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Tsipras spielt die russische Karte

Barbara Wesel 8. April 2015

Wird Moskau Pleitekandidat Griechenland mit einem MiIliardenkredit belohnen, wenn Athen sich als "Trojanisches Pferd" in der EU und Sanktionsbrecher zeigt? Brüssel beobachtet Athens Politpoker mit Nervosität.

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Premierminister Alexis Tsipras, Foto: Reuters
Bild: Reuters/Alkis Konstantinidis

Die EU-Kommission in Brüssel kann Staatsbesuche von Regierungschefs ihrer Mitgliedsländer nicht kommentieren, auch wenn sie so unwillkommen sind wie die Reise von Alexis Tsipras nach Moskau. Also konzentrierte sich am Tag davor alles auf das Thema Pfirsiche: Sollte es Griechenland gelingen, den Handelsboykott für Agrarprodukte zu unterlaufen, den die russische Regierung im vorigen Jahr als Vergeltung gegen die EU-Sanktionen verhängt hatte - was würde die Kommission dazu sagen? Seitdem klagen nämlich nicht nur schottische Lachsfarmer und polnische Apfelbauern, sondern auch griechische Pfirsichfarmer über ausbleibende Absätze. Bis zu 60 Prozent ihrer Ernte verkaufen sie normalerweise nach Russland, insgesamt exportierte Griechenland vor dem Handelsembargo für 180 Millionen Euro Agrarprodukte für den russischen Markt, knapp ein Viertel seiner Produktion. "Wir erwarten, dass alle Mitgliedsstaaten gleich behandelt werden", erklärte ein Behördensprecher dazu, die Handelspolitik sei eine ausschließlich Kompetenz der EU.

Angst vor Erpressung

Eine weitere Warnung in Richtung Athen, nicht aus der Reihe zu tanzen, was den Umgang mit Russland betrifft. Dabei geht es natürlich nicht um die Pfirsiche, sondern um mehr: Die russische Zeitung "Kommersant" erklärte vor dem Tsipras-Besuch, es solle über Rabatte beim Gaspreis gesprochen werden und über Kredite, die allerdings nur im Gegenzug für Beteiligungen gegeben werden könnten. An welchen griechischen Staatsunternehmen Moskau da Interesse hätte, bleibt zunächst offen. Moskau soll am Hafen von Thessaloniki interessiert sein, frühere Verhandlungen etwa über eine russische Beteiligung am Gasversorger Depa waren jedoch gescheitert. Stattdessen will Griechenland eine Verlängerung der geplanten Turkish Stream Pipeline über eigenes Territorium anbieten, so dass von dort aus Südosteuropa beliefert werden könnte. Für den russischen Gazprom-Konzern ein verlockendes Angebot, wofür er möglicherweise nicht mehr bieten muss, als den überhöhten Gaspreis für Griechenland auf übliches EU-Niveau zu senken.

Weder die Obst- noch die Gasfrage wären im Prinzip geeignet, die EU aus den Angeln zu heben. Allerdings hatte Alexis Tsipras in der vergangenen Woche bereits einige Vorarbeit geleistet, um das Drohpotential seines Moskau-Besuches zu verdeutlichen: Griechenland könne ein Verbindungsglied zwischen Russland und dem Westen sein, die Sanktionen der EU führten zu nichts. "Frühere griechische Regierungen haben nicht ihr Bestes getan, um die Sanktionen wegen der Ukraine-Krise zu verhindern", sagte er der russischen Nachrichtenagentur Tass. Ein deutlicher Wink, dass er das anders handhaben könne, wenn im Juni auf dem EU-Gipfel die Verlängerung dieser Sanktionen ansteht. Und schließlich: Die neue europäische Sicherheitsarchitektur müsse Russland mit einschließen. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz warnte daraufhin in der "Hannoverschen Zeitung", Tsipras solle seine EU-Partner nicht verprellen, es sei nicht akzeptabel, wenn er als Gegenleistung für russische Hilfe die einheitliche Haltung Europas in der Russland-Politik aufs Spiel setze. Und der Vorsitzende der Christdemokraten im Europaparlament, Manfred Weber, erklärte dazu: "Ministerpräsident Tsipras betreibt mit seinem Moskau-Besuch in schwieriger Zeit ein riskantes Spiel. Die anderen EU-Länder werden sich von ihm nicht ausspielen lassen".

