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"Nordkoreas Negativ-Image wirkt sich aus"

Esther Felden24. Juli 2014

Seit fast 20 Jahren engagiert sich die Deutsche Welthungerhilfe in Nordkorea. Im Gespräch mit der DW spricht Programm-Manager Gerhard Uhrmacher über die Arbeit in einem schwierigen Umfeld – und über Restriktionen.

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Apfelsaft-Produktion bei einem Projekt der Welthungerhilfe in Nordkorea (Foto: Gerhard Uhrmacher /Welthungerhilfe)
Bild: Gerhard Uhrmacher

Seit August 1997 arbeitet die Deutsche Welthungerhilfe in Nordkorea. Sie folgte damals einem Appell der Regierung in Pjöngjang. Diese hatte nach einer mehrjährigen Hungerkatastrophe die Internationale Gemeinschaft offiziell um Hilfe gebeten. Bis heute hat die Welthungerhilfe ungefähr 70 Projekte mit einem Gesamtumfang von etwa 70 Millionen Euro durchgeführt: in Bereichen wie Trinkwasserversorgung, Umweltschutz, Wiederaufforstung, Landtechnik oder Verbesserung von Saatgut. Außerdem wurden Gewächshäuser gebaut, um die Versorgung der Bevölkerung mit Gemüse zu verbessern.

Zurzeit sind sechs internationale und 17 einheimische Mitarbeiter vor Ort für die Deutsche Welthungerhilfe im Einsatz. Koordiniert wird das Nordkorea-Programm von Gerhard Uhrmacher. Im Interview mit der Deutschen Welle berichtet er über die Arbeit in einem schwierigen politischen Umfeld.

Deutsche Welle: Sie sind die einzige deutsche Hilfsorganisation, die derzeit in Nordkorea vertreten ist. Viele ausländische Organisationen sind wieder gegangen. Warum ist die Welthungerhilfe allen politischen Entwicklungen und Spannungen zum Trotz immer im Land geblieben?

Der Grund ist eigentlich, dass wir nach wie vor Bedarf an humanitärer Hilfe sehen. Uns ist wichtig, wie es den Menschen im Land geht. Wir fragen uns, wie wir sie am besten unterstützen können und ob sie auch mittelfristig Hilfe benötigen. Voraussetzung für unsere Arbeit ist, dass wir unsere Projekte unter vernünftigen Rahmenbedingungen umsetzen können. . Grundlegend ist zum Beispiel auch, dass unsere Mitarbeiter für ihre Reisen in Projektgebiete die nötigen Genehmigungen erhalten. Wir überprüfen dies fortlaufend und stellen uns dabei immer auch die Frage, ob die Bedingungen für unsere Arbeit erfüllt sind. Die nordkoreanische Regierung hat durchaus ein eigenes Interesse an großen Projekten, die eine nachhaltige Wirkung haben.

Gerhard Uhrmacher ist Programm-Manager für Nordkorea bei der Deutschen Welthungerhilfe (Foto: Gerhard Uhrmacher / Welthungerhilfe)
Seit acht Jahren koordiniert Gerhard Uhrmacher das Nordkorea-Programm der Deutschen WelthungerhilfeBild: privat

Nur Ende 2005 gab es mal einen großen Bruch. Damals hat die nordkoreanische Regierung humanitäre Hilfe für beendet erklärt und die Internationale Gemeinschaft aufgefordert, das Land zu verlassen. Wir haben das respektiert, unsere Mitarbeiter sind für ein paar Wochen nach China ausgereist. Nur eine Vertreterin ist im Land geblieben, um mit der Regierung darüber zu sprechen, wie wir unsere Arbeit fortsetzen können. Letztendlich blieben sechs internationale Organisationen übrig, die weitergearbeitet haben, darunter auch die Welthungerhilfe.

Sie müssen sich bei Ihrer Arbeit immer mit der nordkoreanischen Seite abstimmen. Wie gestaltet sich das?

Es gibt schon Restriktionen. Die Bewegungsfreiheit ist klar eingeschränkt, unsere Kollegen können beispielsweise nicht überall im Land herumreisen, sondern in der Regel nur dort, wo wir auch arbeiten. Das wird vorher beantragt, geplant und dann genehmigt. Es kommt nur selten vor, dass eine Reise nicht stattfinden kann. Auch Besucher, die sich Projekte anschauen wollen, sei es aus der eigenen Organisation oder auch von Geldgeberseite, haben eigentlich keine Probleme.

Bei solchen Besuchen sind immer koreanische Vertreter dabei, meist Mitarbeiter des Außenministeriums. Es gibt eine Behörde, die mit den Nichtregierungsorganisationen kooperiert, und diese Leute arbeiten auch bei uns im Büro. Dabei hören sie natürlich auch mit - und können dann berichten, was wir tun. Aber nach so vielen Jahren hat man als Organisation natürlich einen gewissen Vertrauensbonus. Es ist etwas ganz anderes, ob jemand schon seit mehreren Jahren im Land tätig ist oder ganz neu von außen hereinkommt.

Wie sehr spielen aktuelle politische Entwicklungen wie beispielsweise die Spannungen rund um den dritten Atomtest Anfang 2013 für die Arbeit Ihrer Mitarbeiter vor Ort eine Rolle?

Die Kollegen vor Ort bekommen diese Spannungen meist gar nicht so mit. Die Heftigkeit der Reaktionen nimmt man vom Ausland aus stärker wahr.

Sie sagen, dass Sie trotz jahrelanger Präsenz eingeschränkt sind. Gibt es die Möglichkeit, offen mit den nordkoreanischen Mitarbeitern zu sprechen? Bekommen Sie einen Eindruck davon, was in ihnen vorgeht?

