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Treibstoffquelle Mülldeponie

Richard Fuchs3. Januar 2013

Verkehrsplaner sind besorgt, dass sich bis 2050 der Verkehr in Johannesburg vervielfachen soll. Konzepte müssen her. Fündig wurden Forscher an ungewöhnlicher Stelle: Mülldeponien.

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Blick auf die Anlage von Novo Energy und der Universität Johannesburg (Foto: DW/R. Fuchs)
Bild: DW/R. Fuchs

Ein grüner Grashügel überragt ein Meer von alten Industrieanlagen und Brachflächen im Norden Johannesburgs. Für Taxifahrer Jeffrey ist das inzwischen mehr als nur der Anblick der alten Mülldeponie Sebenza im Stadtteil Ekurhleni. Es ist der Ort, an den er mehrfach in der Woche zurückkehrt, um an der wohl ungewöhnlichsten Tankstelle Südafrikas sein Taxi zu befüllen.

Der Erfinder Eddie Cooke steht an einer Zapfsäule auf einer bepflanzten ehemaligen Mülldeponie (Foto: Richard Fuchs)
Eddie Cooke: Biogas aus Mülldeponien für die TaxiflotteBild: DW/R. Fuchs

Denn bis knapp unter die Kuppe des hoch aufragenden Grashügels wurde hier eine Zufahrt geteert, mit der eine Zapfsäule und zwei nebeneinander liegende Fabrikhallen erreicht werden können. Hier hat Jeffrey beim Tanken den besten Rund-um-Blick auf die 10-Millionen-Einwohner-Region Johannesburg, sagt er. Aber vor allem bekommt er hier an der Versuchstankstelle des deutsch-südafrikanischen Energieforschungsprojekts "EnerKey" konkurrenzlos günstigen Treibstoff.

Alternativen für teures Bezin

Statt Normalbenzin tankt Jeffrey jetzt Biomethan, gewonnen direkt aus Abfällen im Inneren der Mülldeponie. Dafür hat er sein Taxi von Benzin auf Gasbetrieb umrüsten lassen. Trotz anfänglicher Mehrkosten sei das ein lohnendes Geschäft, sagt er während er an der Zapfsäule wartet: "Früher habe ich rund 240 Euro pro Woche fürs Tanken ausgegeben, mit dem Gas spare ich jetzt rund 80 Euro pro Woche."

Ein Drittel weniger Spritkosten, das fällt für den Besitzer eines Sammeltaxis ins Gewicht, schließlich hat sich der Preis pro Liter Normalbenzin seit 2007 in Südafrika glatt verdoppelt, auf jetzt etwas mehr als einen Euro pro Liter. "Benzin ist wirklich nur noch teuer", stöhnt Jeffrey über das neue Allzeithoch beim Sprit. Doch jetzt - nach seinem Umstieg beim Treibstoff - lässt es ihn allmählich kalt.

Eine Veredelungsanlage für minderwertiges Deponiegas, aus dem hochwertiges und angereichertes Methangas entsteht (Foto: DW/R. Fuchs)
Veredelungsanlage: Hier wird verunreinigtes Deponiegas zu hochwertigem Methangas weiterverarbeitetBild: DW/R. Fuchs

Der 29-jährige Familienvater Jeffrey verdankt das der "Waste-to-Fuel", also "Müll-zu-Treibstoff"-Technologie, die ein im Inneren der Deponie ausströmendes Abfallgas in mehreren Stufen reinigt und zu hochwertigem Biomethan-Treibstoff weiterverarbeitet. Eddie Cooke, technischer Leiter des Unternehmens Novo Energy, hat das Verfahren zusammen mit der Universität Johannesburg entwickelt. Er will eine günstige, lokal produzierte Treibstoffalternative anbieten, ohne dabei die Umwelt aus dem Auge zu verlieren.

"Mit Blick auf die Umwelt ist Biomethan eine sehr runde Sache, weil bei der Methan-Verbrennung sehr viel weniger Kohlendioxid-Emissionen frei werden als bei einer vergleichbaren Benzin-Verbrennung." Zudem gelte Methan beim Entweichen in die Erdatmosphäre auch als extrem klimaschädliches Treibhausgas. Da sei die Nutzung als Treibstoff vorteilhaft, sagt Cooke von Novo Energy. "Wir nutzen das Methan, um es in dem kontrollierten Umfeld eines Fahrzeugmotors zu verbrennen". Dabei werde der Energiegehalt des Methans genutzt. Übrig bleibe nur Kohlendioxid und Wasser, die weit weniger umwelt- und klimaschädlich seien als das reine Methan.