Berlin Tsipras bei Merkel
Angela Merkel traf sich Ende März mit TsiprasBild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Widersprüchliche Botschaften aus Athen

Finanzminister Yanis Varoufakis hatte am Wochenanfang dem Verdacht allerdings widersprochen, Athen wolle in Moskau ein Geschäft einfädeln nach der Devise: Milliardenkredit gegen Spaltung der EU bei den Russlandsanktionen. Griechenland suche keine Finanzhilfen außerhalb der EU, versicherte Varoufakis, so etwas werde innerhalb der europäischen Familie geregelt. Man pflege aber wie jedes andere Land auch bilaterale Beziehungen, sagte er einer Wirtschaftszeitung in Athen. Außenpolitikexpertin Judy Dempsey von der Carnegie Stiftung zweifelt daran, dass solchen Zusicherungen zu trauen ist: Schließlich habe Moskau auch Zypern 2,5 Milliarden Euro geliehen, als das Land 2011 vor dem Bankrott stand. Tsipras versuche hier eine ganz krude Taktik, nämlich die EU gegen Russland auszuspielen. Und Präsident Putin werde auf das Spiel einsteigen und versuchen die "weiche südöstliche Flanke der Europäischen Union" herauszulösen und für seine Zwecke zu instrumentalisieren.

Vor allem aber sieht sie den Besuch von Alexis Tsipras in Moskau, so kurz nach seiner Berlin-Reise, als eine Beleidigung der Bundeskanzlerin: "Merkel hat ihm den roten Teppich ausgerollt und ihm fünf Stunden ihrer Zeit gewidmet". Sie habe viel Verständnis für die griechischen Probleme gezeigt, aber für Athen werde der Flirt mit Putin jetzt nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Symbolbild Beziehungen Russland Griechenland
Putin versucht, Risse in der EU für sich zu nutzenBild: picture-alliance/dpa/Zhdanov

Athen droht der EU

Die Strategie der griechischen Regierung in den letzten Wochen findet Dempsey zunehmend "traurig": Sie benutzten die zwei existentiellen Bedrohungen für Europa, durch Russland und durch den IS-Extremismus, um ihre europäischen Partner unter Druck und ihre Forderungen durchzusetzen. Der rechtspopulistische Verteidigungsminister Kammenos drohte jetzt im Interview mit der britischen Zeitung "The Times" erneut, wenn die EU nicht aufhöre sich in innergriechische Angelegenheiten einzumischen, werde Griechenland seine Rolle als Bollwerk gegen den Zustrom von IS-Kämpfern nicht mehr spielen. Es gehe um mehr als die Stabilität des Euro. Schon im März hatte er damit gedroht, Athen könne unkontrollierte Scharen von Flüchtlingen und Dschihadisten nach Europa einreisen lassen.

"Tsipras brennt hinter sich alle Brücken ab", sagt Judy Dempsey dazu. Griechenland müsse endlich verstehen, was die EU für das Land bedeute, und wie wichtig die Mitgliedschaft in den letzten Jahrzehnten war. Außerdem gebe es durchaus Verständnis dafür, dass in der Umsetzung der letzten Hilfsprogramme auch von EU-Seite Fehler gemacht worden seien. Allerdings müsse die griechische Regierung endlich einen glaubwürdigen Reformplan auf den Tisch legen, das bisherige Agieren sei unseriös und unprofessionell. Auch CSU-Europapolitiker Weber sagt: "Bei der Fortsetzung des Hilfsprogramms für Griechenland zählen ausschließlich Taten, und die bleibt die griechische Regierung immer noch schuldig". Stattdessen beobachtet man in Brüssel nervös, wie Alexis Tsipras die geopolitische Karte zieht, und dabei die Zukunft seines Landes und die Geschlossenheit der Europäischen Union aufs Spiel setzt.

Judy Dempsey Carnegie Foundation Europe
Judy Dempsey, Carnegie StiftungBild: Carnegie Foundation Europe