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Türkei erwägt Truppenentsendung nach Syrien

Thomas Seibert29. September 2014

Noch diese Woche will die türkische Regierung ein Gesetz für einen möglichen Einsatz der Armee im Nachbarland Syrien ins Parlament einbringen. Die Initiative folgt auf eine Kehrtwende Ankaras.

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Türkischer Soldat in Akcakale (Foto: BULENT KILIC/AFP/GettyImages)
Bild: Bulent Kilic/AFP/GettyImages

Ankara hat seine anfängliche "Ohne-Mich"-Position aufgegeben und will nun die Anti-IS-Koalition unter Führung der USA unterstützen, dabei die eigenen Ziele in Syrien aber nicht aus dem Auge verlieren. "Für die Türkei bleibt das wichtigste Problem in Syrien das Assad-Regime", sagte Okay Gönensin, Kolumnist der Tageszeitung "Vatan", der Deutschen Welle. Möglicherweise habe Washington der Türkei ein stärkeres Engagement gegen Assad zugesagt. Im Gegenzug, glaubt Gönensin, habe Erdogan die Teilnahme an der Allianz versprochen.

Trotz der Gefahr durch die Kämpfe zwischen dem IS und den syrischen Kurden an der türkischen Grenze bei Kobane und trotz der Drohung des IS mit Anschlägen in der Türkei, weigerte sich Ankara wochenlang, sich am internationalen Bündnis gegen die Dschihadisten zu beteiligen. Erst nach einem Besuch bei der UN-Vollversammlung in New York verkündete Präsident Recep Tayyip Erdogan eine radikale Kehrtwende: "Die Bedingungen haben sich geändert", erklärte er. Die Freilassung der fast 50 türkischen Geiseln, die drei Monate in der Gewalt des IS waren, hätten die Türkei handlungsfähiger gemacht.

Erdogan will eine Pufferzone

Nun verlangt Erdogan eine Ausweitung der Angriffe auf den IS in Syrien. Ein Flugverbot über Teilen von Syrien und die Einrichtung von Pufferzonen auf syrischem Boden sind weitere türkische Forderungen. Darüber habe er mit US-Präsident Barack Obama gesprochen, sagte Erdogan am vergangenen Wochenende. Der türkische Präsident hatte die neue Haltung seines Landes zuvor in New York angedeutet. "Vatan"-Kolumnist Gönensin und andere Beobachter vermuten, dass Erdogan und US-Regierungsvertreter in New York auch über den Kampf gegen Assad gesprochen haben.

Das türkische Parlament soll gleich nach der Rückkehr aus der langen Sommerpause am Donnerstag über ein Entsendegesetz für einen Einsatz der Armee in Syrien beraten. Der genaue Inhalt des Gesetzes ist noch nicht bekannt, doch soll gleichzeitig auch die gesetzliche Grundlage für einen möglichen Einsatz im Irak geschaffen werden. Erdogan dränge die USA, sich nicht auf Luftangriffe auf IS-Stellungen zu beschränken, sagt Oytun Orhan, Nahostexperte bei der Ankaraner Denkfabrik Zentrum für Strategische Studien des Nahen Ostens (Orsam). "Es geht um die langfristigen sozialen und politischen Gründe für das Entstehen des IS", sagte Orhan der Deutschen Welle.

Erdogan, Rede bei der UN Vollversammlung 24.09.2014 (Foto: REUTERS/Lucas Jackson )
In New York kam es zur Wende in Erdogans HaltungBild: Reuters/Lucas Jackson

Nicht auf den IS beschränken

Türkische Regierungspolitiker betonen, die Brutalität der Assad-Regierung in Syrien sowie die Benachteiligung der sunnitischen Muslime im schiitisch regierten Irak hätten in den vergangenen Jahren zu einer Radikalisierung beigetragen, die Wasser auf die Mühlen der Extremisten gelenkt habe. Dieser "Sumpf" müsse trockengelegt werden, sagt Erdogan.

Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist die Stärkung der nicht-dschihadistischen Kräfte innerhalb der syrischen Opposition. Einheiten der Freien Syrischen Armee (FSA), die einst auf türkischem Boden gegründet wurde, könnten in den von Erdogan geforderten Pufferzonen in Syrien mit Waffen versorgt und ausgebildet werden, berichtete die türkische Zeitung "Evrensel". In den Pufferzonen sollen zudem hilfsbedürftige Syrer versorgt werden können, ohne dass sie in die Türkei fliehen müssen. Ankara hat bereits rund 1,5 Millionen Syrer im Land.

Kurden sind misstrauisch

Die Rufe nach Pufferzonen werden von den Kurden beiderseits der Grenze mit Misstrauen beobachtet. Sie haben Ankara im Verdacht, gegen die Autonomiebestrebungen der syrischen Kurden vorgehen zu wollen. Hasip Kaplan von der türkischen Kurdenpartei HDP warf der Regierung vor, sie wolle mit den Pufferzonen das autonome syrische Kurdengebiet Rojava bekämpfen. Enver Müslüm, der Chef der kurdischen Selbstverwaltung in Kobane, wurde von "Evrensel" mit den Worten zitiert, Ankara gebe die Zahl der seit einer Woche bei Kobane in die Türkei geflüchteten Menschen absichtlich viel zu hoch an, um so die geplante Einrichtung der Schutzzonen auf syrischem Gebiet zu legitimieren.

Kurdische Flüchtlinge aus Syrien in der Türkei (Foto: REUTERS/Murad Sezer)
Ankara möchte, dass die Flüchtlinge in Syrien bleibenBild: Reuters/Murad Sezer

Ob und wie die Pufferzonen verwirklicht werden können, ist derzeit unklar. Auch die Frage, welche Länder außer der Türkei die militärische Sicherung der Zonen übernehmen könnten, ist unbeantwortet. Erdogan will sich aber nicht von seinem Plan abbringen lassen. Nur aus der Luft werde der IS nicht besiegt werden können, sagte er. "Ohne Bodenoperation ist kein Ort dauerhaft gesichert."