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Selahattin Demirtas in Deutschland

Daniel Heinrich 24. Juli 2014

Zum ersten Mal dürfen auch im Ausland lebende Türken bei den Präsidentschaftswahlen wählen. Neben Erdogan stehen noch zwei weitere Kandidaten zur Wahl. Einer davon ist Selahattin Demirtas. Er war zu Besuch in Köln.

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Selahattin Demirtas bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Türkei (Foto: EPA/Sedat Suna)
Bild: picture-alliance/dpa

Es ist ein Heimspiel für Selahattin Demirtas, den Präsidentschaftskandidaten der kurdischen HDP - der "Demokratischen Partei der Völker". Ein paar hundert Leute sind es, die sich trotz sengender Hitze in der Kölner Innenstadt versammelt haben. Vor der Bühne, rund um den Platz, sind Essensstände aufgebaut. Die Menschen schwenken die rot-weiß-grünen Fahnen mit der gelben Sonne, dem Symbol kurdischer Autonomie. Selahattin Demirtas präsentiert sich als Gegenmodell zum Establishment. Zu Recep Tayip Erdogan, aber auch zum Kandidaten der türkischen Opposition, Ekmeleddin Ihsanoglu.

"Wir haben von Anfang an keinen Unterschied zwischen Erdogan und der Linie der CHP-MHP-Koalition (Anm. der Redaktion: Cumhuriyet Halk Partisi, deutsch: Republikanische Volkspartei und Milliyetçi Hareket Partisi, deutsch: Partei der Nationalistischen Bewegung) und deren Kandidaten gesehen und ich bin der Meinung, dass auch der Kandidat der Opposition, Herr Ihsanoglu, die freiheitlich-demokratische Linie, auf die wir so viel Wert legen, nicht verfolgt," sagt mir Demirtas im Gespräch vor seinem Wahlkampfauftritt.

Kandidat der Jugend

Dem charismatischen Demirtas werden bei den Wahlen kaum Chancen eingeräumt. In der Wählergunst liegt er bei rund sieben Prozent. Das macht frei, auch was Wahlversprechen anbelangt. Mit seinen 41 Jahren sieht er sich als Kandidat der Jugend. Hier in Köln kommt das an. Esra ist Mitte 20 und studiert Architektur. Sie trägt ein Sommerkleid und Sandaletten mit Keilabsatz. Von Selahattin Demirtas ist sie begeistert: "Selahattin Demirtas steht für eine ganz andere Politik. Vor allem weil er die Rechte aller Minderheiten, aller unterdrückten Völker, aller unterdrückten Klassen zum Ausdruck bringt und diese auch unterstützt. Und deswegen stehen wir hinter ihm und denken, dass er die einzige Alternative ist."

Rohat ist Mitte 30. Demirtas, das ist sein Mann. "Der kandidiert nicht nur für die kurdische Stimme. Er kandidiert für alle Minderheiten und Religionen in der Türkei. Und durch diesen Kampf wird die Türkei demokratisch. Die Türken lernen von ihm und von der kurdischen Bewegung richtige Demokratie," meint Rohat.

Wahlkampfveranstaltung von Selahattin Demirtaş in Köln (Foto: DW/ Daniel Heinrich)
Die Wahlkampfveranstaltung in Köln ist gut besuchtBild: DW/D. Heinrich

Nähe zur PKK?

Es erinnert fast an einen Hollywood-Film über einen Polit-Newcomer. Und doch hinkt der Vergleich. Ein älterer Herr spricht mich an. Er hält ein Klemmbrett unter dem Arm und bittet um eine Unterschrift: "Für Öcalan", sagt er und senkt dabei ein wenig die Stimme. Abdullah Öcalan ist der ehemalige Anführer der verbotenen "Kurdischen Arbeiterpartei" - der PKK. Seit 1999 sitzt er in Haft. Die Europäische Union und die USA stufen die PKK als Terrororganisation ein. Unterstützung für Terroristen? Was für ein Kontrast zu den Worten Demirtas:

"Ich repräsentiere eine breite Schicht der Bevölkerung, eine sehr vielfältige Schicht. Angefangen von den Kurden, Aleviten, Armeniern, Frauen, Arbeitern, Türken und generell allen Unterdrückten, die in ihrer Vielfalt nicht respektiert und anerkannt werden", sagt er. Er erhalte derzeit Unterstützung, nicht nur aus seiner, der kurdischen Wählerschaft, sondern aus einer breiteren Wählerschaft, die er auch anspreche. "Ich setze mich für die Rechte von allen ein", betont er im Interview.

Es könnte eine so schöne Geschichte sein. Selahattin Demirtas und sein demokratischer Kampf gegen die Goliaths des Polit-Establishments. Und doch bleibt ein fahler Beigeschmack, nicht nur wegen des älteren Herren auf der Suche nach Unterschriften für Öcalan. Eben jenem Öcalan stattet Demirtas regelmäßig Besuche im Gefängnis ab, um mit ihm die aktuellen politischen Entwicklungen in der Türkei zu erörtern. Und die Verbindung von Demirtas zur verbotenen Untergrundorganisation wird auch an anderer Stelle deutlich. Angemeldet war die Veranstaltung in Köln von Yek-Kom, der "Föderation kurdischer Vereine in Deutschland". Der Dachverband ist den deutschen Behörden nicht unbekannt. Laut Verfassungsschutz dient er Anhängern der Kongra-Gel als Anlaufstelle. Kongra-Gel, oder auch "Volkskongress Kurdistan" ist die Nachfolgeorganisation der PKK.

Kurdischer Rebellenführer Abdullah Öcalan (Portrait), Foto: Reuters
Seit 1999 in Haft: Kurdenführer Abdullah ÖcalanBild: Reuters