Ukrainisches Militär rückt in den Osten vor
Nach neuen Ausschreitungen in der Ostukraine setzt die Regierung in Kiew nun offenbar auf militärische Stärke. Russland wehrt sich unterdessen gegen Behauptungen, weitere Teile der Ukraine annektieren zu wollen.
Militäreinsatz in der Ostukraine
Die ukrainische Regierung hat nach eigenen Angaben ihren lange angekündigten Spezialeinsatz gegen die prorussischen Aktivisten im Osten des Landes gestartet. Ein Konvoi der ukrainischen Armee, darunter zehn Panzer, stand am Dienstag (15.04.2014) etwa 40 Kilometer von der ostukrainischen Stadt Slowjansk entfernt, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete.
Forderung nach Abspaltung
Seit rund einer Woche besetzen prorussische Demonstranten in der ostukrainischen Region Donbas - wie hier in der Stadt Donezk - mehrere Regierungsgebäude. Sie fordern ein Referendum über eine Abspaltung der Region, in der viele russischsprachige Bürger leben.
Tote nach Eskalation
In der Stadt Slowjansk gab es nach Angaben des Innenministeriums am Sonntag (13.04.2014) auf beiden Seiten Tote und Verletzte. Zuvor waren dort eine Polizeiwache gestürmt und Checkpoints errichtet worden. Demonstranten hatten nach Angaben der ukrainischen Polizei rund 400 Handfeuerwaffen und 20 Automatikwaffen erbeutet.
Anti-Terror-Operation
Der Ernst der Lage zeigte sich auch an der Reaktion der Regierung: "In Slowjansk hat ein Anti-Terror-Einsatz begonnen. Es wurden Kräfte aus allen Landesteilen herangezogen. Möge Gott mit uns sein", schrieb Innenminister Arsen Awakow auf Facebook. Die Bevölkerung solle das Stadtzentrum räumen, in ihren Häusern bleiben und sich von den Fenstern fernhalten.
Furcht vor einem zweiten Krim-Szenario
Die ukrainische Übergangsregierung in Kiew befürchtet, dass Russland die Unruhen nutzen könnte, um weitere Regionen der Ukraine zu russischem Staatsgebiet zu erklären. Die Annexion der Schwarzmeerhalbinsel Krim hatte die Krise im Februar ausgelöst. Vermutlich russische Soldaten besetzten tagelang Gebäude, bevor die Bevölkerung in einem umstrittenen Referendum für den Beitritt zu Russland stimmte.
Bevölkerung will nicht russisch werden
Allerdings liegen die Dinge in der Ostukraine anders als auf der Krim. Der Großteil der Bevölkerung in der Region Donezk will nach Ansicht von Beobachtern eine weitgehende Autonomie, aber innerhalb der Ukraine. Die Forderung nach einem Anschluss an Russland komme nur von einer Minderheit, die ihrerseits mit Aktionen wie der Ausrufung der "souveränen Volksrepublik Donezk" für Schlagzeilen sorge.
Russland: Kein Interesse an Gebieten
Der russische Außenminister Sergej Lawrow weist jegliche Spekulationen zurück, Russland würde die Unruhen in der Ostukraine nutzen wollen, um weitere ukrainische Landesteile in die russische Föderation einzugliedern. Russland wolle stattdessen, dass die Ukraine innerhalb ihrer Grenzen als Ganzes erhalten bleibe, so Lawrow.
Russische Soldaten an der Grenze
Die Nato veröffentlichte inzwischen Satellitenbilder von der russisch-ukrainischen Grenze, die eine Ansammlung russischer Soldaten zeigen sollen. Nach Angaben des Militärbündnisses hat Russland inzwischen 40.000 Soldaten an der Grenze zusammengezogen. Ein Zeichen dafür, dass Moskau notfalls militärisch intervenieren will, um die Demonstranten zu unterstützen?
Russland im UN-Sicherheitsrat isoliert
Auf einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates am Sonntagabend sagte die UN-Botschafterin der USA, Samantha Power, das Drehbuch für die Destabilisierung der Ukraine sei in Russland geschrieben worden. Russland wies die Vorwürfe zurück. Bei der hitzigen Debatte wollte sich keines der anderen 14 Mitglieder des UN-Sicherheitsrates auf die Seite Moskaus stellen.
Ultimatum verstrichen
Am Sonntag forderte die Regierung in Kiew die prorussischen Milizen auf, ihre Waffen bis Montagfrüh 8:00 MESZ abzugeben. Die Milizen haben das Ultimatum verstreichen lassen. Es habe am Montagmorgen keine Hinweise darauf gegeben, dass besetzte Verwaltungsgebäude geräumt und Waffen abgegeben worden seien, berichteten Medien in Kiew.
Referendum möglich
Der ukrainische Übergangspräsident Alexander Turtschinow hat sich offen für ein landesweites Referendum über eine Umwandlung des Landes in eine Föderation gezeigt. Er sei nicht gegen eine solche Volksbefragung, sagte Turtschinow am Montag vor dem Parlament in Kiew. Die Befragung könne parallel zur für den 25. Mai geplanten Präsidentschaftswahl stattfinden.
Westen fordert Reaktionen Russlands
Für kommenden Donnerstag ist ein internationales Krisentreffen zur Lage in der Ukraine angekündigt. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier verlangt im Vorfeld deeskalierende Signale aus Moskau. Russland müsse eigene Entspannungsbeiträge liefern, wie zum Beispiel den weiteren Rückzug von Streitkräften entlang der Grenze, sagte Steinmeier.