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Europas umstrittener Freihandel mit Peru und Kolumbien

Günther Birkenstock10. Dezember 2012

Die Europäische Union will den Handel mit Kolumbien und Peru liberalisieren - der Handelsausschuss des Europaparlaments hat schon zugestimmt. Menschenrechtler und Gewerkschafter warnen.

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Die Flaggen von Peru, Kolumbien und der Europäischen Union (v.l.n.r.) (Foto: DW/Mirra Banchón)
Bild: DW

In den kommenden Tagen soll das Plenum des EU-Parlaments das Freihandelsabkommen mit Peru und Kolumbien ratifizieren. Das Ziel des Vertrags ist klar: Beide Seiten bauen Zölle fast vollständig ab. Umstritten ist, wie sich die Vereinbarung auswirkt.

Der Europa-Parlamentarier Daniel Caspary von der CDU sieht das Abkommen als großen Fortschritt für Lateinamerikaner und Europäer und sagt: "Artikel 1 des Abkommens macht die Einhaltung der Menschenrechte zur Grundbedingung für alle Handelserleichterungen. Die Botschaft ist klar: Menschenrechte sind unveräußerlich und kommen vor dem Abbau der Zollschranken." Auch Umweltstandards müssten eingehalten werden. Kaum weniger optimistisch äußerte sich der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange: "Zwar sind nicht alle Erwartungen erfüllt, allerdings sind gerade in den letzten Monaten deutliche Verbesserungen erreicht worden."

Porträt des Europaabgeordneten Daniel Caspary (Foto: dpa)
Der Europa-Abgeordnete Daniel Caspary begrüßt das AbkommenBild: picture-alliance / dpa

Soziale Konflikte könnten zunehmen

Zahlreiche Menschenrechtsverbände und Gewerkschaften in Peru, Kolumbien und Deutschland sehen das anders. 25 Organisationen, darunter namhafte wie Pax Christi, Misereor und attac, warnen in einem offenen Brief an die Abgeordneten des EU-Parlaments davor, dass in den Andenstaaten künftig soziale Konflikte zunehmen und Rohstoffe rücksichtsloser abgebaut werden. Peru und Kolumbien sind für Investoren aus aller Welt interessant, weil sie über zahlreiche Edelmetall-Vorkommen verfügen. Außerdem produzieren sie zunehmend Lebensmittel für den Export und nutzen landwirtschaftliche Flächen zur Ethanol-Gewinnung für Biotreibstoff.

Bernhard Merk von der Informationsstelle Peru e.V. betont im Gespräch mit der Deutschen Welle, dass in dem Freihandelsabkommen vieles erwähnt werde, was nicht verbindlich geregelt sei. "Die Menschenrechte stehen darin, aber es gibt keine Sanktionsmechanismen, wenn Menschenrechte nicht eingehalten werden. Das Gleiche gilt für soziale und Umweltstandards", so Merk.

Gruppe Peruaner, die gegen das Freihandelsabkommen protestiert (Foto: AFP)
Peruaner protestieren gegen das FreihandelsabkommenBild: Getty Images

Deswegen hatte die sozialdemokratische EU-Fraktion auf ein Zusatzabkommen gedrängt, bevor der Vertrag ratifiziert wird. Genützt hat es wenig - es sei weit weniger verbindlich als das Hauptabkommen: "Unsere peruanischen Partnerorganisationen sagen, das einzige, was verbindlich und per Sanktion geregelt ist, sind die Investorenrechte."

Nur Investoren profitieren

Merk glaubt, dass man schon heute absehen kann, wie negativ sich die geplante Vereinbarung auswirken wird. Das bereits bestehende Freihandelsabkommen zwischen Peru und den USA biete dafür Beispiele: Etwa den Fall einer US-amerikanischen Firma, die in Peru gegen die Umweltvorschriften verstoßen habe. Die peruanische Regierung hatte dem Unternehmen daraufhin untersagt, seine Mine weiter zu betreiben. Die Firma ist vor das Schiedsgericht der Weltbank gezogen und verklagt Peru derzeit auf 800 Millionen Euro Schadensersatz. Die Investoren säßen letztlich am längeren Hebel.

Die derzeitigen Zustände in Peru sind nach Merks Einschätzung schon katastrophal genug. Beispiel: "Die Stadt La Oroya gehört zu den zehn dreckigsten Städten der Welt. Die Kinder im Umfeld der Minen haben dort drei bis vier Mal mehr Blei im Blut, als die Weltgesundheitsorganisation als Grenzwert zulässt." Und Oroya sei kein Einzelfall. Außerdem gebe es zunehmend gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei, weil die Bevölkerung gegen den Bau neuer Minen protestiere. "Die Menschen weisen zu Recht darauf hin, dass ihnen Fläche für die Landwirtschaft verloren geht und dass sie dort, wo die Mine entsteht, wegen des Giftes im Boden auch keine Tiere mehr halten können." 15 Menschen seien in den vergangenen Jahren bei Konflikten mit Polizei und Militär getötet worden.

Blick auf das graue Oroya mit seinen Minen (Foto:dpa)
Oroya ist eine der dreckigsten Städte der WeltBild: picture alliance/dpa Fotografia

Export hat Vorrang

Und es gibt noch ein weiteres Konfliktfeld: Peruanische und internationale Konzerne produzieren immer mehr Gemüse für den Export und Zuckerrohr zur Ethanol-Gewinnung - das verdrängt die heimische Landwirtschaft. Merk hat mit vielen Bauern vor Ort gesprochen. "Die Küste Perus ist eigentlich Wüste. Da gibt es nur Wasser an bestimmten Stellen, an denen die Flüsse aus den Anden kommen. Das heißt, die Fläche zum Anbau von Agrarprodukten ist sehr beschränkt." Dadurch stiegen die Lebensmittelpreise für die ohnehin bereits armen Peruaner kontinuierlich an. Außerdem würde der Grundwasserspiegel im Süden Perus durch die intensive Bodennutzung um mehr als einen Meter pro Jahr absinken.

Ein Indio füllt Metalltonnen mit Wasser (Foto: ddp)
Intensive Landwirtschaft senkt den GrundwasserpegelBild: dp images/AP Photo/Dado Galdieri

Für Merk wie für Vertreter anderer Menschenrechts- und Hilfsorganisationen gibt es daher nur eine logische Konsequenz: " Wir fordern, dass das Abkommen nicht ratifiziert wird, ich bin eher für Verträge, die die Märkte Perus sichern." Die historische Entwicklung zeige, dass Länder, die ihre Märkte zunächst einmal schützten, bessere Entwicklungschancen hätten.