungsführung anbelangt. Das Abkommen von Addis Abeba vor einem Jahr war der entscheidende Schritt, dass sich die Regierungen im Kongo selbst und in der Region, aber auch international zu bestimmten Dingen verpflichtet haben. Und das wird verifiziert. Besonders meine Kollegin Mary Robinson, die UN-Sonderbeauftragte für die Region der Großen Seen, ist dabei sehr aktiv.

Wie beurteilen Sie dabei die Rolle Ruandas? Das Nachbarland gilt als einer der Hauptakteure im Konflikt im Ostkongo. Beispielsweise wurde Ruanda immer wieder unterstellt, Milizen im Kongo zu finanzieren.

Wir sprechen oft über die Interventionsbrigade der MONUSCO und über die Wiederherstellung staatlicher Autorität. Aber das alles geht natürlich nicht, wenn nicht die Länder in der Region beteiligt sind und eine positive, eine konstruktive Rolle spielen. Alle müssen sich an die regionalen Verpflichtungen im Abkommen von Addis Abeba halten. Es ist ganz wichtig, dass sich die Länder in der Region der Großen Seen konstruktiv am Friedensprozess beteiligen.

Und hält sich denn Ruanda an das Abkommen von Addis Abeba?

Ich bin in ständigem Kontakt mit der Regierung in Ruanda. Alle bemühen sich ernsthaft, die Chancen des Abkommens zu nutzen. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, Ruanda positiv einzubeziehen. Es ist ganz wichtig, alle Länder der Region zu überzeugen, dass die Stabilität im Osten des Kongo wichtig ist, weil jedes Land von dieser Stabilität nur profitieren kann.

Im November 2013 hat der Sieg über die M23-Miliz im Kongo weltweit Schlagzeilen gemacht. Inzwischen haben Sie aber auch selbst schon gesagt, dass die M23 versucht, sich neu zu formieren. Sind die Rebellen denn weiterhin ein Sicherheitsrisiko im Kongo - oder könnten sie es wieder werden?

Die M23 ist im Augenblick nicht unser Problem. Es gab in der Tat vor einigen Wochen Anzeichen von Neurekrutierungen durch die M23. Das haben die UN-Sondergesandte für die Region der Großen Seen, Mary Robinson, und ich als UN-Sondergesandter für den Kongo auch klar gesagt. Aber das ist derzeit nicht unser Schwerpunkt. Die Rebellen der M23 sind jetzt in Lagern in Uganda und in Ruanda, und sie müssen eingegliedert werden. Die Erklärungen von Nairobi müssen umgesetzt werden (Anmerkung der Redaktion: Friedenserklärungen der Regierung der Demokratischen Republik Kongo und der Rebellenbewegung M23 im Dezember 2013 in Kenias Hauptstadt Nairobi). Unser Hauptproblem im Moment sind die anderen bewaffneten Gruppen, in erster Linie die FDLR (Demokratischen Kräfte für die Befreiung Ruandas) und die ADF-Nalu (Allianz demokratischer Kräfte - Nationale Arme für die Befreiung Ugandas), aber auch die Mai-Mai-Gruppe Bakata Katanga und andere Gruppen im ganzen Land.

Nach dem Sieg über die M23 hatte die MONUSCO angekündigt, als nächstes gegen die FDLR kämpfen zu wollen. Im Moment hört man aber mehr von Kämpfen gegen die ugandische Miliz ADF-Nalu. Woran liegt das?

In der Tat. Wir, die MONUSCO, sind zusammen mit der kongolesischen Armee im Norden gegen die ADF aktiv. Das schließt aber nicht aus, dass es auch Aktionen gegen die FDLR gibt. Wir haben damit im Dezember angefangen, und zwar in der Region um Pinga, in Masisi und Walikale, und haben inzwischen viele Positionen der FDLR und der APCLS (Allianz der Patrioten für einen freien und souveränen Kongo) geräumt. Das ist nicht so spektakulär wie der Kampf gegen die M23, denn es sind nur kleine Positionen, und die Rebellen halten sich versteckt im Dschungel. Aber wir sind dennoch aktiv. Für uns ist es wichtig, dass wir das Mandat des UN-Sicherheitsrats erfüllen. Das Mandat besagt ganz klar, dass wir auch Gewalt anwenden dürfen, wenn es nicht anders geht. Ich betone das ganz klar: Wenn kein freiwilliger Demobilisierungsprozess erfolgt, hat die UNO das Recht, alle bewaffneten Gruppen im Osten des Kongo zu entwaffnen - auch mit Gewalt. Und das nehmen wir sehr ernst.

MONUSCO-Chef Martin Kobler spricht mit Blauhelmsoldaten in der Demokratischen Republik Kongo (Foto: Dirke Köpp/DW).
Kobler mit Blauhelmsoldaten im KongoBild: DW/D. Köpp

Wie werden denn die Operationen zwischen den MONUSCO-Truppen, der kongolesischen Armee und der Interventionsbrigade der MONUSCO koordiniert?