Mangelnde Mülltrennung birgt Chancen

Dass in Südafrika - wie in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern - über Jahrzehnte Müll nicht getrennt wurde, ist dabei der Ausgangspunkt für die neue Waste-to-Fuel-Technologie. Deponien gibt es im ganzen Land. Auf ihnen lagert ein wertvoller Rohstoff: organische Abfälle, eingezwängt unter einem Berg von Plastikmüll, Schutt und Metallen. In einem Zeitraum von bis zu 20 Jahren nach der Schließung einer Deponie faulen diese Abfälle unter Luftabschluss vor sich hin.

Dabei bauen Bakterien die Bioabfälle ab. Übrig bleibt sogenanntes Deponiegas. Es strömt langsam vom Inneren des Müllbergs hinauf zur Oberfläche. Darin enthalten sind Methan, Kohlendioxid, Stickstoff, Wasserstoff, aber auch Spuren des überriechenden Schwefelwasserstoffs. Ein dreckiger und stark wasserdampfhaltiger Gascocktail, der vielfach durch Abfackeln klimaschädlich entsorgt oder durch Gasturbinen verstromt wurde.

Ein Stau auf einer Hauptverkehrsader in Johannesburg (Foto: DW/R. Fuchs)
Rush Hour in der Megacity: schon heute stockt der Verkehr in Johannesburg täglichBild: DW/R. Fuchs

Eddie Cooke sieht in seinem mehrstufigen Veredlungsprozess vom Deponiegas zum Biomethan-Treibstoff eine bessere Lösung. In den zwei nebeneinander liegenden Fabrikhallen auf dem Grashügel hat er die Grobreinigung und Veredelung des Gases zusammengebracht. "Das Gas wird vor Ort gesäubert, getrocknet und verdichtet - alles aus einem Guss." So werden Wasser, Kohlendioxid und Schwefelwasserstoff abgeschieden, zurück bleibt gesäubertes Rohgas, erklärt Cooke.

Damit dieses Rohgas aber als Treibstoff für Erdgasfahrzeuge taugt, muss der Methananteil oder Brennwert des Gases mindestens bei 87 Prozent liegen. Deshalb wird der anfänglich bei 50 Prozent liegende Methananteil in zwei Kammern schrittweise erhöht. "In der ersten Kammer auf 75 Prozent, in der nächsten Kammer sogar auf 95 Prozent", erklärt Cooke. Zum Schluss werden Geruchsstoffe zugesetzt, so dass das von Natur aus geruchslose Biomethan an Zapfsäulen für Nutzer wahrnehmbar bleibt.

Sprit aus Abfall für die Mobilität der Megacity

Schon in wenigen Jahren soll der Biomethan-Treibstoff von der Deponie zwischen fünf und zehn Prozent aller Fahrzeuge in Südafrika betanken. Ein ambitioniertes Vorhaben, was eine Vervielfachung der Produktionsanlagen und ein flächendeckendes Erdgastankstellennetz notwendig machen würde.

Kooperationspartner Edison Muzenda von der Universität Johannesburg sieht in dem Treibstoff aus Müll dennoch einen wichtigen Baustein für das zukünftige Verkehrskonzept der rasant wachsenden Metropolregion Gauteng rund um Johannesburg. Denn bis 2050 werden die dann rund 20 Millionen Einwohner der Region noch mehr öffentlichen Nahverkehr brauchen, um dem drohenden Verkehrskollaps zu begegnen, sagt der Professor für Chemie-Ingenieurswesen.

"Und mit dem Biomethan von der Deponie können wir genau hier beim öffentlichen Nahverkehr, bei den Taxiflotten und bei den Fahrzeugen der öffentlichen Hand den Unterschied machen", sagt Muzenda. Genau für diese Zielgruppen lohnen sich der Aufbau von Infrastruktur und die Umrüstung von Fahrzeugflotten auf Erdgasbetrieb, mit Folgen auch für die Bevölkerung. "Ich denke, wir haben hier den Schlüssel für eine Kostensenkung im öffentlichen Nahverkehr um bis zu 30 Prozent in der Hand", schätzt Muzenda.

Eine gute Botschaft für den ärmsten Teil der Bevölkerung, den Taxifahrer Jeffrey jeden Tag in seinem Neunsitzer-Sammeltaxi durch die Stadt befördert. Kein Wunder, dass er davon ausgeht, dass in Zukunft beinahe alle zum Tanken in Richtung einer Mülldeponie und ihres grünen Grashügels fahren dürften. "80 Prozent der Südafrikaner werden auf Biomethan umsteigen, da bin ich mir zu 100 Prozent sicher."