Das ist schwierig. Es gibt zwar durchaus private Kontakte: Wenn wir beispielsweise zu unseren Projektenunterwegs sind oder mehrtägige Schulungen geben, bekommen wir einiges von den Leuten mit. Auch persönliche Dinge. Die Menschen erzählen über ihre Familie oder fragen nach, wo wir herkommen und wie wir leben. Solche Gespräche gibt es schon, aber trotzdem bleibt immer eine gewisse Distanz – besonders, wenn es um politische Fragen geht.

Wie groß ist für Sie die Diskrepanz zwischen dem, was man von Nordkorea im Ausland sieht und dem, wie es tatsächlich vor Ort ist?

Das Bild, das vom Land gezeichnet wird, ist nur ein Teilausschnitt. Man muss auch sehen, dass in Nordkorea mehr als zwanzig Millionen Menschen leben, die ihren Alltag organisieren und mit dem, was sie haben, leben müssen: unbeheizte Wohnungen, schlecht ausgestattete Häuser, zu wenig Grundnahrungsmittel.

Es ist nicht so, dass die Leute nicht wüssten, wie man einige Dinge besser machen könnte, sondern es herrscht einfach chronischer Mangel. Die Infrastruktur ist unzureichend, die Stromversorgung reicht nicht aus, es gibt nicht genug Maschinen und Transportmittel. Es fehlt an vielem, gleichzeitig sind wir beschränkt in Bezug auf die Finanzierung der Projekte: Es gibt nur sehr begrenzt Geld für Nordkorea, weil viele Geber nicht bereit sind, hier viel zu investieren. Auch auf dem privaten Spendenmarkt ist es sehr schwierig. Das Land hat einfach ein sehr negatives Image, und das drückt sich auch dadurch aus, dass die finanzielle Unterstützung sehr zurückhaltend ist

Zudem muss Nordkorea selbst zu einer Verbesserung beitragen. Im gesamten System finden sich Schwachpunkte: Beispielsweise ist die Landwirtschaft auf großen Flächen staatlich organisiert. Privatleute haben zu wenig Zugang zu Land, es fehlt an Produktionsmitteln wie gutem Saatgut, Dünger, Bewässerung, Landtechnik oder Maschinen. Und das sind alles Faktoren, die wir nicht unbeschränkt beeinflussen können.

In diesem Sommer hat die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA berichtet, das Land habe mit der schlimmsten Dürre seit Jahrzehnten zu kämpfen. Entsprechend würden große Ernteausfälle befürchtet. Was berichten Ihre Mitarbeiter vor Ort diesbezüglich?

Zunächst einmal: Wir bewegen uns nicht im gesamten Land. Wir kennen nur die Projektgebiete, in denen wir tätig sind und die wir regelmäßig besuchen. Dort muss man die Situation ein bisschen differenziert darstellen. Es hat wohl Ertragseinbußen bei Winterweizen, Wintergerste und bei Kartoffeln gegeben. Die Zahlen variieren hier zwischen 30 und 50 Prozent Ertragseinbußen durch die Trockenheit.

Das ist aber nur ein Teil der gesamten Ernte. Die angebaute Menge an Weizen, Gerste und Kartoffeln ist relativ gering im Vergleich zu den Haupternten, die erst viel später erfolgen. Die Haupternte besteht aus Reis, Mais und Sojabohnen - und di werden erst im Herbst geerntet. Die Regenzeit hat jetzt auch eingesetzt, insofern kann man im Moment noch gar nicht zuverlässig abschätzen, wie diese Haupternte sein wird. Aber wenn es sich so weiter entwickelt, kann man davon ausgehen, dass sie mindestens so gut sein wird wie im vergangenen Jahr.

Es ist auch so, dass die täglichen Rationen im Moment noch nicht gesenkt wurden, sie sind noch bei 400 Gramm pro Tag. Das ist immer ein Anzeichen: Wenn die Vorräte stark schrumpfen oder die Ernteaussichten schlecht sind, dann muss der Staat auch die Rationen, die noch verteilt werden, reduzieren. Dazu kommt, dass die gesamte Fläche Nordkoreas nur zu 20 Prozent landwirtschaftlich nutzbar ist, der Rest besteht aus Gebirge undsteinigen Flächen. Und wenn diese verbleibende Fläche nicht optimal landwirtschaftlich genutzt wird, dann schränkt das noch weiter ein.

Mit dem jungen Diktator Kim Jong Un waren anfangs viele Hoffnungen verknüpft: darauf, dass er das Land öffnen, wirtschaftlich reformieren und aus der politischen Isolation herausführen könnte. Welche Erwartungen haben Sie mit ihm verknüpft und was ist daraus geworden?

In unserem Tätigkeitsbereich war immer die Rede davon, dass es Reformen im Bereich der Landwirtschaft geben soll, aber das ist bisher nicht erkennbar. Schwerer geworden ist unsere Arbeit allerdings dadurch, dass wir weniger Mittel haben. Die Geldgeber halten sich sehr zurück. Auch die international verhängten Sanktionen haben Auswirkungen auf unsere Arbeit. Der Transport von Hilfsgütern ist schwieriger geworden, genau wie die Überweisung von Projektmitteln. Grundsätzlich haben sich die Rahmenbedingungen für unsere Arbeit durch den Machtwechsel bisher nicht geändert.

Gerhard Uhrmacher koordiniert seit acht Jahren das Nordkorea-Programm der Deutschen Welthungerhilfe.