Ukraine: Dokumentarfilme geben Hoffnung | Europa/Zentralasien | DW | 13.05.2015
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Europa/Zentralasien

Ukraine: Dokumentarfilme geben Hoffnung

Drei Filme, ein Thema: die Möglichkeit auf Versöhnung inmitten des Konflikts. Realisiert von Filmemachern aus der Ost- und Westukraine, unterstützt von der DW Akademie. Jetzt liefen die Filme auf dem goEast Filmfestival.

Von Links: Irene Langemann, Maryna Zhukovska, Mychajlo Moskalenko, Tetyana Kuzmintschuk und Andrzej Klamt

Von links: Irene Langemann, Maryna Zhukovska, Mychajlo Moskalenko, Tetyana Kuzmintschuk und Andrzej Klamt

Zwölf Fernsehjournalisten und Kameraleute aus allen Landesteilen der Ukraine produzierten unter Anleitung der erfahrenen Filmemacher und Trainer Irene Langemann und Andrzej Klamt Dokumentarfilme, die sich mit dem Konflikt im Osten der Ukraine auseinandersetzen. Dabei arbeiteten die Medienmacher aus der Ost- und Südukraine mit Kollegen aus dem Westen des Landes zusammen. Finanziert wurde das Projekt "Förderung des nationalen Dialogs" vom Auswärtigen Amt. Die entstandene Filmtrilogie "Ukraine, November 2014" feierte am 21. April 2015 beim goEast Filmfestival für osteuropäischen Film in Wiesbaden Premiere. Drei Teilnehmer waren beim Screening vor Ort und berichten von ihren Erfahrungen.


Ihre Filme sind unter besonderen Bedingungen entstanden. Sie, die Teilnehmer des Dokumentarfilmworkshops, kamen aus verschiedenen Landesteilen und drehten nahe den umkämpften Regionen. Wie haben sich diese Bedingungen auf Ihre Filme ausgewirkt?
Myhajlo Moskalenko: Ohne Zweifel hat sich der Krieg in der Ukraine auf unsere Filme ausgewirkt, vor allem auf die Themenwahl. Alle drei Filme beziehen sich auf den Konflikt im Osten der Ukraine, auf dessen Folgen, und auf die Schicksale der Menschen, die unter den Druck dieser schrecklichen Ereignisse geraten sind. Die Arbeit mit den Kollegen aus den anderen Landesteilen war in erster Linie eine sehr positive Erfahrung für uns. Wir sind Freunde geworden - was noch einmal beweist, dass es keine Barrieren oder Unterschiede zwischen den Ost- und Westukrainern gibt.
Tetyana Kuzmintschuk: Die Teamarbeit an dem Film "Hinter dem Vorhang des Krieges" hat sehr gut geklappt. Obwohl mein Kollege Andrij und ich aus dem westukrainischen Lwiw kommen und die anderen Teammitglieder aus der Frontstadt Mariupol, waren unsere Weltansichten und Einstellungen zur aktuellen politischen Situation im Land absolut identisch. Das hat uns aufs Neue gezeigt, dass die Ukraine eigentlich ein geeintes Land ist.
Maryna Zhukovska: Die Arbeitsbedingungen waren tatsächlich von Anfang an ungewöhnlich. Aber wir haben uns schnell eingefunden, denn das Projektziel – die Schaffung von Filmen – hat uns sehr gereizt. Im Laufe des Projektes haben wir eine gemeinsame Sprache gefunden.

Was war für Sie das Spannendste an der Zusammenarbeit?
Kuzmintschuk: Alles an diesem Projekt war interessant, da meine Kollegen und ich bis jetzt keine Erfahrung mit Dokumentarfilmen hatten. Wir lernten zusammen, diskutierten bis ins letzte Detail – es war richtige Teamarbeit.
Zhukovska: Ursprünglich hatten wir einige Unstimmigkeiten bei der Themenfindung. Manche Themen sind zu aktuell, um sie umsetzen zu können – es muss erst noch Zeit vergehen. In anderen Fällen konnten wir nur schwer einen Protagonisten finden. So war es mit dem Film "Zeit des Hospitals". Im Krankenhaus zu drehen, wo stündlich eine Operation durchgeführt wird und der Chefchirurg - einer unserer Hauptprotagonisten - immer zu tun hat, war eine Herausforderung. Aber mit unseren Trainern Irene Langemann und Andrzej Klamt haben wir auch das gemeistert.
Moskalenko: Gerade dieser Austausch mit den deutschen Trainern war sehr wertvoll. Sie sind richtige Profis, von denen man viel lernen kann.

Zwischen der Ost- und Westukraine gibt es jetzt Checkpoints. Und auch Mauern im Kopf.

