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TV-Fußball als teure Show-Veranstaltung

8. Mai 2011

Sport ist ein Milliarden-Geschäft. Das gilt insbesondere für den Fußball. Ohne die Gelder der TV-Sender wäre das nicht möglich. Die wollen ihre Investitionen refinanzieren. Das tun sie mit viel Werbung und Firlefanz.

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Fußballschuhe mit Euro-Banknoten (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Dass Medien einen kritischen Blick auf sich selbst werfen, kommt eher selten vor. In Berlin unternimmt das von Journalisten gegründete "Netzwerk Recherche" gelegentlich diesen Versuch. Dann streiten Experten in der Vertretung des Landes Rheinland-Pfalz über heikle Themen. Dieses Mal ging es um Kosten und Qualität der Sportberichterstattung im Fernsehen. Im Mittelpunkt stand natürlich König Fußball.

Die Übertragungsrechte für die Weltmeisterschaft hat sich der Weltverband FIFA 1986 mit knapp 50 Millionen Dollar bezahlen lassen, 2006 waren es bereits 1,5 Milliarden. Diese Zahlen nannte der frühere FIFA-Marketingchef Guido Tognioni. Die Kommerzialisierung ist eng mit dem Namen des seit 1998 amtierenden FIFA-Präsidenten Sepp Blatter verbunden, der wie Tognioni aus der Schweiz stammt. Um die gewaltigen Summen wenigstens teilweise wieder hereinzuholen, dauert eine Fußball-Übertragung oft drei Stunden – doppelt so lange wie das Spiel selbst.

Interviews vor Wänden mit Sponsoren-Logos

Sepp Blatter (Foto: picture alliance)
Forciert die Vermarktung: FIFA-Boss Sepp BlatterBild: picture alliance/Photoshot

Das liegt vor allem an den zahlreichen Werbe-Spots und Gewinnspielen, die bei den Privat-Sendern eine noch größere Rolle spielen, als bei den gebührenfinanzierten. Trotz alledem versteht der Chef der öffentlich-rechtlichen ARD-"Sportschau", Steffen Simon, seinen Job als Information. "Fußball ist Teil unserer Kultur geworden, er unterscheidet sich insofern elementar von einfacher Unterhaltung", behauptet Simon.

Er gibt aber auch zu, dass ihm die Arbeitsbedingungen mitunter "total auf den Wecker" gingen. Jedes Detail ist reguliert. Interviews müssen vor Werbe-Wänden mit Sponsoren-Logos geführt werden. So steht es in den Verträgen, die mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) abgeschlossen wurden. Und wehe, es werden mal unerlaubte Bilder im Kabinen-Gang gedreht. Dann wird schon mal damit gedroht, von der Berichterstattung ausgeschlossen zu werden, schilderte der "Sportschau"-Chef unliebsame Erfahrungen.

Gefahr für die Presse-Freiheit?

Sami Allagui (Foto: DW)
Ins rechte Werbe-Bild gerückt: Der Mainzer Stürmer AllaguiBild: DW/Ouifaq

Auch der frühere Leiter des "Aktuellen Sportstudios" im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF), Thomas Fuhrmann, findet die Entwicklung in der Sport-Berichterstattung teilweise bedenklich. Eine Gefahr für die Presse-Freiheit kann er allerdings nicht erkennen. Man müsse das komplette Bild sehen. Es gebe öffentlich zugängliche Presse-Konferenzen, "wo man auch unangenehme, harte Fragen stellen kann".

Sehr skeptisch beurteilt der Sportwissenschaftler Helmut Digel die Art der Berichterstattung. Der ehemalige Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) beklagt eine Benachteiligung vieler Sportarten, die kaum im Fernsehen vorkämen, weil fast das ganze Geld für Fußball, Formel 1 und Boxen ausgegeben werde. TV-Sport ist aus Digels Sicht reine Unterhaltung.

Zwischen den Sport-Verbänden und dem Fernsehen agierten Agenturen, die nur einen Auftrag hätten: ihre Sponsoren bei Ereignissen zu platzieren, die positiv wahrgenommen würden und nicht kritisch besetzt seien.

Ex-FIFA-Funktionär fordert mehr Transparenz

Der ehemalige FIFA-Funktionär Tognioni wirft den Sendern zudem vor, die wahren Kosten zu verheimlichen, die sie für Übertragungsrechte ausgeben würden. Medien würden immer auf Transparenz bestehen, wenn sie über andere Unternehmen berichteten. Aber was das Fernsehen in Deutschland oder der Schweiz für Übertragungsrechte bezahle, erfahre er nicht. "Wieso eigentlich nicht? Sagen Sie mir, weshalb nicht!", verlangte Tognioni.

Eine Antwort auf seine Fragen erhielt er nicht. Die anwesenden Fernseh-Journalisten gaben vor, die Zahlen nicht zu kennen. Und der, der sie auf jeden Fall kennen sollte, hatte kurzfristig abgesagt: Der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Christian Seifert. Ihm habe wohl der Titel der Diskussionsrunde missfallen, mutmaßten die Gastgeber der Gesprächsrunde in Berlin: "Von der Sportberichterstattung zur Event-Inszenierung".

Doping-Experte beklagt Ausgrenzung

Radrennfahrer-Pulk (Foto: AP)
Berichte über Doping sind bei den Offiziellen unerwünschtBild: AP

Einer, der sich dem Trend zum Event verweigert, ist der Sportjournalist Hajo Seppelt. Früher stand er als Reporter am Beckenrand und auf der Tribüne, wenn die besten Schwimmer der Welt ihre oft verdächtig schnellen Zeiten erzielten. Seppelt begann, hinter die Kulissen zu blicken und erwarb sich den Ruf, einer der kritischsten Rechercheure seiner Zunft zu sein. Er gehört zum Team der Doping-Redaktion, die "Sportschau"-Chef Steffen Simon ins Leben gerufen hat.

Nirgends sonst auf der Welt gebe es eine solche Redaktion, sagt Seppelt. Und das führe dazu, dass immer mehr deutsche Journalisten von internationalen Organisationen ausgegrenzt würden. Er kenne Kollegen, die vom Weltfußball-Verband FIFA reglementiert würden. "Und der Radsport-Weltverband UCI lehnt es ab, mit uns jegliches Interview zu machen", empört sich Seppelt.

Sportschau-Chef: "Die Hure zahlt"

Interviews in der oft mehr unterhaltenden als informierenden Fußball-Berichterstattung wären nichts für einen hartnäckigen Sportjournalisten wie ihn, sagt Seppelt. Sein Kollege Steffen Simon glaubt, dass die Geister, die man gerufen habe, zumindest in der Fußball-Berichterstattung wohl nicht mehr zu vertreiben seien. Der "Sportschau"-Chef verblüffte abschließend mit einem drastischen Eingeständnis: "Der Fußball hat zum Fernsehen ein Verhältnis, wie der Freier zur Hure, nur dass die Hure zahlt."

Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Stefan Nestler