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Vier Sieger in Genf

Bernd Riegert17. April 2014

Russland lässt die Separatisten in der Ost-Ukraine vorerst fallen. Der Kreml löscht den Brand, den er selbst gelegt hat. Endlich! Damit ist beim Genfer Vierer-Gipfel ein Durchbruch geglückt, meint Bernd Riegert.

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Deutsche Welle Bernd Riegert
Europakorrespondent Bernd Riegert, Studio Brüssel

Die Genfer Erklärung von EU, USA, Ukraine und Russland ist die richtige Friedensbotschaft für das Osterfest, das in den westlichen und östlichen Kirchen in diesem Jahr gleichzeitig gefeiert wird. Jetzt kommt es darauf an, dass in den nächsten Tagen umgesetzt wird, was angekündigt wurde: Entwaffnung der Separatisten und anderer illegal bewaffneter Gruppen in der Ukraine, Räumung der besetzten Verwaltungsgebäude in der östlichen und südlichen Ukraine. Alle Seiten haben sich zur Deeskalation verpflichtet, auch der russische Außenminister Sergej Lawrow. Das ist ein Durchbruch, der zu einer Entspannung der Lage führen kann. Die Ukraine verpflichtete sich im Gegenzug, eine Staatsform in die Verfassung zu schreiben, die den russischsprachigen Bevölkerungsgruppen entgegen kommt. Dies hatte Kiew allerdings auch schon vor dem Vierer-Treffen zugesagt. Die radikalen Rechten in der Ukraine müssen ihre Waffen auch abgeben. Jeglicher Antisemitismus muss verfolgt werden.

Besonders wichtig ist, dass der russische Außenminister zugestanden hat, dass Russland keine regulären Truppen in die östliche Ukraine schicken wird. Lawrow erschien in Genf in der überraschenden Rolle als Friedenstraube, wenn man einmal davon absieht, dass er die Regierung in Kiew immer noch nicht als rechtmäßig anerkennt. Vielleicht ist der russischen Seite doch noch klar geworden, dass eine implodierende und wirtschaftlich chaotische Ukraine Russland am Ende längerfristig mehr schaden als nutzen würde. Die USA und die EU haben das seit Wochen gepredigt. Die Botschaft scheint angekommen zu sein.

Erfolgreiche Diplomatie könnte Krise beilegen

Sehr zu begrüßen ist auch, dass Russland zugestimmt hat, dass die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) den Entspannungs- und Entwaffnungsprozeß in der Ukraine überwachen soll. Die Europäische Union kann ihre wirtschaftlichen Sanktionen zunächst einmal in der Schublade lassen. Das nimmt man in Brüssel erleichtert zur Kenntnis, denn das erspart der EU schmerzhafte Entscheidungen, die intern umstritten sind. Auch die unmittelbare Gefahr einer Lieferblockade für Gas und Öl ist gebannt. Die EU wird mit Russland und der Ukraine über die Energieversorgung und die Begleichung der ukrainischen Schulden beraten.

Ein Sieg für die Diplomatie, der aber einen Preis hat. Die Krim ist jetzt Teil Russlands und wird es bleiben. Die USA, die EU und die Ukraine haben stillschweigend die als völkerrechtswidrig gebrandmarkte Annexion der Krim-Halbinsel hingenommen. Die Krim wurde in der Genfer Erklärung nicht mehr erwähnt. Die Ukraine-Krise hat zwischen dem Westen und Russland viel, wenn nicht sogar jegliches Vertrauen zerstört. Das muss jetzt mühsam wieder aufgebaut werden. Eine Annäherung oder gar eine strategische Partnerschaft, die die EU und Russland in den letzten Jahrzehnten angestrebt hatten, ist bis auf Weiteres tot.

Nach den Worten von Sergej Lawrow erwartet Russland, dass die Ukraine neutral bleibt, also keinem Militärbündnis beitritt. Das hat man ihm wohl zugestehen können, denn das steht selbst bei der ukrainischen Regierung nicht auf der Tagesordnung. Die NATO hat laut US-Präsident Barack Obama keine Ambitionen. Jetzt ist es an der Zeit, dass Russland seine 40 000 Soldaten von der ukrainischen Grenze abzieht und die NATO verbal ein wenig abrüstet. Die dauerhafte Stationierung von NATO-Verbänden zum Beispiel in Polen sollte das Bündnis erst einmal auf die lange Bank schieben.

Der ukrainische Premierminister Arsenij Jazenjuk hat gesagt, die Beschlüsse von Genf müssten "kühn, stark und weise" sein. Diese Erwartung ist erfüllt worden. Wird die Vereinbarung nun zügig umgesetzt, können wir uns mit der Ukraine auf ein einigermaßen entspanntes Osterfest freuen. Sergej Lawrow hat in Genf gesagt, die Ukrainer sollen allein über ihr Schicksal entscheiden, hoffentlich sieht das Präsident Putin im Kreml genauso. Ist sein Machthunger mit der Einnahme der Krim wirklich gestillt?