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Studie: Deutsche sehen Umweltschutz als Problemlösung an

Richard A. Fuchs, Berlin 30. März 2015

Zum zehnten Mal hat eine Studie des Umweltbundesamtes das Umweltbewusstsein der Deutschen untersucht. Das Ergebnis: Umweltschutz wird nicht mehr als Problem eingestuft. Kein Problem, sagt die zuständige Ministerin.

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Radeln statt Autofahren: Immer mehr Deutsche steigen um.
Radeln statt Autofahren: Immer mehr Deutsche steigen um.Bild: picture-alliance/dpa/F. Gentsch

Auf den ersten Blick muss das einer deutschen Bundesumweltministerin Sorge bereiten. Denn die vom Umweltbundesamt vorgelegte Studie zum Umweltbewusstsein der Deutschen zeigt, dass die Relevanz des Umweltschutzes in den Augen vieler Bürgerinnen und Bürger zuletzt abgenommen hat. So belegte der Umweltschutz im Ranking der aktuell wichtigsten Probleme nur noch Rang fünf. Im Jahr 2012, also ein Jahr nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima, rangierte der Umweltschutz auf der Prioritätenliste der Befragten noch auf Platz zwei.

Derzeit dominieren dagegen Themen wie soziale Sicherung, Eurokrise, Rentenpolitik und innere Sicherheit die Agenda. Für Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die die Studie am Montag in Berlin vorstellte, kein Grund zur Sorge. "Das Umweltbewusstsein wandelt sich", so das Fazit der Ministerin.

Studie: Umweltschutz nicht Problem, sondern Lösung

So zeige die Studie: Umweltschutz werde heute von mehr und mehr Deutschen nicht mehr als bremsendes Element, sondern als Teil der Lösung für viele globale Probleme begriffen. "Umweltschutz ist akzeptiert und etabliert und die Konflikte darüber sind nicht mehr so virulent". Knapp 56 Prozent der 2117 Online befragten Bürgerinnen und Bürger fänden sogar, so Hendricks, dass ein konsequenter Umweltschutz für Deutschland die Voraussetzung sei, um weiter wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Nicht Wirtschaftsbremser, sondern Innovationstreiber - dieses Bild vom Umweltschutz habe sich bei einer Mehrheit der Deutschen durchgesetzt, so die Ministerin mit Blick auf die Studienergebnisse.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks
Bundesumweltministerin Barbara HendricksBild: Euroforum

In zahlreichen Lebensbereichen sei das Umweltbewusstsein stark verankert, ergänzte Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamtes. Der Kauf energieeffizienter Elektrogeräte sei dafür ein gutes Beispiel, so die UBA-Präsidentin. "Knapp die Hälfte der Befragten gibt an, dass sie bei Haushaltsgeräten oder Leuchtmitteln immer zu energieeffizienten Alternativen greifen. Ein weiteres Viertel tut dies sehr häufig." Und auch an anderen Stellen im Alltag geben die Befragten an, nicht nur grün zu denken, sondern auch grün zu handeln. Recycling-Papier, umweltschonende Putzmittel und Ökostrom: Für viele Befragte gehört dies schon zum Standard.

Teilen als Umweltschutz-Prinzip

Besonders das Prinzip Teilen (Shared Economy) könnte, glaubt man den Ergebnissen dieser Studie, zu einem der Leitmotive im Umweltschutz der Zukunft werden. "Carsharing boomt", sagte die Umweltministerin. "Schon heute kann sich ein Viertel aller Befragten vorstellen, diese Angebote zu nutzen". Für Hendricks ist deshalb klar, dass die Politik hier nachlegen müsse. Und noch in diesem Jahr soll genau das geschehen, und zwar mit der Verabschiedung eines eigenen Carsharing-Gesetzes, das neue Anreize für die gemeinsame Autonutzung schafft. Erfahrungen aus Kommunen hätten gezeigt, so die Ministerin, dass ein gemeinsam genutztes Auto bis zu elf andere Fahrzeuge ersetzen könne.

Das komme dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach, das Auto mehr und mehr aus den Städten zu verdrängen. 82 Prozent der Befragten hätten sich demnach für mehr Bus und Bahn und eine bessere Infrastruktur für Fahrradfahrer ausgesprochen. "Die Leute wollen nicht mehr in Städten leben, die sich alleine ums Auto drehen", so Hendricks. UBA-Präsidentin Maria Krautzberger unterstrich, dass das Prinzip "Nutzen statt besitzen" inzwischen auch in anderen Lebensbereichen salonfähig geworden sei: "74 Prozent der Befragten gab an, Dinge des Alltags schon mal ausgeliehen zu haben und dies auch wieder zu tun."

UBA-Präsidentin Maria Krautzberger
UBA-Präsidentin Maria KrautzbergerBild: picture-alliance/dpa

Grünes Denken ist noch kein grünes Handeln

Doch zur Selbstzufriedenheit gibt es im "Öko-Musterland Deutschland" keinen Anlass. In vielen Bereichen dümpelten grüne Produkte in der Marktnische herum, kritisierte UBA-Präsidentin Krautzberger. Das gelte insbesondere für Biolebensmittel, die von nur drei Prozent der Befragten immer, von 17 Prozent der Befragten gelegentlich gekauft würden. "Da passt es ins Bild, dass zwar 95 Prozent der Befragten das deutsche Bio-Siegel kennen, aber nur 33 Prozent sich davon bei der Kaufentscheidung beeinflussen lassen." Noch schlechter sehe es beim Umweltschutz beim Kauf von Kleidung aus, so Krautzberger: "Nur zwei Prozent kaufen immer umweltschonende Kleidung und zehn Prozent der Befragten gaben an, dies zumindest häufig zu tun." Schuld am Ignorieren der Umweltschutzstandards bei Kleidern sind in den Augen der UBA-Präsidentin aber nicht nur die Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern in weiten Teilen auch die Hersteller. Bislang gebe es kaum Kollektionen für ökologische Mode. Und zudem fehle es an einer klaren Kennzeichnung.

Umweltschädliche Subventionen

Trotz aller Kritik: Die Ministerin wertet das Ergebnis der Studie als Beweis, dass die Bevölkerung hinter den Zielen der nationalen Umwelt- und Klimaschutzpolitik steht. "Die Bereitschaft, das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen, ist so hoch wie nie", so Hendricks. Ob das Umweltbewusstsein aber auch bei der Bundesregierung in der Praxis umgesetzt wird, das wurde zuletzt öffentlichkeitswirksam just vom Umweltbundesamt in Zweifel gezogen. So legte das bundeseigene Institut im Dezember 2014 eine Studie vor, die die umweltschädlichen Steueranreize und Subventionen durch die Bundespolitik auflistet. Das Ergebnis: Im Beispieljahr 2010 summierten sich die umweltschädlichen Anreize der deutschen Politik laut UBA auf insgesamt 52 Milliarden Euro. Darunter Steuervergünstigungen für Agrardiesel oder Subventionen für energieintensive Betriebe. Viel finanzieller Spielraum für die Bundesregierung, grünes Denken und grünes Handeln in Einklang zu bekommen.