Man soll die Interventionsbrigade nicht isoliert betrachten. Die MONUSCO ist eine Truppe von rund 20.000 Blauhelmen. Mit der Interventionsbrigade hat sie ein neues, robustes Element bekommen. Aber alle 20.000 Blauhelme arbeiten an der Stabilisierung des Kongo mit, nicht nur die Interventionsbrigade. Wir sind so organisiert, dass die militärische Komponente der MONUSCO von UN-General dos Santos Cruz, einem Brasilianer, geleitet wird. Unter ihm stehen der General, der die Interventionsbrigade befehligt, und die Generäle, die für die verschiedenen anderen Brigaden (etwa Nordkivu, Südkivu, westliche Brigade, Ituri-Brigade) zuständig sind. Alles läuft unter dem Kommando von dos Santos, der sich seinerseits mit der kongolesischen Armee abstimmt.

Unser Mandat besagt, dass wir militärische Operationen alleine oder mit der kongolesischen Armee durchführen können. Der Kommandant und ich haben aber entschieden, dass wir nur zusammen mit der kongolesischen Armee agieren. Wichtig ist vor allem, dass die Gebiete, die befreit werden, hinterher auch gehalten werden - und dafür kann nur die kongolesische Armee sorgen. Wir wären also schlecht beraten, mit der MONUSCO oder der Interventionsbrigade Einzelaktionen durchzuführen.

Wie beurteilen Sie die Lage in der Provinz Katanga? Dort sind wegen Kämpfen zwischen Aufständischen und Armee mehr als 400.000 Menschen auf der Flucht. Ist die MONUSCO so gut ausgestattet, dass sie nun auch in Katanga einspringen und helfen kann?

Die Provinz Katanga ist ein schwieriges Feld. Wir sind dort mit 450 Blauhelmen präsent, in Lubumbashi, in Manono, in Kalemie und anderen Orten. Aber das ist bei Weitem nicht genug. Katanga ist so groß wie Spanien, und es ist natürlich sehr schwierig, eine so große Region zu kontrollieren. Nach den neuesten Grausamkeiten hat die MONUSCO beschlossen, eine Kompanie ägyptischer Spezialkräfte im sogenannten “Dreieck des Todes“ zu stationieren (Anmerkung der Redaktion: die Region zwischen den Städten Pweto, Mitwaba und Manono, wo besonders viele bewaffnete Gruppen aktiv sind, darunter etwa die Bakata Katanga).

Ich war selbst vor zwei Wochen dort und habe mir die verbrannten Dörfer angeschaut. Das ist wie in einem schlechten Film. Mai-Mai-Gruppen der Bakata Katanga brennen systematisch Dörfer nieder, vergewaltigen Frauen und vertreiben die Bevölkerung. Das ist inakzeptabel und deswegen sind wir dabei, unsere Kräfte zu verstärken. Aber man muss auch sagen: Mehr MONUSCO-Soldaten sind kein Allheilmittel. In erster Linie ist die kongolesische Armee dafür zuständig, die Sicherheit im eigenen Land herzustellen. Außerdem stellen in Katanga nicht allein Mai-Mai-Gruppen ein Problem dar - sondern es gibt auch ein politisches Problem: Es gibt Leute, die diese Gruppen mit Waffen versorgen.

Wegen der Bodenschätze und der Unabhängigkeitsbestrebungen in Katanga?

Die Probleme sind vielfältig. Der Kongo - insbesondere die Provinz Katanga - ist ungeheuer reich. Ich habe mir die Minen in Katanga angeschaut, im sogenannten Kupfergürtel. Aber neben Kupfer gibt es auch Koltanerz und Gold. Katanga ist eine Provinz, die geradezu überschäumt vor Reichtum. Auf der anderen Seite aber herrscht extreme Armut. In den Minen gibt es Kinderarbeit - darüber sind wir von der MONUSCO weiter im Gespräch mit der Regierung von Katanga. Denn Kinder gehören weder auf Schlachtfelder noch in Minen. Sie gehören in die Schule.

Bis wann wird die MONUSCO denn im Kongo bleiben?

Die MONUSCO ist inzwischen seit fünfzehn Jahren im Kongo. Aber es handelt sich natürlich um Probleme, die nicht über Nacht gelöst werden können. Ganz grundsätzlich: Das Mandat der MONUSCO steht jährlich zur Verlängerung durch den UN-Sicherheitsrat. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bestimmt also, wann die Zeit reif ist, abzubauen und sich zurückzuziehen. Allerdings wird die MONUSCO erst dann nicht mehr gebraucht, wenn wirklich ein Zustand erreicht ist, in dem die Menschen in Frieden leben können.

Der deutsche Diplomat Martin Kobler ist seit Juni 2013 UN-Sonderbeauftragten für die Demokratische Republik Kongo und Chef der Kongo-Blauhelmtruppe MONUSCO (UN-Stabilisierungsmission im Kongo). Zuvor war er unter anderem UN-Sonderbeauftragter für den Irak und stellvertretender Leiter der UN-Mission in Afghanistan.

Das Interview führte Dirke Köpp.