Zwischen der Ost- und Westukraine gibt es jetzt Checkpoints. Und auch "Mauern" im Kopf


Warum haben Sie sich für die Themen der Trilogie entschieden, was war die Idee dahinter?
Moskalenko: Die Idee für den Film "Die Mauer" ist noch vor dem Training entstanden. Meiner Ansicht nach ist das der Kern des bestehenden Konflikts – die Trennung der Menschen durch Propaganda, durch eine im Grunde genommen nicht existierende Wand.
Kuzmintschuk: Wir haben Dutzende von Themen besprochen und viele sofort verworfen, zum Beispiel weil es aufgrund der Kämpfe nicht möglich war, in Luhansk oder Donezk zu drehen. Daher versuchten wir etwas Aktuelles zu finden, was gleichzeitig Dreharbeiten in den friedlichen Regionen ermöglichte. Daher entschied sich mein Team und ich uns für die Geschichte der Familie Tschaikowsky: Das Schicksal einer Flüchtlingsfamilie, die in friedlichen Zeiten in einem Puppentheater arbeitete. Es sind starke und weise Menschen, die ihr Land trotz zahlreiche Verluste und Leid lieben - und die vergeben können.
Zhukovska: Die Idee hinter dem Film meines Teams "Zeit des Hospitals" bestand darin, Menschen zu zeigen, deren Leben sich durch den Kriegszustand von heute auf morgen verändert hat. Es sind Militärärzte und ihre Patienten. Die Idee des Filmes war es, zu zeigen, dass das menschliche Leben sehr kostbar ist.

Wie war die Resonanz auf die Filme nach der Ausstrahlung?
Zhukovska: Unser Film hatte eine große Resonanz! Nach der Ausstrahlung hat sich eine Stiftung an unseren Sender gewandt und hat einem Filmprotagonisten, dem verletzten Wadim Maznitschenko, geholfen, Bein- und Handprothesenzu beschaffen und eine Bleibe zu organisieren.
Moskalenko: Vor allem bei den Zuschauern in der Westukraine haben die Filme eine große Resonanz hervorgerufen. Zurzeit suchen wir nach weiteren Ideen für Filme und werden sie auch zusammen mit unseren Kollegen aus Czernowitz realisieren.
Kuzmintschuk: Der Film wurde bei unserem Sender sehr gelobt und sogar mehrmals ausgestrahlt. Mit unseren Kollegen aus Mariupol haben sich freundschaftliche Beziehungen entwickelt und wir möchten auch in Zukunft zusammenarbeiten.

Die Ukraine befindet sich noch immer im Ausnahmezustand. Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Lage der Medienfreiheit im Land verändert?
Moskalenko: Zum einen führt die wirtschaftliche Krise dazu, dass viele soziale und nichtkommerzielle Dokumentationen keine finanzielle Unterstützung bekommen. Zum anderen befinden sich alle großen TV-Sender in der Hand von Oligarchen, die eigene Interessen durchsetzen. Daher gibt es nach wie vor gewisse Tabu-Themen für Journalisten.
Zhukovska: Es ist schwer für mich, in dieser Situation ein Urteil über die Medienfreiheit zu fällen. Politiker benutzen den Krieg und die wirtschaftliche Krise oftals Schutzschild und empfehlen Journalisten, keine Kritik gegenüber der ukrainischen Regierung auszuüben. Wir werden außerdem oft damit konfrontiert, dass Journalisten, die die Regierung kritisieren, als Separatisten oder ähnliches gebrandmarkt werden.

Was können aus Ihrer Sicht Dokumentarfilme in der aktuellen politischen Situation leisten?
Moskalenko: Das, was gerade in der Ukraine passiert, ist ein künstlicher, durch Propaganda geschaffener Krieg. Die einzige Methode, dem zu widerstehen, ist, möglichst vielen Menschen die Wahrheit aufzuzeigen. Gerade Dokumentationsfilme bieten eine besondere Möglichkeit, den Kern der Ereignisse zu zeigen. Im Gegensatz zur Reportage sind sie weniger subjektiv.
Kuzmintschuk: Dokumentationen ermöglichen es, ein vollständigeres Bild über die Geschehnisse zu zeigen und mehr zu erklären. Derzeit tauchen wahre Helden auf, und es finden historische Ereignisse statt. Außerdem ist es unheimlich wichtig, sich der Propaganda zu widersetzen - und mit Dokumentationen kann man die Wahrheit besser abbilden.
Zhukovska: Ich möchte sehr gerne weiter mit Dokumentarfilmen arbeiten, denn ich finde, dass dieses Genre noch Vertrauen beim Zuschauer genießt. Vielleicht ist es eine romantische Vorstellung, aber ich hoffe, dass Dokumentationen die derzeitige Situation beeinflussen können. So wie unser Film "Zeit des Hospitals", der das Leben des Verletzten Wadim zum Positiven gewandelt hat.

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  • Datum 13.05.2015
  • Autorin/Autor Olena Ponomarenko
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  • Datum 13.05.2015
  • Autorin/Autor Olena Ponomarenko
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