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Kiew spricht von Staatsstreich

2. Dezember 2013

In Kiew wird nicht nur auf der Straße, sondern nun auch verbal aufgerüstet: Der Vergleich der Oppositionsproteste mit einem Staatsstreich geht auf das Konto von Ministerpräsident Asarow. Deeskalation sieht anders aus.

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Zehntausende Demonstranten auf der Straße (Foto: Yuriy Dyachyshyn/AFP/Getty Images)
Bild: Yuriy Dyachyshyn/AFP/Getty Images

Der Machtkampf zwischen der ukrainischen Opposition und der Regierung in Kiew hat das Land nach den Worten von Ministerpräsident Nikolai Asarow in einen "unkontrollierbaren" Zustand versetzt. Tausende Demonstranten belagerten am Montag erneut das Regierungsviertel. Die Regierung rückte die Proteste in die Nähe eines "Staatsstreichs" und erhielt Rückendeckung aus Russland, während die Bundesregierung, die EU und die UN zum Dialog aufriefen.

Asarow äußerte sich bei einem Treffen mit europäischen Botschaftern. Er warf den Anführern der Kundgebungen vor, sich "illegaler Methoden" zu bedienen. Die oppositionellen Politiker hätten eine Radikalisierung der Proteste verursacht, so dass diese inzwischen einem "Staatsstreich" ähnelten.

Putin: Mehr Pogrom als Revolution

Der russische Präsident Wladimir Putin sagte bei einem Besuch in Armenien, die Ereignisse in der Ukraine erinnerten ihn "mehr an ein Pogrom als an eine Revolution". Die Kundgebungen würden aus dem Ausland gesteuert und hätten "nicht viel mit den Beziehungen zwischen der Ukraine und der Europäischen Union zu tun".

Die US-Regierung kritisierte Kiew dagegen scharf. Sprecher Jay Carney sagte, die "friedlichen Demonstrationen" dürften nicht in die Nähe eines Staatsstreichs gerückt werden. Das gewaltsame Vorgehen gegen Demonstranten sei "nicht akzeptabel". Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte nach Angaben seines Sprechers die Regierung in Kiew auf, das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf friedliche Demonstrationen zu schützen.

Aufruf zum Gewaltverzicht

Wie Ban Ki Moon rief auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso beide Seiten zur Gewaltlosigkeit auf. Er habe Janukowitsch in einem Telefonat aufgefordert, umgehend den Dialog mit allen politischen Kräften zu suchen und die Bürgerrechte zu respektieren, hieß es in einer Erklärung. Janukowitsch kündigte demnach an, eine Delegation nach Brüssel zu schicken, um nochmals über Einzelheiten des geplatzten Assoziierungsabkommens zu diskutieren.

der ukrainische Regierungschef Nikolai Asarow (Foto: picture-alliance/dpa)
Nicht zimperlich bei seiner Wortwahl: der ukrainische Regierungschef Nikolai AsarowBild: picture-alliance/dpa

Auch die Bundesregierung rief alle Seiten zu einem Gewaltverzicht auf. Alle Konfliktparteien müssten dazu beitragen, dass es nicht zu einer weiteren Eskalation der Gewalt komme, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Gleichzeitig forderte er die ukrainische Regierung dazu auf, alles zu tun, um die freie Meinungsäußerung und das Recht auf friedliche Demonstration zu schützen. Frankreichs Präsident François Hollande und Polens Ministerpräsidenten Donald Tusk verurteilten die Gewalt in Kiew ebenfalls und mahnten einen Dialog der politischen Lager an.

Misstrauensvotum gegen die Regierung

Wie unterdessen bekannt wurde, will das Parlament in Kiew am Dienstag über eine Absetzung Asarows abstimmen. Dazu haben die Regierungsgegner einen Misstrauensantrag eingebracht. Damit der Regierungschef seinen Posten verliert, sind mindestens 226 Stimmen nötig. Der Ausgang gilt als ungewiss.

Die Demonstranten in Kiew blockieren weiter die Eingänge zum Regierungssitz, das Rathaus der Stadt ist bereits seit Sonntag besetzt. Regierungsgegner kampieren auf dem Unabhängigkeitsplatz im Stadtzentrum, wo eine Zeltstadt errichtet wurde. Sie fordern den Rücktritt von Janukowitsch und Asarow. Der Chef der oppositionellen Udar-Partei, Boxweltmeister Vitali Klitschko, rief die Demonstranten dazu auf, bis zum Rücktritt des Staatschefs das Regierungsviertel zu belagern. Der Vorsitzende der nationalistischen Swoboda-Partei, Oleg Tiagnibok, forderte die Ukrainer zu einem landesweiten Streik auf.

Größte Demonstration seit der Orangenen Revolution

Die Wut der pro-europäischen Ukrainer hatte sich entladen, als Janukowitsch vor gut zehn Tagen auf Druck aus Russland ein lange geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU gestoppt hatte. Seitdem gibt es Massenproteste gegen Janukowitsch und für die Fortsetzung der Annäherung an die EU.

Am Sonntag hatten sich trotz eines Demonstrationsverbots für die Innenstadt mehr als 100.000 Menschen auf dem Unabhängigkeitsplatz versammelt. Die größte Demonstration seit der Orangenen Revolution im Jahr 2004 verlief friedlich, am Rande der Kundgebung kam es jedoch zu Zusammenstößen mit der Polizei. Nach jüngsten Angaben der Behörden wurden 190 Menschen verletzt, unter ihnen Polizisten, Demonstranten und mehr als 40 Journalisten.

sti/det (afp dpa, rtr)